Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

EU-Türkei-Gipfel
Gelingt Merkel der Spagat?

Die Türkei nimmt syrische Flüchtlinge zurück, die illegal von türkischem Boden in die EU eingereist sind. Im Gegenzug nimmt die EU eine gleiche Anzahl von legalen syrischen Flüchtlingen aus der Türkei auf. Ein solcher Deal, wie er sich zumindest abzuzeichnen beginnt, stößt bei einigen europäischen Ländern auf Unverständnis. Die Hauptkritik: Unter Erdogan entferne sich die Türkei immer mehr davon, ein Rechtsstaat zu sein.

Von Annette Riedel und Katharina Hamberger | 17.03.2016
    Flüchtlinge an der syrisch-türkischen Grenze bei Öncüpınar.
    Flüchtlinge an der syrisch-türkischen Grenze bei Öncüpınar. (Imago / ZUMA Press)
    Nie war die Türkei wichtiger für die EU als sie es im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise geworden ist. Und sie weiß es. Dieser EU-Gipfel ist schon der dritte Gipfel innerhalb weniger Monate, zu dem der türkische Regierungschef Davotuglu nach Brüssel geladen ist. Bei dem jüngsten, vor zehn Tagen, überraschte er die versammelten EU-Regierungen mit einem weitgehenden Vorschlag:
    "Wir haben die kühne Entscheidung gefällt, dass wir alle Flüchtlinge, die illegal über die Ägäis von der Türkei aus nach Griechenland kommen, zurücknehmen – unabhängig vom Herkunftsland. Im Gegenzug erwarten wir, dass für jeden Syrer, den wir von Griechenland zurücknehmen, die EU einen anderen Syrer aus der Türkei aufnimmt."
    Diese Art der Kooperation ginge deutlich über das hinaus, was zwischen der EU und der Türkei in einem gemeinsamen Aktionsplan im November verabredet wurde. Einiges hat sich seitdem getan. Die Türkei hat beispielsweise begonnen, die Lebensbedingungen der fast drei Millionen Flüchtlinge im Land zu verbessern. Die ersten Millionen von den dafür der Türkei Seitens der EU versprochenen drei Milliarden Euro sind für die ersten Flüchtlings-Projekte geflossen. Unter anderem soll Kindern Schulunterricht gegeben werden. Aber die Menschen machen sich trotzdem weiter auf den Weg Richtung Griechenland, bezahlen Schleusern viel Geld für die gefährliche Überfahrt. Wenn jedoch kein Flüchtling mehr, der illegal über die Ägäis aus der Türkei in die EU kommt, eine Chance hätte zu bleiben, würde das Geschäftsmodell der Schleuser zerstört. Auf diesem Gedanken baut der Vorschlag der Türkei auf.
    "Unser Ziel ist, illegale Migration zu verhindern, Menschenschmuggler davon abzuhalten, den Menschen zu helfen, illegal nach Europa zu kommen, indem wir die legale, geordnete Migration fördern."
    Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu
    Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu (dpa / picture-alliance / Thierry Roge)
    Die Bundeskanzlerin jedenfalls konnte Davutoglu für diesen Ansatz gewinnen. Angela Merkel betont die Chancen.
    "Dass damit sozusagen der Anreiz für illegale Migration gestoppt werden soll, denn diejenigen, die illegal die griechischen Inseln erreichen, werden wahrscheinlich überhaupt nicht die Chance auf Umsiedlung bekommen. Das heißt: ein deutlicher Anreiz, legale Wege zu wählen und damit die illegalen Immigranten zu stoppen."
    Allerdings, ein solches Konzept wirft viele Fragen auf – praktische, rechtliche und politische. Darauf wird zurückzukommen sein. Bleiben wir aber an dieser Stelle einen Moment bei einer anderen Frage, der nämlich, was denn die Türkei als Gegenleistung erwartet, damit dieser "Deal" so zustande kommt. Zum einen möchte sie erheblich mehr finanzielle Unterstützung – nicht drei Milliarden Euro, sondern bis Ende 2018 mindestens das Doppelte. Das Geld solle ausschließlich den in der Türkei lebenden Flüchtlingen zukommen.
    Die Geld-Forderung der Türkei dürfte das kleinste Problem im gesamten neuen Kooperations-Paket sein. Man erkennt in der EU durchaus an, was die Türkei mit der Aufnahme von Millionen Flüchtlingen leistet. Man ist also, mit den Worten des niederländischen Innenministers Dijkhoff, sehr wohl zur Lastenteilung bereit.
    "That should show Turkey, that we do burden sharing."
    Sehr viel komplizierter wird das EU-Türkei "burden sharing" im Zusammenhang mit der Forderung der Türkei, dass ihr für jeden Syrer, den sie aus Griechenland zurücknähme, ein anderer Syrer von den im Lande lebenden abgenommen wird. Vielleicht nachvollziehbar, aus Sicht der Türkei – unter dem Motto: Eine Hand wäscht die andere. Aber für die EU bedeutet das einmal mehr, dass sich die leidige Frage stellt, welches der Mitgliedsländer denn bereit ist, diese Menschen aufzunehmen, die dann direkt legal aus der Türkei umgesiedelt würden? Ungarn jedenfalls sicher nicht, wie Regierungschef Orban kürzlich zum wiederholten Mal in einer Pressekonferenz nach dem Besuch des bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer unterstrich.
    "Da wir eine Null als das Optimum hinsichtlich Migration betrachten, werden wir keine Vereinbarung unterstützen, die Flüchtlinge nach Ungarn aus der Türkei bringen würde."
    Ungarn klagt vor dem Europäischen Gerichtshof
    Orban will selbst die im Herbst beschlossene Umverteilung von 160.000 Asylbewerbern aus Griechenland und Italien auf alle EU-Länder nicht umsetzen – mehrheitlich so beschlossen, aber mit einigen Gegenstimmen, inklusive der von Budapest. Ungarn klagt vor dem Europäischen Gerichtshof und wird zudem die Bevölkerung über die Umverteilung abstimmen lassen. Trotzdem hofft Bundesinnenminister De Maiziere, dass zumindest ein Teil jener 160.000 umverteilt werden könnte und, gemäß der dafür geltenden Quote, einige EU-Länder der Türkei erste Kontingente von Syrien-Flüchtlingen abnehmen würden. Zunächst einmal nach dem Prinzip eins zu eins. Ein Syrer käme legal aus der Türkei in die EU, für jeden, den die Türkei aus Griechenland zurücknimmt.
    "Wenn wir unter dem Deckel der bereits vereinbarten 160.000 bleiben, da denke ich, müsste es gehen. Ich sehe auch dort erste Signale. Möglicherweise sind am Anfang auch noch nicht alle dabei."
    Wer aber wäre dabei? Vor allem, wenn es später über den Eins-zu-eins-Ansatz hinaus um größere Kontingente ginge – Teil des Deals - die dann im Rahmen eines humanitären Aufnahmeprogramms aus der Türkei ausgeflogen werden sollen. Österreich? Weder der österreichische Bundeskanzler Faymann noch die österreichische Innenministerin Mickl-Leitner klingen so.
    "Ich glaube, das Entscheidendste ist, dass die Türkei hier auch in die Vorleistung gehen muss und hier ganz klar zeigen muss, dass es tatsächlich gelingt, diese Migrationsströme massiv zu reduzieren und dann wird man den nächsten Schritt setzen können."
    "Alles ist in Ordnung, was mit dem Nachbarn ausgemacht werden kann. Darauf verlassen sollte sich die Europäische Union nicht. Sie muss in der Lage sein, ihre Grenzen selbst zu sichern. Sie muss in der Lage sein, selbst die Verteilung vorzunehmen."
    " ... dass wir uns nicht abhängig machen dürfen von der Türkei"
    Einige EU-Länder, wie Österreich, wie Ungarn, wie aber auch Frankreich und Spanien, mögen nicht daran glauben, dass durch einen Deal mit der Türkei tatsächlich der Zustrom von Flüchtlingen nachhaltig spürbar – mit Tendenz gen Null – zurückgehen würde. Oder wenn doch, würden sie ohnehin nicht unmittelbar davon profitieren. Es sind diese Länder, deren Regierungen besonders große politische Bedenken formulieren, sich mit dieser Türkei zu verbandeln, wie sie sich unter dem Einfluss von Präsident Erdogan entwickelt. Damit tut sich die österreichische Innenministerin Mickl-Leitner schwer, genauso wie der französische Staatspräsident Hollande.
    "Da stellt sich für uns alle schon die Frage, ob wir unseren Werten noch treu sind, oder sie über Bord werfen. Aber eines ist klar, dass wir uns nicht abhängig machen dürfen von der Türkei."
    "Alle Maßnahmen müssen äußerst konform mit unseren Werten sein und äußerst effektiv."
    Vielleicht erwiese sich die Umsetzung des Vorschlags der Türkei, künftig ausnahmslos alle Flüchtlinge zurückzunehmen, die aus der Türkei illegal in die EU gelangt sind, tatsächlich in Hollandes Sinne als äußerst effektiv und machbar. Wie wertekonform sie sind, daran sind von vielen Seiten schon erhebliche Zweifel angemeldet worden. Von Spanien etwa.
    "Spanien ist entschieden gegen Massenabschiebungen. Das Recht auf ein individuelles Asylverfahren und die Menschenrechte von Flüchtlingen sind nicht verhandelbar. Auch nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind diese Rechte absolut", gab der spanische Außenminister Carcia-Margallo am Montag zu Protokoll. So viel steht fest: Diese Genfer Flüchtlingskonvention müsste von der Türkei in allen ihren Teilen akzeptiert und angewandt werden. Damit alle Flüchtlinge von Griechenland aus zurückgeschickt werden könnten, muss zudem die Türkei als sicheres Drittland anerkannt werden. Das heißt, sicher für solche Flüchtlinge, die aus Ländern außerhalb der Türkei in das Land gekommen sind. In der EU-Kommission sieht man die Voraussetzungen dafür als gegeben an, sagt EU-Kommissionspräsident Juncker.
    "Aus unserer Sicht erfüllt die Türkei die juristischen Voraussetzungen, um als sicheres Drittland anerkannt zu werden."
    Nicht nur Menschenrechtsorganisationen zweifeln daran, dass die EU sich darauf verlassen kann, dass Flüchtlinge in der Türkei sicher sind, dass ihnen dort ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren möglich ist. Nur unter diesen Bedingungen wären massenhafte Abschiebungen nach europäischem Recht möglich. Auch im Europäischen Parlament halten viele das für Augenwischerei. Und nicht nur das: Die Türkei unter Erdogan entferne sich eher wieder davon, ein Rechtsstaat zu sein. Stichwort: Umgang mit Medien. Stichwort: Vorgehen gegen die Kurden. So argumentierten die Europarlamentarier vergangene Woche in Straßburg mehrheitlich gegen den Deal mit der Türkei, wie er sich abzuzeichnen beginnt.
    Die Sache mit dem EU-Beitritt
    Für diesen Deal müsste die EU, als Teil des Gesamtpakets zur Kooperation in der Flüchtlingsfrage, noch weitere Forderungen der Türkei erfüllen. Zum einen geht es um das Vorantreiben der Beitrittsverhandlungen. Seit Jahren wird über den EU-Beitritt der Türkei verhandelt, mit schleppenden Fortschritten allerdings.
    "Die Frage der Beitrittsverhandlungen – daran hat sich nichts verändert: Sie werden ergebnisoffen geführt und die Beitrittsfrage stellt sich zurzeit nicht. Aber ich glaube schon, dass mit Blick auf den Syrien-Krieg und die geopolitische Situation der Türkei im Blick auf Europa schon eine ganz besondere ist."
    Nicht wenige in den EU-Hauptstädten und auch im EU-Parlament tun sich ähnlich schwer wie die Bundeskanzlerin mit einem EU-Beitritt der Türkei. Anders als Angela Merkel halten viele nichts davon, die Forderung der Türkei zu erfüllen, die Beitrittsverhandlungen jetzt zu beschleunigen. Verhandelt wird über die schnellst mögliche Eröffnung mehrerer Verhandlungskapitel – darunter das Kapitel 24 über Justiz, Freiheit und Sicherheit. Eine gute Möglichkeit, kritische Entwicklungen Seitens der EU gezielt anzusprechen, argumentieren die Befürworter schnellerer Verhandlungen. Beschlossen werden müsste das aber einstimmig von den 28 EU-Ländern. Zumindest eines, Zypern, sperrt sich, bestätigt Bundeskanzlerin Merkel.
    "Das wird noch ein dickes Brett, sag ich mal, weil das natürlich von Zypern auch in Verbindungen mit den Verhandlungen zwischen der Türkei und den Zypern-Verhandlungen insgesamt gesehen wird."
    Bei denen es unter anderem darum geht, dass die Türkei Zypern anerkennt. Hintergrund ist die politische Situation auf der Mittelmeer-Insel, die geteilt ist – in einen von griechisch-stämmigen und einen von türkisch-stämmigen Zyprern bewohnten Teil.
    Ein vielleicht noch "dickeres Brett", das es bei diesem Gipfeltreffen in Brüssel zu bohren gilt, ist eine andere Forderung der Türkei: Die nach einer schnellen Visa-Liberalisierung für alle türkischen Bürger noch im ersten Halbjahr 2016. Dagegen gibt es innerhalb der EU einigen Widerstand. Zum Beispiel beim französischen Präsidenten Hollande.
    "Weder bei den Menschenrechten noch bei den Kriterien für die Visa-Freiheit darf es gegenüber der Türkei irgendwelche Abstriche geben. Das muss ganz klar sein in den Beziehungen zwischen der Türkei und Europa."
    Von den vom französische Staatspräsidenten Hollande angesprochenen Kriterien gibt es insgesamt 72. Darunter sind der Datenschutz und die Einführung biometrischer Pässe. Dass da ganz genau hingeschaut werden muss, ob die Kriterien dann wirklich alle erfüllt sind, das ist auch Bundesinnenminister De Maiziere wichtig.
    "Die Türkei ist optimistisch, diese Kriterien erfüllen zu können – bis zum 1. Juni oder sogar bis zum 1. Mai. Wenn die Türkei etwas Besonders will, dann besteht ja vielleicht auch eine gewisse Aussicht, dass sie dann die Ziele auch erreicht. Aber das muss dann noch mal von den zuständigen Gremien – wie bei allen anderen auch – geprüft werden."
    Die Türkei will in der Tat diese Visa-Liberalisierung ganz besonders. Und ob sie die Kriterien alle zur vollen Zufriedenheit erfüllt haben wird, darüber hat das EU-Parlament mit zu befinden. Viele, vor allem unter den konservativen Europaabgeordneten, sehen die Visafreiheit auch deshalb kritisch, weil sie befürchten, dass dann eine neue Massenmigration in die EU, diesmal von Türken, einsetzen könnte.
    Aber die Verhandlungen mit der Türkei spielen nicht nur auf europäischer Ebene eine Rolle, sondern auch innenpolitisch. Es geht dabei um die Haltung und das Verhandlungsgeschick einer Bundeskanzlerin, die selbst und deren Partei die Türkei bislang auf Abstand gehalten hat.
    "Und ich habe für die Christlich Demokratische Union deutlich gemacht, dass von der Seite der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union für die Türkei als Mitgliedsstaat, wir zum jetzigen Zeitpunkt eine Überforderung der Europäischen Union sehen, das heißt die Möglichkeiten einer Aufnahme der Türkei skeptisch betrachten."
    Die CDU-Chefin Angela Merkel, ihre Partei ist damals noch in der Opposition, bei einem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan 2003. Innerhalb der Union war man sich damals einig: Die Türkei darf keine EU-Mitgliedschaft erhalten. Das soll ein Jahr, bevor die EU über mögliche Beitrittsverhandlungen entscheiden will, nochmal deutlich werden. Das Zauberwort für die Union heißt damals: Privilegierte Partnerschaft, sprich eine verstärkte Zusammenarbeit mit der EU auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Aber eben keine Vollmitgliedschaft. Die Türkei komme aus einer völlig anderen religiösen und kulturellen Tradition. Eine Mitgliedschaft würde die gemeinsame Klammer Europas sprengen, sagt der damalige Unionsfraktionsvorsitzendender Wolfgang Schäuble 2004.
    Am Ende kann sich die Union nicht durchsetzen. 2005 beginnt die erste Runde der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Es gehört zur Union, auch weiterhin die Skepsis aufrecht zu erhalten. Auch wenn es nun nicht um eine EU-Mitgliedschaft der Türkei geht, sondern um neue Beitrittsverhandlungen, Visafreiheit und mehr Geld, so droht mit den aktuellen Verhandlungen dennoch, dass der Eindruck entsteht, dass eine weitere, bislang harte Position der Union aufgeweicht wird. Ein Dilemma für CDU und CSU. Welche Zugeständnisse kann die Union machen, ohne zu weit zu gehen? Denn klar ist auch für sie: Ohne eine Einigung mit der Türkei wird es kaum möglich sein, die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, zu reduzieren.
    "Es ist schon richtig, die Türkei ist Schlüsselland. Ohne die Türkei werden wir das Problem nicht lösen können", sagte Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion in der ARD am Tag nach dem EU-Türkei-Gipfel Anfang März, bei dem die Türkei den Preis für die Zusammenarbeit mit der EU noch einmal erhöht hat. Einen Preis, den die Union nicht voll zahlen will:
    "Jetzt werden auch bei der Türkei nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen. Das werden wir sehen, wenn's dann zu den weiteren Verhandlungen kommt. In gewisser Weise gibt es Abhängigkeiten, das ist vollkommen klar. Wenn wir unsere Außengrenzen schützen wollen. Aber er hat es nicht in der Hand, uns zu Dingen zu bringen, die wir nicht wollen, wir haben das voll in der Hand unsere Position zu sagen und dann verhandelt man", sagte Merkel Ende des vergangenen Jahres.
    Horst Seehofer sieht die Zukunft der Union auf dem Spiel
    Eine Botschaft, die auch in die Union hinein gerichtet ist: Sie wird nicht den vollen Preis zahlen. Hierbei geht es nicht nur um die grundsätzliche Haltung der Union zur Türkei, sondern auch um die Befürchtung, dass die Verunsicherung bei Teilen der Union-Wähler, die durch die Flüchtlingspolitik entstanden ist, durch zu viele Zugeständnisse an die Türkei potenziert wird:
    Horst Seehofer und Angela Merkel, hier bei einem Treffen im Dezember
    Horst Seehofer und Angela Merkel, hier bei einem Treffen im Dezember (imago stock & people)
    "Was die innenpolitischen Themen anbelangt, die im Zusammenhang mit der Integration der Flüchtlinge eine Rolle spielen, das haben wir heute auch benannt, ist einerseits die Sorge vor einer anderen Religion, vor allem die Sorge vor dem Islam und das zweite die Fragen der inneren Sicherheit", resümiert Merkel am Montag nach den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Vor allem die CSU drängt deshalb auf Abstriche bei den Verhandlungen. Für die Christsozialen, vor allem für deren Parteichef Horst Seehofer, steht die Zukunft der Union momentan auf dem Spiel. Vier Punkte hat der Parteivorstand Anfang der Woche beschlossen. Bei dreien davon dürfte es mit Merkel keinen Dissens geben:
    Keine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei, dass die Kontingente für die Rücknahme der Flüchtlinge aus der Türkei nicht nur allein Deutschland bewilligt, sondern, dass hier eine europäische Lösung gefunden wird und dass bei Verhandlungen mit der Türkei auch Menschenrechte, Religionsfreiheit und Pressefreiheit eine Rolle spielen. CSU-Chef Seehoferstellt jedoch auch klar
    " ... dass wir keine volle Visafreiheit wollen und dass dies unter allen Umständen vermieden werden muss."
    Die CSU befürchtet, dass dann viele türkische Kurden auf Grund der Konflikte in der Türkei mit einem Visum nach Deutschland kommen. Deshalb will die CSU auch erreichen, dass die Türkei zum sicheren Herkunftsstaat erklärt wird, sodass auch türkisch-kurdische Flüchtlinge, sollten sie doch kein Visum bekommen, in Deutschland kaum eine Chance auf Asyl hätten.
    Eine schwierige Situation für die CDU-Chefin. Von Merkel wird nun in der Union erwartet, dass sie gegenüber der Türkei die Bedenken aus den eigenen Reihen klar macht, sich auch dafür stark macht, dass die Türkei nicht alles bekommt, aber dass sie auch gleichzeitig eine Lösung erreicht. Zu der eben auch gehört, dass die EU einen oder mehrere Schritte auf die Türkei zugehen muss. Die Verhandlungen bergen also die Gefahr, zu einem weiteren Krisenherd in der Union zu werden. Scheitert Merkel oder zahlt sie einen zu hohen Preis, wird der Druck vor allem aus der CSU auf sie wachsen. Damit hängt auch der innerparteiliche Friede von Merkels Verhandlungsgeschick ab.