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Tückischer Frosch-Killer

Biologie. - Von den 7500 Amphibienarten der Erde könnten demnächst zwei Drittel verschwinden. Eine Pilzerkrankung breitet sich bislang unaufhaltsam aus. Ein Team aus Australien ist der Todesursache jetzt auf die Spur gekommen.

Von Marieke Degen |
    Am 23. September 2004 tauchte der erste infizierte Frosch im El Cope Nationalpark in Panama auf. Vier Monate später war die Hälfte aller Amphibien in der Region verschwunden, sie wurden Opfer einer heimtückischen Pilzinfektion, der Chitridiomykose. Als der Chitrid-Pilz in Panama zuschlug, war die Amphibienforscherin Jamie Voyles mittendrin und – genau wie ihre Kollegen – ratlos.

    "Warum die Frösche sterben, war schwer nachzuvollziehen. Sie zeigen nämlich überhaupt keine Krankheitssymptome, sie haben keine Probleme mit dem Herzen, der Leber oder den Nieren. Sie leiden nur an einer oberflächlichen Hautinfektion, und so etwas ist normalerweise nicht tödlich."

    Normalerweise nicht. Aber die Haut von Amphibien ist einmalig im Wirbeltierreich. Frösche atmen über ihre Haut, sie nehmen über ihre Haut Wasser auf und Elektrolyte. Deshalb muss Amphibienhaut auch immer feucht sein. Elektrolyte wie Natrium und Kalium sorgen wiederum dafür, dass Zellen funktionieren, dass zum Beispiel der Herzmuskel kontrahiert. Jamie Voyles und ihre Kollegen hatten deshalb folgende Vermutung:

    "Wenn sich Frösche mit dem Pilz infizieren, sind sie nicht mehr in der Lage, ihren Elektrolythaushalt stabil zu halten."

    Die Folge: die Frösche sterben. Jamie Voyles wollte das überprüfen. In ihrem Labor an der James Cook University in Townsville, Australien, hat sie Versuchstiere mit dem Chitrid-Pilz infiziert, genauer gesagt: australische Korallenfinger-Laufbfrösche. Anschließend wurden die Tiere regelmäßig von Kopf bis Fuß durchgecheckt. Die Forscher haben sich ihre Blutwerte angeschaut, den Urin untersucht, und auch den Herzschlag der Frösche überwacht. Voyles:

    "Dafür haben wir den Fröschen kleine Implantate in die Bauchhöhle eingesetzt. Normalerweise kommen solche Implantate in Herzstudien mit Ratten zum Einsatz."

    Das Ergebnis: Im Blut der kranken Frösche waren die Elektrolyte Natrium und Kalium um die Hälfte reduziert. Und diese Menge hat für einen Herzschlag irgendwann nicht mehr ausgereicht. Zusätzlich haben sich die Wissenschaftler auch noch Hautproben von toten Fröschen unterm Mikroskop angesehen. Die Haut war gar nicht mehr in der Lage, Elektrolyte aufzunehmen und weiterzutransportieren, sagt Jamie Voyles. Das Gift des Chitrid-Pilzes hatte offenbar wichtige Transportkanälchen zerstört. Immerhin konnten die Forscher das Leid einiger Versuchstiere kurz lindern. Sie fütterten die Frösche mit einer Elektrolytlösung, woraufhin einige sogar wieder im Terrarium herumsprangen. Gestorben sind sie trotzdem.

    "Dass wir den Mechanismus hinter der Krankheit verstehen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Seit einiger Zeit schon können wir infizierten Amphibien gut behandeln, indem wir sie in Fungiziden baden. Außerdem ist der Pilz sehr empfindlich gegenüber Wärme, einige Frösche kann man auch mit Wärme behandeln. Aber von einer Lösung des Problems sind wir noch weit entfernt."

    Zur Zeit könnten nämlich nur Tiere behandelt werden, die ohnehin schon in Gefangenschaft leben. Noch ist es Amphibienforschern nicht gelungen, den Pilz in freier Wildbahn zu bekämpfen. Für viele bedrohte Arten sehen sie deshalb nur einen Ausweg: Sie müssen aus der Natur gerettet werden und erst einmal in Zoos und Aquarien bleiben.