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TÜV im All

Raumfahrt.- Wenn die Dienstzeit von Satelliten nach ein paar Jahren abgelaufen ist, fallen sie entweder zurück auf die Erde oder verharren tatenlos im All. Das soll sich ändern: künftig könnten sie vor Ort in der Umlaufbahn überholt, aufgetankt und repariert werden.

Von Guido Meyer | 15.11.2011
    "It's not impossible.”"

    Nein, völlig ausgeschlossen sei das nicht, glaubt der Luft- und Raumfahrttechniker Nicholas Cohen aus Kalifornien. Und nach kurzem Überlegen fügt er hinzu:

    ""I think it's definitely possible. It's engineering challenges."

    Ja, so etwas sei definitiv möglich, sagt Nicholas Cohen. Es wäre aber eine technische Herausforderung.

    Eine solche Maschine müsste ganz hoch hinaus, um da oben genau den Satelliten zu finden, der gerade gewartet werden muss. Das sei schon sehr schwierig, so der Amerikaner, der für die Aerospace Corporation in Segundo arbeitet. Diese öffentlich-finanzierte Gesellschaft beschäftigt sich im Auftrag der US Air-Force und der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA mit der Frage, wie sich das Leben von Satelliten verlängern ließe.

    Auf niedrigen Erdumlaufbahnen, zwischen 300 und 500 Kilometern Höhe hat die NASA mit dem Space-Shuttle bereits demonstriert, dass sich Satelliten oder Weltraumteleskope wie Hubble vor Ort warten lassen. Auf der geostationären Umlaufbahn in 36.000 Kilometern Höhe hat das aber noch keiner versucht. Dort jedoch tummeln sich die meisten Satelliten, da sie auf dieser Position genauso schnell die Erde umkreisen wie diese sich um sich selbst dreht. Sie scheinen also über einem Punkt stillzustehen und können so ständig Daten übertragen. Laut Studie der Aerospace Corporation ließen sich mehr als zwei Drittel dieser geostationären Satelliten nach ihrem Ausfall wiederbeleben – etwa indem man sie im Orbit betankt.

    "Eine Art Weltraumschlepper würde mit einer Rakete in die geostationäre Umlaufbahn fliegen. Dort findet er autonom den Satelliten, der gewartet werden soll. Entweder dockt er an ihn oder er greift ihn mit seinem Arm. Und dann kann er diesen Satelliten betanken."

    Ein Verfahren, das an die Betankung von fliegenden Flugzeugen erinnert. Mit neuem Treibstoff ausgestattet, der gelegentliche Bahnkorrekturen ermöglicht, kann der aufgetankte Satellit seinen Dienst dann fortsetzen. Und der Schlepper fliegt weiter zum nächsten Problemfall, bei dem ein solcher außerirdischer TÜV fällig ist. Anders als bei bisherigen Wartungsmissionen im erdnahen Orbit sollen keine Astronauten nötig sein. Denn auch simple Reparaturen soll dieser Schlepp-Roboter eigenständig durchführen können.

    "Wenn ein Satellit jedoch unwiderruflich das Ende seiner Lebenszeit erreicht hat, nicht mehr funktioniert und auch nicht repariert werden kann, muss er aus dem Weg. Sonst stößt er womöglich mit anderen Satelliten zusammen, die noch einsatzfähig sind. Der Schlepper kann ihn dann etwa 300 Kilometer über die geostationäre Umlaufbahn hinaus anheben und ihn dort für immer belassen. Wir sprechen daher von einem Friedhofsorbit. Dort kann der ausgefallene Satellit bis in alle Ewigkeit kreisen, ohne anderen in die Quere zu kommen."

    Entwicklung, Bau und Einsatz eines solchen Weltraumschleppers kosten natürlich viel Geld. Stellt sich die Frage, ob eine Reparaturmission zur geostationären Umlaufbahn sich rechnet, oder ob der Bau eines Nachfolgemodells nicht die billigere Lösung wäre.

    "Manche Missionen wären es definitiv wert, verlängert zu werden. Das Hubble-Weltraumteleskop beispielsweise hat seine Lebenszeit längst überschritten. Es hat sich aber als wissenschaftlich so wertvoll herausgestellt, dass es mehrere Male überholt worden ist. Es kommt also immer darauf an, wie sehr man am Fortbestand einer Mission interessiert ist. Wetter-Satelliten werden ständig ersetzt; da würde sich eine solche Reparaturmission wohl nicht lohnen."

    Die Studie der Aerospace Corporation endet mit dem klaren Ratschlag an Air Force und NASA: Sie sollen einen solchen Weltraumschlepper entwickeln, um ihn dann an Firmen zu vermieten, die ihre Satelliten damit retten wollen. So könnte die NASA mit einer solchen Entwicklung langfristig sogar Geld verdienen.