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Türkisch-griechischer Gasstreit
"Sorgfältig geölte und geladene Revolver"

Die Erdgas-Felder unter dem Mittelmeer wecken Begehrlichkeiten. Die Türkei will Tatsachen schaffen - und versetzt damit Griechenland in Alarmstimmung. Der griechische Verteidigungsminister droht mit deutlichen Worten.

Von Rodothea Seralidou | 12.12.2019
Der griechische Verteidigungsminster Nikos Panagiotopoulos (links) mit seinem zyprischen Amtskollegen Savvas Angelides im Juli 2019
Der griechische Verteidigungsminster Panagiotopoulos (links im Bild) will wieder mehr Geld in die Verteidigung des Landes investieren (AP/ Petros Karadjias)
Im türkischen Staatsfernsehen zeigt der türkische Präsident Erdogan mit einem roten Laser auf eine Landkarte. Darauf zu sehen: Das östliche Mittelmeer, wie es die Türkei und Libyen unter sich aufgeteilt haben. Bis südlich von Kreta reiche demnach das türkische Hoheitsgebiet, obwohl sich in dieser Zone griechische Inseln befinden.
Was hinter Erdogans willkürlicher Grenzziehung steckt, macht er im Interview unmissverständlich deutlich: Die Türkei solle von den Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer profitieren – auch dort, wo griechische Inseln sind: "Hier liegt Kreta. Bis zu diesem Punkt können wir problemlos Erdgasbohrungen tätigen und südlich davon kann Libyen nach Erdgas suchen. Unsere Länder können in dieser Hinsicht auch zusammenarbeiten. Oder Libyen erlaubt der Türkei, nach Erdgas zu forschen."
Griechenland fordert internationale Unterstützung
Griechenland protestiert: Das Abkommen mit der libyschen Regierung sei illegal und ungültig, da es griechisches Territorium verletze und zwischen zwei Ländern abgeschlossen wurde, die überhaupt keine gemeinsame Seegrenze haben. Auf der Suche nach Verbündeten hat die griechische Regierung schon längst ihre EU-Partner und die USA über das Abkommen informiert.
Auch die Vereinten Nationen seien schriftlich in Kenntnis gesetzt worden, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas vor griechischen Journalisten: "Dieses Abkommen gefährdet den Frieden und die Stabilität in der Region. Der UN-Sicherheitsrat muss das Abkommen als rechtswidrig verurteilen und die Türkei und Libyen davon abhalten, die Hoheitsrechte Griechenlands zu verletzen und die Spannungen in der Region zu steigern."
Vorwurf an Türkei: bewusste Provokation
Auf das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ab heute (12.12.2019) in Brüssel setze die griechische Regierung große Hoffnungen, so Regierungssprecher Petsas: "Wir wollen eine Verurteilung der Türkei erreichen - auf höchster politischer Ebene. Wir wollen, dass die EU Griechenland gegenüber der Türkei klar unterstützt und fordern einen politischen Schirm für alle weiteren Aktionen und Sanktionen, die folgen könnten."
Doch würde das tatsächlich zu einer Deeskalation der angespannten Lage in der Ägäis führen? Konstantinos Grivas, Professor für Geopolitik an der Universität Athen, bezweifelt das: "Diese Türkei unter Erdogan ist eine erschreckend ehrgeizige Türkei. Das ist der Kern ihrer geopolitischen Identität. Sie hat maximalistische Ziele und will allen zeigen, wie gefährlich sie ist. Es ist also ganz und gar nicht auszuschließen, dass sie einen bewaffneten Konflikt mit Griechenland sogar wünscht. Einen Konflikt, der sich zwar in Grenzen halten soll, weil auch sie sich keinen großen Krieg leisten kann, aber dennoch ein Zeichen setzt, damit sie alle Länder respektieren und auf Augenhöhe mit ihr umgehen."
Droht ein Wettrüsten?
An einem weiteren Rüstungsabbau sei unter solchen Voraussetzungen nicht zu denken, sagt der griechische Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos. In Krisenzeiten sei der Etat seines Ministeriums um mehr als 50 Prozent gekürzt worden. Es sei nun höchste Zeit, wieder mehr Geld in die Verteidigung des Landes zu investieren: "Wir setzen auf das Internationale Recht, aber wenn dein Gegenüber mit geladenem Revolver am Verhandlungstisch sitzt, musst auch du deinen Revolver laden und sorgfältig ölen."
Medienberichte, die von einer aufgestockten griechischen Militärpräsenz auf der Insel Kreta sprechen, dementierte Nikos Panagiotopoulos. Auf Kreta sei schon genug griechisches Militär stationiert und jederzeit einsatzbereit.