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Türkei und EU
Erdogan macht Flüchtlingspakt von Visafreiheit abhängig

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will das Flüchtlingsabkommen mit der EU nur dann umsetzen, wenn die geplante Visafreiheit für sein Land vorankommt. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel infrage gestellt, ob die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger bei Reisen in die EU noch zum 1. Juli in Kraft tritt.

24.05.2016
    Recep Tayyip Erdogan beim UNO-Nothilfegipfel in Istanbul.
    Recep Tayyip Erdogan beim UNO-Nothilfegipfel in Istanbul. (dpa-Bildfunk / EPA / Sedat Suna)
    Erdogan sagte, ohne Fortschritte im Streit um die EU-Visafreiheit werde er das Abkommen mit der EU zur Rücknahme von Flüchtlingen ab 1. Juni nicht in Kraft treten lassen. Das türkische Parlament werde dann das Rücknahmeabkommen mit der EU nicht ratifizieren. "Sie sollen uns nicht ständig Kriterien aufzwingen. Das hier ist die Türkei", mahnte er.
    Bundeskanzlerin Merkel hatte am Montag nach einem Gespräch mit Erdogan in Istanbul deutlich gemacht, dass der angestrebte Termin für die Visafreiheit zum 1. Juli nicht mehr haltbar ist. Hintergrund ist die Weigerung Erdogans, die Anti-Terror-Gesetze der Türkei zu reformieren. Nach Ansicht von Kritikern ist der Terrorismusbegriff darin so weit gefasst, dass auch Oppositionelle und regierungskritische Journalisten darunter fallen könnten. Die Gesetzesänderungen sind eine Voraussetzung der EU, um die Visumpflicht für Türken bei Reisen in den Schengen-Raum aufzuheben.
    Erdogan will nicht alle Bedingungen erfüllen
    Die EU und die Türkei hatten die insgesamt 72 Kriterien schon 2013 vereinbart. Darin war ursprünglich die Rücknahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten erst ab Oktober 2017 vorgesehen. Bei Erdogans Drohung dürfte es um eine Vereinbarung der EU und Ankaras gehen, die Rücknahme durch die Türkei auf den 1. Juni dieses Jahres vorzuziehen. Zum 1. Juli sollte dann die Visa-Freiheit in Kraft treten. Erdogan betonte, sein Land bitte nicht um einen Gefallen: "Was wir wollen, ist Aufrichtigkeit."
    Derzeit läuft die Rücknahme von illegalen Migranten auf Grundlage eines Abkommens zwischen der Türkei und Griechenland und erstreckt sich auf die griechischen Ägäis-Inseln. Mit Erdogans Äußerung sind die Gespräche über die Visumsfreiheit aber nicht vom Tisch: Sein Außenminister werde weiter mit der EU verhandeln, sagte der Staatspräsident.
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wollte sich zunächst nicht zu Erdogans Worten äußern: "Das möchte ich jetzt nicht kommentieren, zumal ich das jetzt auch nur aus der Presse gehört habe", sagte de Maizière am Rande der Klausur der Bundesregierung in Meseberg.
    (hba/tj)