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Tumorerkennung
Verräterische Gene im Blut

Onkologie. - Um die Besonderheiten eines Tumors zu untersuchen, entnehmen die Ärzte normalerweise eine kleine Gewebeprobe, eine Biopsie. Eine Prozedur die nicht immer gelingt und die auch unangenehm ist. In der Zeitschrift "Science Translational Medicine" berichten nun zwei amerikanische Forschergruppen von einer Alternative: Sie haben kleine Bruchstücke der Erbsubstanz des Tumors aus dem Blut der Patienten isoliert.

Von Volkart Wildermuth | 20.02.2014
    Flüssige Biopsie haben die Forscher das Verfahren getauft. In kleinen Blutproben gelingt es ihnen, Spuren von Krebsherden nachzuweisen. Dr. Chetan Bettegowda von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore.
    "Wir brauchen bessere Wege, ganz unterschiedliche Tumortypen im Frühstadium zu entdecken, wenn sie sich noch gut behandeln lassen. Wir glauben, die Tumor-DNA im Blut könnte ein solcher Weg sein."
    Mit einer kleinen Blutprobe überprüfen, ob ein Mensch irgendwo im Körper einen versteckten Krebsherd in sich trägt. Die Idee klingt verlockend, aber die Umsetzung ist schwierig. Es gibt eine Menge DNA im Blut, von den weißen Blutkörperchen und aus Bruchstücken abgestorbener Zellen. Die Erbsubstanz von möglichen Krebszellen macht da nur ein Zehntausendstel der sonstigen DNA im Blut aus. Außerdem stammt der Tumor ja letztlich von ganz normalen Zellen ab, und das heißt, seine DNA gleicht in weiten Teilen dem Erbgut des Patienten. Chetan Bettegowda sucht also nach der genetischen Nadel im Heuhaufen.
    "Wir suchen deshalb nach Mutationen in der DNA, die typisch für Tumoren sind. Diese Veränderungen verursachen das unkontrollierbare Wachstum der Krebszellen, in gesunden Zellen treten sie nicht auf."
    Mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion können die Forscher gezielt DNA-Abschnitte vermehren, die bekannte Krebsgene enthalten. Wenn sich dann Mutationen finden, ist das ein starker Hinweis auf einen Tumor. Dass dieses Konzept tatsächlich funktioniert, belegten Chetan Bettegowda und seine Kollegen an mehreren hundert Krebspatienten. Doch in einigen Fällen stieß die flüssige Biopsie an Grenzen. Probleme hatte sie zum einen bei Hirntumoren. Vermutlich lasse die Blut-Hirn-Schranke keine DNA passieren. Zum anderen war es auch schwierig, Krebs im Frühstadium nachzuweisen. Also genau die Gruppe von Tumoren, die eigentlich im Fokus der Forscher standen. Chetan Bettegowda ist aber davon überzeugt, dass sich die Empfindlichkeit der Methode noch deutlich steigern lässt. Da ist noch viel Forschung nötig, es gibt aber auch bereits heute umsetzbare Anwendungsmöglichkeiten für die flüssige Biopsie.
    "Wir wissen, dass viele Rückfälle bei Tumoren auf die Entwicklung von Resistenzen zurückgehen. Bei Patienten mit Dickdarmkrebs konnten wir die Entstehung von Resistenzmutationen im Blut verfolgen. Man kann sich also vorstellen, dass in Zukunft die Tumor-DNA im Blut regelmäßig untersucht wird. Wenn sich dann Anzeichen für eine Resistenzentwicklung zeigen, können die Ärzte frühzeitig die Behandlung anpassen, um die Chance dieses Patienten zu verbessern."
    Dabei könnte die flüssige Biopsie sogar der klassischen Biopsie überlegen sein. Denn bei der wird immer nur eine winzige kleine Probe des Tumors untersucht. Dabei ist es möglich den Beginn der Resistenzentwicklung schlicht zu verfehlen. Im Blut finden sich dagegen DNA-Spuren aus ganz unterschiedlichen Teilen des Krebsherds. So sollte sich auch verfolgen lassen, ob ein Tumor überhaupt auf die Therapie anspricht. Diese Anwendungsmöglichkeiten bei bereits diagnostizierten Tumoren werden sich schon in wenigen Jahren auch im Krankenhausalltag umsetzen lassen. Das eigentliche Ziel von Chetan Bettegowda und seinen Kollegen, die Früherkennung von Tumoren mit einem Bluttest, liegt dagegen noch in weiter Ferne.