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Turbine für die Großküche

Technik. - In gewisser Weise kann man einem Küchenquirl eine Ähnlichkeit mit einer Schiffsschraube attestieren. Was jetzt in industriellen Großküchen Einzug halten und dort alle Geschwindigkeitsrekorde brechen soll, diente einst selbst als Antrieb für Schiffe.

Von Volker Mrasek |
    "Hier haben Sie einen Prozesskessel gehört, den wir sehr oft im Fertigmenü-Sektor einsetzen. Einen kippbaren Kochkessel. Wir haben den ausgerüstet mit Deckeln, die hydraulisch betätigt werden. Der Kessel ist so groß, dass wir die Deckel nicht mehr von Hand bewegen können."

    1.000 Liter passen in den Edelstahl-Bottich, den Theodor Berief auf Knopfdruck schwenkt und verschließt. Es ist das auffälligste Bauteil einer Prozessanlage, die die Firma des Wirtschaftsingenieurs aus dem westfälischen Wadersloh neuerdings vertreibt. In dem Kessel lässt sich zum Beispiel Béchamel-Sauce anrühren - große Mengen Béchamel-Sauce. Hier das Rezept:

    "150 Kilogramm Wasser. Elf Kilogramm Öl. 17 Kilogramm Milchpulver. Elf Kilogramm Mehl. Ein Kilo Ei-Pulver. Zwei Kilo Salz. Sieben Kilogramm Stärke."

    Am Ende ergibt das 200 Kilogramm Sauce. Oder Suppe. Oder auch Ketchup, Konfitüre und Fertiggerichte. Alles das lässt sich in der neuen Anlage für die Lebensmittelindustrie herstellen. Ihr Clou ist allerdings nicht der Kippkessel. Das Einzigartige an dem System steckt im Gewirr aus Rohrleitungen um den Bottich herum:

    "Alles in Edelstahl ausgeführt. Wir haben keine Pumpen. Wir haben keine Motoren. Wir haben nur eine reine Ventiltechnik, Dampfanschlüsse, auch Regelventile. Und eine Produktleitung zum Kessel, um eine Charge herzustellen."

    Wer hat schon eine genaue Vorstellung davon, was für Apparate in den Produktionshallen der Lebensmittelkonzerne stehen? Dieser hier zeigt, was heute alles möglich ist. Die Entwickler sitzen in England, bei der Firma Pursuit Dynamics. Sie sprechen von einer "Weltneuheit". Ihre Maschine macht scheinbar alles auf einmal: Sie kann gleichzeitig pumpen, erhitzen, emulgieren und homogenisieren. Und das alles mit Hilfe von Schockwellen, die durch den Strom von Zutaten für eine Minestrone oder eine Bolognese-Sauce gejagt werden. Stuart Rigby, der technische Verkaufsleiter bei Pursuit Dynamics:

    "Wir führen Dampf mit einem Druck von sieben bar in den Zutatenstrom ein. Das geschieht pulsweise, in einem kurzen, armdicken Rohr mit raffiniert angeordneten Düsen. Der Dampf wird auf über 1.000 Meter pro Sekunde beschleunigt. Es entsteht eine Druckwelle im Medium und gleichzeitig ein so starker Sog, dass die Zutaten in einem Rutsch durch das System gefördert und gemischt werden."

    Nach jeder Injektion saust eine Front feinster Nebeltröpfchen rasend schnell durch das Düsenrohr. Im Kontakt mit dem kalten Zutatenbrei kondensiert der heiße Dampf, wird also flüssig und verringert sein Volumen schlagartig. Das erzeugt die Schockwelle. Und die, sagt Theodor Berief, sorge für die perfekte Mischung aller Saucen-, Suppen- oder Fertiggerichtbestandteile:

    "Wenn ich jetzt ein Wassertröpfchen habe und ein Öltröpfchen oder noch weitere Bestandteile wie zum Beispiel Stärke oder Gewürzkörnchen - die liegen dann nebeneinander und kommen zusammen, innerhalb der Düse. Das läuft auf einer Strecke ab von etwa zehn bis 20 Zentimetern. Mehr ist das nicht."

    Man könnte fast von einem Rührwerk mit Düsenantrieb sprechen. So weit hergeholt ist das nicht einmal, wie Stuart Rigby durchblicken lässt:

    "Diese Technologie ist ursprünglich als Antrieb für Schiffe entwickelt worden - in Australien. Man kann den Sogeffekt auch nutzen, um ein Boot vorwärts zu bringen. Wir haben es dann für unsere Anwendungszwecke weiterentwickelt."

    Heißdampf statt Schiffsschrauben! Lebensmittelkonzernen bringt die Schockwellen-Technik nach Angaben ihrer Entwickler große Vorteile. Der Einsatz von teuren Bindemitteln und Gewürzen lasse sich reduzieren - genauso wie Energiekosten und Prozessdauer. Es gebe bereits reges Interesse an der Anlage. Schon in fünf Jahren, hofft man beim deutschen Anbieter, könnte sie Standard in der Branche sein.