Freitag, 29. März 2024

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Tüfteln an Musikmaschinen
Der Musikmechaniker Gerhard Kern

"Musiker, die scharf sind auf immer neue Klänge, können sich bei mir bedienen", sagt Gerhard Kern. Seit der Pensionierung widmet der 74-jährige sich seiner Leidenschaft: dem Bauen von ungewöhnlichen mechanischen Instrumenten aus Wasserschläuchen, Stäben oder Saiten. Besuch in einer außergewöhnlichen Werkstatt.

Von Niklas Rudolph | 21.01.2020
    Ein Mann mit weißen Haaren und weißem Schnäuzer steht im Vordergrund des Bildes. Hinter ihm stehen lauter ungewöhnliche Geräte, Musikinstrumente, die er selbst gebaut hat.
    Hinter ihm ein Raum voller selbst erfundener ungewöhnlicher Instrumente: der Musikmechaniker Gerhard Kern. (Deutschlandradio / Niklas Rudolph)
    "Hier gibt es keine Lautsprecher, nirgends", sagt Gerhard Kern. "Es gibt immer Material, das klingt; sei es als Stäbe, als Saiten, sei es als Röhren oder Pfeifen. Egal, wir bringen alles zum Klingen sozusagen."
    Ich treffe Gerhard Kern an einem trüben Januartag. Regen prasselt auf den Wintergarten in Kerpen, nur wenige Kilometer westlich von Köln. Draußen am Haus hängt kein Schild, nichts weist auf das wundersame Innere des Einfamilienhauses hin. Doch sobald man durch die Tür kommt, sind die Maschinen nicht zu übersehen – keine menschenartigen Androiden, die Klavier spielen können, sondern Gebrauchsgegenstände, die eine neue Bestimmung gefunden haben. Im Wohnzimmer stehen große Klangstäbe, ein Spinett mit merkwürdigem Aufsatz und viele aufgerollte Kabel. Vor fast 50 Jahren verschlug es den Schwaben Gerhard Kern vom Schwarzwald hierher, in das rheinische Kohlerevier.
    Gerhard Kern: "Ich komme aus einer Stadt, wo Uhren-Bau ganz großgeschrieben war. Schwenningen mit Firma Mau, die Firma Kinzle, das waren große Unternehmen, die es inzwischen gar nicht mehr gibt. Da gab es eine Tradition im Schwarzwald, wo Uhren so in Heimarbeit gebaut wurden - aber mit wunderschönen kleinen Orgelwerken drin, also mit Stiftwalzen, die das Musikprogramm trugen. Und das fand ich schon immer super."
    In Gerhard Kerns Wohnzimmer steht tatsächlich eine schwäbische Standuhr, massives Holz. Eine Standuhr jedoch, nur auf den ersten Blick. Denn schaut man genau hin, sieht man die Kabel und blauen LED-Lichter hinter der Frontscheibe blitzen.
    Eine Standuhr, deren Innenleben aber nicht bloß ein Uhrwerk enthält, sondern viele Kabel und Bauteile.
    Uhren mit Musik-Automaten, die haben als Kind bei Gerhard Kern das Interesse für Musikmechanik geweckt. (Deutschlandradio / Niklas Rudolph)
    Gerhard Kern: "Da ist mein letztes großes Werk, diese Standuhr. Das war mal eine Standuhr von Kienzle-Uhren in Schwenningen. Ursprünglich habe ich die entdeckt bei einer Wohnungsauflösung, der Kopf oben - also, die Uhr selber, die ist da nicht mehr drauf, die hängt in der Werkstatt. Aber der Schrank, der war mir einfach zu schade, um es wegzuschmeißen. Und ich habe ihn dann gefüllt, mit Musik."
    Zu jeder vollen Stunde spielt die Standuhr eine Melodie. Gerhard Kern führt sie vor. Komponiert hat diese "12 Stundenschläge für eine Standuhr" Dominik Susteck.
    Als Gerhard Kern zum ersten Mal die Orgel der Kunststation St. Peter gehört hat, mit Dominik Susteck am Orgeltisch, hat es ihn nachhaltig beeindruckt. "Ich war geplättet, ich fand es umwerfend. Ich habe so etwas noch nie gehört. Welche Klänge dieses Instrument bringt und vor allem, was der Organist, der Dominik Susteck, damit anstellt - das fand ich zutiefst zutiefst ergreifend. Manchmal hat es auf mich gewirkt, wenn ich in einem Konzert saß. Gerade bei den Impro-Konzerten, als wär ich hier in einer Massage."
    Für diese Orgel hat Gerhard Kern ein neues Register gebaut: Carillon. Aber auch eine Karfreitagsklapper.
    Ein gelber gerippter Schlauch ragt in den Raum hinein. Er ist an einem Motor befestigt, der den Schlauch im Kreis herumwirbeln kann.
    Ein Heulschlauch. Ein leiser Motor treibt zwei solche Schläuche an, sie drehen sich im Kreis und im Raum entsteht ein heller Ton. (Deutschlandradio / Niklas Rudolph)
    In seinem Wohnzimmer, seinem Wintergarten und auch seiner Werkstatt stehen aber noch viel mehr eigentümliche Instrumente: Ein mechanisch betriebenes Spinett, ein Orgelregister aus gestimmten Wasserleitungen, oder aber auch bislang ungelöste Projekte wie ein Psalter, das 25 Geigenbögen automatisch bespielen sollten...