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Turbo für die Wettermaschine

Klimaforschung. - Wirbelstürme wie der Katastrophen-Sturm Katrina schöpfen ihre Macht aus warmem Oberflächenwasser. Bislang streiten Forscher, welche Rolle dem Menschen dabei zukommt. Eine neue Studie sieht jetzt eine Mitschuld der Zivilisation als erwiesen.

Von Volker Mrasek |
    Die Regierung in Washington boykottiert zwar weiter unbeirrt das Kioto-Protokoll. Doch ausgerechnet in den USA laufen die Fäden der internationalen Klimaforschung zusammen. Noch dazu in einer Institution, die dem Energie-Ministerium unterstellt ist: im kalifornischen Lawrence-Livermore-Labor:

    "Auf der ganzen Welt gibt es Forschergruppen, die das Klima der Erde im Computer modellieren: in Deutschland, den USA, Australien, Russland und China. Sie alle schicken die Ergebnisse ihrer Rechnungen zu uns, und wir archivieren sie hier. Alles in allem sind das rund 10.000 Jahre Klimasimulation mit 22 verschiedenen Computermodellen."

    Ein reicher Fundus, den Ben Santer da in Livermore verwaltet. Der US-Atmosphärenforscher hat ihn jetzt genutzt, um eine heftig diskutierte Frage zu beantworten: Wenn steigende Meerestemperaturen im tropischen Nordatlantik dazu führen, dass Hurrikans stärker werden - ist dann der Mensch daran schuld? Sind es zunehmende Treibhausgase in der Erdatmosphäre, die den Ozean dort aufheizen, wo Hurrikans entstehen? Oder steckt dahinter irgendein natürlicher Mechanismus? Immerhin: Im Atlantik hat sich die Wiege der Wirbelstürme im 20. Jahrhundert um ein halbes Grad Celsius erwärmt. Im Pazifik, wo man von Taifunen spricht, dürften es 0,3 bis 0,4 Grad gewesen sein. Ben Santer glaubt, jetzt eine eindeutige Antwort gefunden zu haben - in den 22 Weltklima-Simulationen, die er mit Blick auf die tropische Sturmküche auswertete, zusammen mit 18 Fachkollegen:

    "Wir haben die so genannten Kontroll-Läufe der Klimamodelle analysiert. In diesen Simulationen bleibt die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre unverändert. Man könnte also sagen, die Kontroll-Läufe zeigen die Erde "naturbelassen", ohne Eingriffe des Menschen. Ohne die Verbrennung fossiler Energieträger. Und keines der 22 Modelle zeigt in diesen Kontroll-Läufen auch nur ansatzweise eine Erwärmung des Meeres, wie sie im 20. Jahrhundert auftrat."

    Rund zwei Drittel der Erwärmung seien hausgemacht und vornehmlich auf gestiegene Treibhausgas-Konzentrationen zurückzuführen, sagen die Forscher. Ein interessanter Befund, wenn man bedenkt, dass sich Experten der US-Wetterbehörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) in der Vergangenheit ganz anders äußerten. Zum Beispiel Richard Pasch, Meteorologe im Nationalen Hurrikan-Zentrum der USA in Florida:

    "Ich weiß, es ist viel vom Klimawandel die Rede. Aber es gab und gibt auch natürliche Schwankungen im Klimasystem. Im Atlantik laufen sie auf Zeitskalen von Dekaden ab. Für zwei, drei Jahrzehnte ist das Oberflächenwasser des Atlantik zunächst wärmer als sonst und dann eine Zeitlang kühler, bis der Zyklus von Neuem losgeht."

    Ben Santer hat sogar noch ganz andere Stellungnahmen der US-Wetterbehörde NOAA in Erinnerung, vor allem eine aus dem Dezember 2005, wie er sagt:

    "Die NOAA verkündete damals öffentlich, hinter den erhöhten Meerestemperaturen in der atlantischen Hurrikan-Küche steckten allein natürliche Ursachen. Menschliche Aktivitäten hätten damit nichts zu tun. Wir dachten nur: Das ist wissenschaftlich nicht haltbar und völlig falsch!"

    Santer und seinen Kollegen ging es mit ihrer Studie auch darum, dieses Bild gerade zu rücken. Sicher ist es nicht nur die Meerestemperatur, die bestimmt, wie stark ein Hurrikan wird. Auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle, etwa die Wind-Verhältnisse am Tag X. Aber eines könne man nun mit Gewissheit sagen, meint Santer: Wenn die Erwärmung des Klimas und der Ozeane weiter fortschreite, steige auch das Risiko für stärkere Wirbelstürme.