Fußball-Diplomatie nannte sich das damals in den Jahren 2008 und 2009. Bei der Auslosung für die Qualifikationsspiele zur Fußball-Weltmeisterschaft waren die Türkei und Armenien zufällig in dieselbe Gruppe gelost worden. Die beiden National-Mannschaften mussten also zwei Mal gegeneinander antreten.
Zum Hinspiel in Eriwan lud der armenische Staatspräsident Sersch Sargsjan seinen türkischen Amtskollegen Abdullah Gül ein – und die beiden Präsidenten redeten nicht nur über Fußball. Abdullah Gül:
"Wir haben unseren gemeinsamen Willen bekundet, zwischen der Türkei und Armenien ein Klima der Versöhnung zu schaffen."
Im Herbst 2009 unterzeichneten die Außenminister beider Länder feierlich ein Protokoll, um die neue Nachbarschaft zu besiegeln: Sie wollten Botschafter austauschen und die gemeinsame Grenze öffnen.
Heute aber, fünf Jahre nach dieser Fußball-Diplomatie, versperren immer noch Stacheldraht und Wach-Türme die 270 Kilometer lange Grenze zwischen der Türkei und Armenien; das Unversöhnliche zwischen beiden Völkern rückt wieder in den Vordergrund.
Denn die drei Millionen Einwohner Armeniens bereiten sich auf das große Trauer-Gedenken im kommenden Jahr vor. Dann nämlich ist der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich genau 100 Jahre her. Die Erinnerung an die Katastrophe von 1915 mit eineinhalb Millionen Toten ist tief in die Gedanken jedes Armeniers eingebrannt. Die Türkei aber leugnet, dass es damals einen Völkermord gegeben hat.
Immerhin: Inzwischen ist dieses Thema in der Türkei nicht mehr tabu. Der türkische Fernsehsender ntv berichtete in der vergangenen Woche aus Armenien und ließ Bürger aus Eriwan zu Wort kommen:
"Die Öffnung der Grenzen zwischen Armenien und der Türkei wäre sehr gut. Aber wir haben ein Problem: Die Völkermordfrage. Deutschland zum Beispiel hat den Völkermord an den Juden anerkannt und seither pflegen Israel und Deutschland gute Beziehungen zueinander."
Die Türkei aber will die Täter-Rolle nicht akzeptieren. Als das französische Parlament vor zwei Jahren per Gesetz die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe stellen wollte, schimpfte der türkische Regierungs-Chef Erdogan, das sei ein "Massaker an der Meinungsfreiheit".
"Wir ignorieren diese Entscheidung des französischen Parlaments", so Erdogan damals.
Anerkennung des Genozids auf dem Taksim-Platz
Diese starre Haltung aber bröckelt in der Türkei. Seit vier Jahren gedenken regelmäßig einige türkische Bürger öffentlich der getöteten Armenier, so auch auf dem Taksim-Platz mitten in Istanbul. Die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin fordert, die Türkei müsse sich zu ihrer Schuld bekennen:
"Es scheint, dass sich in dieser Gesellschaft einiges ändert. Nicht viel, aber immerhin. Die Bevölkerung ändert ihre Meinung nur langsam, weil die Türkei immer noch ein sehr totalitärer Staat ist, da gehen Veränderungen nicht so schnell."
Markar Eseyan zählt zu den etwa 60.000 Angehörigen der armenischen Minderheit in der Türkei. Er arbeitet als Journalist in Istanbul und sieht noch ein ganz anderes Hemmnis für eine Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien:
"Die Achilles-Verse ist der Konflikt um die Region Berg-Karabach. Das spielt eine entscheidende Rolle in den Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien."
Berg-Karabach, jene Kaukasus-Region, wird seit Generationen vor allem von christlichen Armeniern bewohnt, völkerrechtlich aber gehört sie zum muslimischen Nachbarland Aserbaidschan. Armenische Truppen jedoch halten Berg-Karabach schon seit mehr als 20 Jahren besetzt; regelmäßig kommt es an der Grenzlinie zu Schießereien.
Die Türkei sieht sich als Bruderland von Aserbaidschan und fordert den schrittweisen Abzug der armenischen Truppen; das aber lehnt Armenien ab.
So blockieren sich die Türkei und Armenien gegenseitig; keine Seite scheint zu Kompromissen bereit. Die Schlagbäume zwischen der Türkei und Armenien bleiben vorerst unten.