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TV-Duell
"Stärker zupacken als bislang"

Das TV-Duell der Kanzlerkandidaten in seiner heutigen Form hält Nikolaus Brender für eine "Missgeburt". Eine spannende Auseinandersetzung sei aber dennoch möglich, sagte der ehemalige ZDF-Chefredakteur im Dlf. Gefragt seien hierbei vor allem die Moderatoren.

Nikolaus Brender im Gespräch mit Brigitte Baetz | 28.08.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück 2013 beim TV-Duell.
    Kanzlerin gegen Herausforderer: Angela Merkel und Peer Steinbrück beim TV-Duell 2013. (picture alliance / dpa / Friso Gentsch)
    Brigitte Baetz: Nikolaus Brender war zehn Jahr lang Chefredakteur des ZDF und hat die vorherigen Kandidatenduelle hautnah mitbekommen. Ihn fragte ich vor dieser Sendung, ob er überrascht war, als die Bedingungen für das TV-Treffen bekannt wurden.
    Nikolaus Brender: Nein, ich war nicht überrascht, weil es nicht das erste Mal ist, dass ein solches Duell unter diesen Bedingungen stattfindet. Das erste Duell überhaupt fand 2002 statt zwischen Kanzler Schröder und dem Herausforderer Stoiber. Da gab es aber zwei Duelle: einmal im öffentlich-rechtlichen und einmal im privaten Fernsehen. Und seit die Bundeskanzlerin Merkel heißt, wurde es auf ein Duell reduziert. Sie war nicht bereit, ein zweites Duell einzugehen. Und nach dieser Entscheidung kamen dann alle vier Moderatoren der öffentlich-rechtlichen und der privaten Sender zum Zuge, und damit begann die Missgeburt eines solchen TV-Formats.
    Baetz: Warum lassen sich die Sender, mal ganz naiv gefragt, darauf ein?
    Brender: Das fragt man sich auch. Ich war damals Chefredakteur. Ich habe mich damals auch darauf eingelassen. Die Grundsatzfrage ist: Gibt es eins oder keins. Da sich die Bundeskanzlerin aber jeder direkten Auseinandersetzung im Wahlkampf entzieht, das heißt, in keinem anderen Format auch mit anderen Politikern diskutiert, haben die Chefredakteure – dazu zählte auch ich mich oder musste ich auch mich dazuzählen – zu entscheiden: Wollen wir eigentlich eine solche Auseinandersetzung einmal im Wahlkampf haben oder wollen wir sie nicht? Die Kanzlerin hat immer damit gedroht, es platzen zu lassen. Zwei würde sie sowieso nicht machen, und wenn man drauf bestünde, dann überhaupt keines. Und sie bestand auch darauf, dass die Regeln nach den Vorstellungen des Kanzleramtes durchgesetzt werden.
    Der frühere ZDF-Chefredakteur Nikolaus  Brender
    Nikolaus Brender: Von 2000 bis 2010 Chefredakteur des ZDF. (dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen )
    Baetz: Aber noch mal gefragt: Brauchen die Sender ein solches Duell beziehungsweise ist ein solches Duell wirklich so aussagekräftig, dass man es unbedingt auf die Sender bringen muss?
    Brender: Na ja, ich meine, es ist Wahlkampf, und im Wahlkampf werden politische Positionen abgeglichen, aber auch die Charaktere der Konkurrenten, und wenn sich ein Part entzieht, dann fragt man sich natürlich doch: Schlucke ich die Kröte und bringe ein solches Format noch in den Sender? Das kann man anzweifeln, aber ich würde leider auch mit geballter Faust in der Tasche dem zustimmen. Aber ich würde es immer kenntlich machen, unter welchen Bedingungen ein solches Format in die Sender kommt, und dies sind keine Bedingungen einer demokratischen Freiheit, sondern das sind die Bedingungen, das sind die nötigenden Bedingungen des Drucks aus dem Kanzleramt.
    Vom Regierungssprecher zum Intendanten: "Nicht meine Vorstellung"
    Baetz: Nun tritt ja Merkel da für sich selbst auf und nicht für die Regierung, die Verhandlungen wurden aber vom Regierungssprecher geführt, von Steffen Seibert, der gleichzeitig ehemaliger ZDF-Mitarbeiter ist und möglicherweise – er hat ja ein Rückkehrrecht – auch zukünftiger ZDF-Mitarbeiter. Wie beurteilen Sie das?
    Brender: Ich weiß, dass die SPD-Seite kritisiert hat, dass der Regierungssprecher an den Verhandlungen beteiligt ist. Das war aber umgekehrt auch so. Béla Anda, der Regierungssprecher von Schröder, hatte auch die Verhandlungen geführt. Das ist staatstheoretisch nicht hasenrein, das stimmt, das kann man eigentlich nicht hinnehmen. Aber wenn der sozusagen unter der Kontrolle aller Sender steckt, kann er nicht sehr viel anrichten, was nicht auch ein Nicht-Regierungsmitglied anrichten könnte. Das Problematische bei Herrn Seibert ist, dass er in der Tat vorher Mitarbeiter des ZDF war. Ob er ins ZDF zurückkehrt, dazu kann ich nichts sagen. Ich kann mir das eigentlich kaum vorstellen, dass er das selbst auch will.
    Baetz: Aber ist das denn richtig, dass er überhaupt ein Rückkehrrecht hat?
    Brender: Da bin ich nicht der Richtige, den Sie da fragen. Das weiß ich nicht.
    Baetz: Okay.
    Brender: Ich würde immer sagen, als Regierungssprecher übernimmt man anschließend kein Amt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Es gibt ja schon ein Vorbild: der Vorgänger von Herrn Seibert, Herr Wilhelm, langjähriger Regierungssprecher von Frau Merkel, ist heute Intendant des Bayerischen Rundfunks. Das entspricht nicht meinen Vorstellungen von Unabhängigkeit des Journalismus oder auch Unabhängigkeit einer Institution, aber so ist es nun mal.
    Schulz: "Möglicherweise nicht so exakt an die Regeln halten"
    Baetz: Martin Schulz hat sich jetzt noch mal beschwert. Er ist nicht zufrieden mit den Umständen des TV-Duells. Ist es nicht ein bisschen spät, sich erst jetzt zu beschweren?
    Brender: Na ja, für ihn bestand ja auch die Möglichkeit zu sagen, ich möchte zwei oder ich mache keines, ich unterwerfe mich den Bedingungen oder nicht. Das kommt in der Tat ein bisschen spät. Abgesehen davon: Meine Theorie ist ja die, dass man sagt, Verträge unter Druck sind sittenwidrige Verträge, und solche Verträge können eigentlich auch außer Kraft gesetzt werden. Es liegt auch an ihm, in diesem TV-Duell sich entsprechend zu verhalten und möglicherweise auch sich nicht so exakt an die Regeln zu halten und dieses Duell zu einer spannenden Auseinandersetzung zu machen. Das liegt auch an ihm, an den Moderatoren natürlich auch. Auch wenn die sich an die Regeln halten, und wir haben hier gestandene Journalisten in der Runde, glaube ich schon, dass aufgrund jetzt des Vorfelds – der Diskussion und der Diskussion, die in der Öffentlichkeit entstanden ist – die Journalisten durchaus auch etwas stärker zupacken als bislang.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.