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Turbogang fürs Internet

Die Internetverbindung via DSL könnte mithilfe einer neuen Technologie namens Vectoring einen ordentlichen Schub verpasst bekommen. Doch statt die Netze schnell damit auszustatten, ist erst einmal ein bitterer Streit um Vectoring entbrannt. Es geht um Remonopolisierung und Enteignung von Infrastruktur.

Von Jan Rähm | 24.11.2012
    Wer in Sachen Telekommunikation 20, 30 oder gar 50 Jahre zurück denkt, der wird sich vielleicht noch ein Phänomen der analogen Telefonie erinnern. Waren die Leitungen nicht korrekt verlegt, konnte man unter Umständen das Telefonat des Nachbarn im eigenen Gerät mithören. Das Übersprechen tritt auch heute auf, erklärt Thomas Schröder vom Netzausrüster Alcatel-Lucent.

    "Das heißt, wenn mehrere Signale in einem Aderbündel zusammen nebenher laufen, haben wir das Übersprechen, das heißt, eine Leitung stört die andere. Und dadurch, dass diese Störungen auftreten, verlieren wir über die Distanz Bandbreite. Und genau an diesem Punkt greift jetzt Vectoring an. Vectoring erzeugt ein Kompensationssignal, das gerade dieses Übersprechen auslöscht, das heißt, wir können auf jeder Leitung so übertragen, als wäre es absoluter Idealzustand."

    Der Vorteil des Vectorings: Die Netzbetreiber müssen an der eigentlichen Leitung, an den in der Erde liegenden Kabeln nichts verändern. Die Lösung ist Software-basiert.

    "Und zwar messen wir die Störgeräusche auf den einzelnen Doppeladern und erzeugen dann für jede Ader individuell ein phaseninverses Signal, dass dann genau die Umgebungsgeräusche auslöscht. Und damit kriegen sie halt ein ganz klares Signal Punkt zu Punkt."

    Wenn es auf diese Art klar geworden ist in der Leitung, können die Daten nur so flitzen. Die Übertragungsbandbreite steigt deutlich an.

    "Also als Faustformel kann man sagen, wenn Sie es auf einer bestehenden VDSL-Leitung tun, verdoppeln sie die Leistungsfähigkeit, so wie die VDSL-Leitung gerade ist. Das wirkt bis ungefähr 1200 Meter vom DSLAM weg. Da erreichen sie noch knapp 20 MBit/s. 100 MBit/s erreichen sie so bis ungefähr bis 400 Meter Distanz. "

    Allerdings hat der Trick beim Vectoring einen Haken:

    "Also der Trick beim Vectoring besteht darin, dass Sie alle Adern eines Bündels gleichzeitig messen und gleichzeitig beeinflussen müssen. Das heißt, Sie müssen ein und das selbe Gerät hernehmen, das gesamthaft, das komplette Aderbündel entsprechend mit Vectoring versieht. Insofern ist es geraten, dass Sie das von einem Betreiber aus tun und ebenfalls, wenn sie das an einem Punkt mit VDSL abfahren möchten, auch nur von einem Betreiber aus tun."

    Genau daran entzündet sich nun ein Streit. Die Telekom, die in der Regel die letzte Meile Kupferkabel zum Kunden und die meisten Verteilerkästen stellt, will das Vectoring für sich alleine nutzen – behauptet zumindest die Konkurrenz. Ralf Kleint, Präsident des Bundesverbands Breitbandkommunikation, Breko:

    "Das wäre ein Rückfall in die Monopol-Zeit und es würde quasi zu einer Entwertung unserer Infrastruktur führen, weil die wäre unbrauchbar. Wir könnten dann, wenn die Telekom alleine Vectoring macht, diese Infrastruktur, die wir in den letzten Jahren gebaut haben, gar nicht mehr nutzen."

    Die Telekom selbst sieht das ganz anders, wie Telekom-Sprecher Philipp Blank klar macht.

    "Also, ich glaube wir brauchen da ganz dringend eine Versachlichung der Diskussion. Selbstverständlich werden die Wettbewerber Zugriff auf unser Netz haben, wir wollen, dass die Wettbewerber auf unserem Netz ebenfalls ihren Kunden Angebote machen können, das ist ganz klar, daran haben wir auch ein Interesse, um unsere Netze besser auszulasten."

    Die Bundesnetzagentur bleibt derzeit zurückhaltend und will durch Mediation eine Lösung finden, sagt Bundesnetzagentur-Vizepräsidentin Iris Henseler-Unger.

    "Also zunächst mal ist die Frage: Ist es wirklich so? Gibt es nicht Modelle, wo man vielleicht ein bisschen an Effizienz einbüsst und dafür eben die Wettbewerblichkeit erhöhen kann? Das werden wir auch prüfen. Das andere ist natürlich, man kann einen Wettbewerb um KVZ also Kabelverzweiger initiieren. Das heißt, wer zuerst da ist, der hat den KVZ und muss anderen ein Vorleistungsprodukt anbieten im Wege des Open Access. Das wäre zum Beispiel auch ein sehr wettbewerbliches Modell, was auch Investitionen in die Fläche treiben würde."

    Woran sich der Streit nun ganz explizit entzündet und warum ein Anbieter Vectoring für sich alleine beansprucht, ist manchem Beobachter nicht ganz klar. Denn in der Realität sind es nur wenige Kabelverzweiger, bei denen die Marktteilnehmer aneinandergeraten, sagt der Breko.

    "Wir haben die wunderbare Situation, dass wir uns mit der Telekom an der Stelle so gut wie nicht überschneiden. Das heißt, da wo die Telekom KVZ erschlossen hat, sind wir nicht und da, wo wir ausgebaut haben, ist die Telekom nicht. Diese Überschneidungsrate liegt bei weit unter einem Prozent. Das heißt, wir haben optimale Bedingungen um da jetzt aufzusetzen und zu sagen, wir machen Vectoring, wir stellen das den Kunden zur Verfügung, aber eben nicht die Telekom im Alleingang, nicht als Monopol und nicht mit einer Quasi-Enteignung unserer Infrastruktur."

    Eine Lösung des Streits wird erst für das kommende Jahr erwartet. Bis dahin müssen sich banbreitenhungrige VDSL-Kunden noch gedulden. Denn ohne eine klare Regelung wird keiner der Betreiber beginnen, den Turbo für das Datennetz auszurollen.