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TV-Format für die Klischees der Städter

Das Bild, das die RTL-Serie "Bauer sucht Frau" von Landwirten vermittelt, passt der Landjugend Ellwangen gar nicht. Jungbauern verbringen heute einen Großteil ihrer Arbeit nicht mit der Mistgabel in der Hand, sondern am Computer, betonen die Mitglieder. Der tapsige Bauer im Trachtenhemd sei ein Klischee.

Von Thomas Wagner | 28.01.2012
    Auszug aus "Bauer sucht Frau":

    "Der singende Schäfer Heinrich suchte bislang leider vergebens nach der Frau fürs Leben. Aber der Bauer findet viel Freude in der Musik: Wenn ich auch ein Schäfer bin, hab' ich denn auch frohen Sinn."

    Es die Geschichte von Heinrich, dem Schäfer aus dem Sauerland: Der 45-Jährige, heißt es, sei einsam. Seine Mutter ist seit kurzem im Pflegeheim, nun hat er nur noch seine Tante - und seine 260 Schafe. Deshalb muss jetzt eine Frau muss her, sagt Heinrich, der häufig in Trachtenjacke und Seppelhut zwischen Schafen, Misthaufen und Kaffeetisch hin- und her wandelt - ein Beispiel von vielen aus dem RTL-Format "Bauer sucht Frau."

    Wenn Katja Abele vom Landjugendverband Ellwangen so etwas sieht, ist sie ziemlich sauer:

    "Also man ist ja schon enttäuscht, dass unsere Berufsgruppe falsch präsentiert wird dadurch. Da kommen ja nur so Kleinstbetriebe, die den Misthaufen vor der Haustür haben. Und nur so Trampel werden da dargestellt. Das hat überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun."

    Kein Wort darüber, wie der Arbeitsalltag von Junglandwirten wirklich aussieht, so der Vorwurf des Landjugendverbandes Ellwangen: Kein Wort davon, dass Jungbauern einen Großteil ihrer Arbeit nicht mit der Mistgabel in der Hand, sondern am Computer verbringen, dass es ohne Manager-Qualitäten in der modernen Landwirtschaft längst nicht mehr gehe. Aber:

    "Das ist der Irrtum, mit dem viele Menschen Medien verfolgen. Die Aufgabe dieses Formats ist es nicht, bäuerliches Leben eins zu eins abzubilden. Die Aufgabe dieses Formates ist es, Zuschauerquoten zu erzielen."

    So der Medienwissenschaftler Professor Markus Romberg von der Zeppelin-University Friedrichshafen. Und in diesem Falle werden hohe Quoten durch die Bedienung von Klischees erzielt - und das funktioniert gerade in Deutschland besonders gut - aufgrund der hierzulande zu beobachteten ...

    "… großen Urbanisierungstendenzen. Ein Großteil der Menschen wohnt in Großstädten in Deutschland. Ein Großteil dieser Menschen hat wahrscheinlich noch nie einen Bauern gesehen. Deshalb fällt es einem medialen Produzenten sehr einfach, mit diesen Klischees zu spielen."

    Klischees, die die meisten Städter ohnehin bereits im Kopf haben: Eine Sendung, die diese Vorurteile bedient, fährt hohe Quoten ein - und dann ist eben der tapsige Landwirt im Trachtenhemd, zumeist des Hochdeutschen kaum mächtig, eher gefragt, als der gut ausgebildete Agrarökonom am Computer, der ebenso in einem Büro in der Stadt sitzen könnte.

    "Medien sind eben nicht auf der Suche nach diesem Bauern, sondern nach dem Außergewöhnlichen. Und das ist halt dann der Bauer mit dem Tick. Das ist dieser Bauer, der verklemmt ist und auf der Suche nach der Frau aus der Großstadt ist."

    Viele Junglandwirte mögen sich damit aber nicht abfinden. Ihre Argument: Eine sich auf eingefahrene Klischees beschränkende, wirklichkeitsfremde Darstellung ihres Berufsstandes falle nahezu alltäglich auf sie selbst zurück. Carola Magg vom Landjugendverband Ellwangen:

    "Ich denke, es gibt viele aus der Stadt, die das einfach nicht kennen. Und dann hört man: Ihr Bauern, ihr Bauerntrampel oder wie auch immer. "

    Katja Abele spricht gar von wirtschaftlichen Nachteilen, die das klischeehafte Bild von der Landwirtschaft bei "Bauer sucht Frau" nach sich ziehe:

    "Ich denke mal, dass die Bevölkerung auch die Lebensmittel nicht so schätzt. Wenn sie sehen: Das ist ein toller Betrieb, dann schätzen die die Lebensmittel mehr. Aber wenn die halt ein Tier sehen, im hohen Mist stehend, dann finden die das auch nicht toll. Und so ist es ja auch in den Betrieben nicht. Wenn man wirklich tolle Betriebe zeigt , wie's wirklich geht, dann wär‘ die Wertschätzung dann auch höher."

    Diesen Gefallen wird RTL der Landjugend aber nicht tun. In einer kurzen Stellungnahme schreibt der Kölner Privatsender unmissverständlich:

    "Es handelt sich bei 'Bauer und Frau‘ nicht um eine Dokumentation über Bauern, Bauernhöfe und die real existierende Welt des Landwirtschaftslebens, sondern um eine schöne, augenzwinkernde Lebenswelt. Die Sendung zeigt Geschichten und Schicksale, ist im besten Sinne eine Romantic Comedy, die traditionelle Vorstellungen vom Landleben mit vielen Sehnsüchten verbindet."

    Auszug aus "Bauer sucht Frau":

    "Im letzten Jahr führte der fromme Milchbauer Josef seine Narumol für den Traualtar."

    Und so werden die Jungbauern im Dienste von RTL auch weiterhin Bräute suchen und dieselben gelegentlich zum Traualtar führen. Damit nähert sich die Serie schon eher der Wirklichkeit an. Im Vorstand der Landjugend Ellwangen nämlich sind, so Katja Abele,

    "..alle verheiratet. Ich denke mal, der Prozentsatz ist genauso wie in allen anderen Berufsgruppen auch mit den Unverheirateten."