Der arme Soldat José als Schuhwichser. Die Schuhe der ganzen Kompanie darf er wichsen, den Putzlappen schwingen, alle sonstigen Drecksarbeiten vollführen und sich dafür auch noch hänseln lassen.
Als kleiner Bruder des Büchnerschen Wozzeck wird er uns hier vorgeführt. Carmen, die Schmuggler-Marie, findet an ihm ein Abenteuer der besonderen Art. Wie ein Hündchen lässt er sich von ihr am Gängelband führen. Sie kann ihn reizen und ihre anderen Bewerber damit düpieren. Dass sie am Ende von ihm auf der Couch der Neubauwohnung ihres neuen Liebhabers Escamillo das Messer in den Leib gerammt bekommt, ist Lebenskünstler-Pech. Aber durchaus kalkuliert.
"Carmen" ohne Klischees war versprochen. Aber eigentlich sind in Tatjana Gürbacas und ihres Ausstatters Klaus Grünberg Leipziger Inszenierung vor allem die Schauplätze und die Milieus ein bisschen verschoben. Und man fragt sich bald, was bringt’s, wenn nicht neue Klischees?
Die Frauen von der Zigarettenfabrik, auf die die Soldaten scharf sind, tragen hier rosa Kittelschürzen und gehen mit der Klingelbüchse sammeln für "Kinder in Not". Zuvor hatte man Kinder für ihren Chorauftritt aus den Betten der Soldaten kriechen sehen.
Die Spelunke von Lillas Pastia ist eine kleine Freilichtbühne, auf der Carmen und ihre Freundinnen Mercedes und Frasquita ein bisschen Rotlichttanz mimen.
Und die Schmuggler treffen sich, wann immer die Partitur einen Chor-Auftritt verlangt, am Spielplatz mit Rutsche neben einem Autobahngrenz-Übergang mit abwechselnd roten und grünen Lichtzeichen für die einzelnen Spuren von Pkws, Lkws und Bussen.
Escamillo hat Carmen eingemeindet in seine Beletage-Kleinbürgerlichkeit. Vor der Corrida stärkt er sich mit der in orangener Bluse adrett als sorgende Hausfrau Gekleideten bei einem Gläschen Rotwein und einem Tässchen Café. Dann blickt er – eine Anleihe der Regisseurin bei ihrem Mentor Peter Konwitschny und seiner "Aida" – vom Fenster aus auf die vorbei wogenden La-Ola-Fans.
Der unsinnlichste Einfall in Tatjana Gürbacas Inszenierung sind die von sechs im Bühnenraum am Rand verteilten Mikrofonen aus erklingenden Dialogen – immerhin Deutsch gesprochen und meist auch verständlich. Die junge Regisseurin hat sie selbst verfasst. Gemeint ist das wahrscheinlich als Verfremdungseffekt. Aber es wirkt nur altklug, aufgesetzt und bieder. Carmen, die selbst selten an den Mikrofon-Ständer tritt, wird das Mikro meistens hingereicht. Spannung kommt den ganzen Abend nie auf. Und das bei diesem Stück.
Dazu kommt ein sängerisches Niveau, das man an einem Haus wie dem Leipziger eigentlich nicht erwarten sollte. Ekaterina Semenchuk in der Titelpartie braucht den halben Abend, um wenigstens einigermaßen saubere Töne zu produzieren. Neil Shicoff, mal ein Sänger von Weltruf, kommt als Don José nur mit äußerster Kraftanstrengung und eher heiser daher. Auch der Escamillo von Gábor Bretz klingt etwas knödelig. Lediglich Anett Fritsch und Claudia Huckle als Carmen-Vertraute können gute Figur machen.
Antonello Allemandi am Pult, Ersatz für den ursprünglich für diese Premiere vorgesehenen früheren Opern-GMD Riccardo Chailly, schafft mit dem Gewandhausorchester zwar einen schönen lyrischen Ton, über die heiklen synkopischen Akzente der Märsche aber rudert er nur glatt hinweg.
Gleichwohl applaudierte das Publikum am Ende begeistert den Sängern, dem Dirigenten und dem Chor. Tatjana Gürbaca und ihr Team wurden mit Buhs empfangen. Es schien die Regisseurin sogar zu beglücken. Von Selbstkritik angekränkelt ist sie nicht.
Als kleiner Bruder des Büchnerschen Wozzeck wird er uns hier vorgeführt. Carmen, die Schmuggler-Marie, findet an ihm ein Abenteuer der besonderen Art. Wie ein Hündchen lässt er sich von ihr am Gängelband führen. Sie kann ihn reizen und ihre anderen Bewerber damit düpieren. Dass sie am Ende von ihm auf der Couch der Neubauwohnung ihres neuen Liebhabers Escamillo das Messer in den Leib gerammt bekommt, ist Lebenskünstler-Pech. Aber durchaus kalkuliert.
"Carmen" ohne Klischees war versprochen. Aber eigentlich sind in Tatjana Gürbacas und ihres Ausstatters Klaus Grünberg Leipziger Inszenierung vor allem die Schauplätze und die Milieus ein bisschen verschoben. Und man fragt sich bald, was bringt’s, wenn nicht neue Klischees?
Die Frauen von der Zigarettenfabrik, auf die die Soldaten scharf sind, tragen hier rosa Kittelschürzen und gehen mit der Klingelbüchse sammeln für "Kinder in Not". Zuvor hatte man Kinder für ihren Chorauftritt aus den Betten der Soldaten kriechen sehen.
Die Spelunke von Lillas Pastia ist eine kleine Freilichtbühne, auf der Carmen und ihre Freundinnen Mercedes und Frasquita ein bisschen Rotlichttanz mimen.
Und die Schmuggler treffen sich, wann immer die Partitur einen Chor-Auftritt verlangt, am Spielplatz mit Rutsche neben einem Autobahngrenz-Übergang mit abwechselnd roten und grünen Lichtzeichen für die einzelnen Spuren von Pkws, Lkws und Bussen.
Escamillo hat Carmen eingemeindet in seine Beletage-Kleinbürgerlichkeit. Vor der Corrida stärkt er sich mit der in orangener Bluse adrett als sorgende Hausfrau Gekleideten bei einem Gläschen Rotwein und einem Tässchen Café. Dann blickt er – eine Anleihe der Regisseurin bei ihrem Mentor Peter Konwitschny und seiner "Aida" – vom Fenster aus auf die vorbei wogenden La-Ola-Fans.
Der unsinnlichste Einfall in Tatjana Gürbacas Inszenierung sind die von sechs im Bühnenraum am Rand verteilten Mikrofonen aus erklingenden Dialogen – immerhin Deutsch gesprochen und meist auch verständlich. Die junge Regisseurin hat sie selbst verfasst. Gemeint ist das wahrscheinlich als Verfremdungseffekt. Aber es wirkt nur altklug, aufgesetzt und bieder. Carmen, die selbst selten an den Mikrofon-Ständer tritt, wird das Mikro meistens hingereicht. Spannung kommt den ganzen Abend nie auf. Und das bei diesem Stück.
Dazu kommt ein sängerisches Niveau, das man an einem Haus wie dem Leipziger eigentlich nicht erwarten sollte. Ekaterina Semenchuk in der Titelpartie braucht den halben Abend, um wenigstens einigermaßen saubere Töne zu produzieren. Neil Shicoff, mal ein Sänger von Weltruf, kommt als Don José nur mit äußerster Kraftanstrengung und eher heiser daher. Auch der Escamillo von Gábor Bretz klingt etwas knödelig. Lediglich Anett Fritsch und Claudia Huckle als Carmen-Vertraute können gute Figur machen.
Antonello Allemandi am Pult, Ersatz für den ursprünglich für diese Premiere vorgesehenen früheren Opern-GMD Riccardo Chailly, schafft mit dem Gewandhausorchester zwar einen schönen lyrischen Ton, über die heiklen synkopischen Akzente der Märsche aber rudert er nur glatt hinweg.
Gleichwohl applaudierte das Publikum am Ende begeistert den Sängern, dem Dirigenten und dem Chor. Tatjana Gürbaca und ihr Team wurden mit Buhs empfangen. Es schien die Regisseurin sogar zu beglücken. Von Selbstkritik angekränkelt ist sie nicht.