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TV-News in den USA
Niedergang der Abendnachrichten

Brian Williams, einer der beliebtesten Moderatoren von Abendnachrichten in den USA, ist für sechs Monate suspendiert, weil er Erlebnisse während der Kriegsberichterstattung dramatisiert haben soll. Schlecht für die Glaubwürdigkeit der Nachrichten - die aber sowieso immer weniger Menschen sehen wollen.

Von Kerstin Zilm | 21.02.2015
    Jeden Abend um punkt 18:30 Uhr im US-Fernsehen: Die Abendnachrichten der drei großen TV-Netzwerke ABC, CBS und NBC beginnen. Es ist ein Ritual wie in Deutschland die Tagesschau nur mit mehr Werbung und deshalb eine halbe Stunde lang. Mehr als 22 Millionen Zuschauer schalten jeden Abend die traditionellen Nachrichtensendungen ein. Ihre Kabelkonkurrenz bringt es kombiniert auf gerade drei Millionen.
    Altersdurchschnitt ist 53 Jahre
    Die Werbung verrät: Das Publikum ist nicht die Zukunft der Medienkonsumenten. Pillen gegen Blasenschwäche, Arthritis, Hitzewallungen und Erektionsprobleme. Und jede Menge Nebenwirkungen. Der Altersdurchschnitt der Zuschauer ist 53 Jahre und die Einschaltquoten sinken stetig. 1980 schalteten 23 Prozent der US-Bevölkerung ein. Heute sind es sieben Prozent.
    Als Walter Conkrite am 16. März 1981 zum letzten Mal die CBS-Abendnachrichten moderierte, wollten das 30 Millionen sehen. Heute kann ein Netzwerk froh sein, wenn neun Millionen die Zusammenfassung seiner Tagesereignisse verfolgt.
    Viele Gründe für den Zuschauerrückgang
    Gründe dafür gibt es zahlreiche: die Konkurrenz vom Kabelfernsehen zum Beispiel und veränderte Sehgewohnheiten von Zuschauern die Informationen mobil abrufen, wann, wo und wie sie wollen. Sie trauen manchen Bloggern mehr als Nachrichtenmoderatoren. Brian Williams Lügen beim Erzählen von Anekdoten aus der Kriegsberichterstattung haben den Trend bestätigt. Kollegen stürzten sich auf den in Ungnade gefallenen Starmoderator mit Millionengehalt. Ihre Scheinheiligkeit entlarvte nur einer: Jon Stewart.
    "Endlich wird jemand dafür die Verantwortung gezogen, dass er das amerikanische Volk über den Irak-Krieg in die Irre geführt hat."
    Der Kult-Moderator der satirischen Nachrichtensendung "Daily News" gab am selben Tag, an dem Williams eine sechs Monate lange Zwangspause verordnet bekam, bekannt, dass er seinen Job bald aufgeben wird. Ein herber Schlag für Kabelsender Comedy Central, der die erfolgreiche Sendung ausstrahlt. Ein herber Schlag aber auch für Fans, die sich daran gewöhnt haben, dass Stewarts gnadenloser Blick auf Politik, Medien und Kultur sie informiert und ihnen mit bissigen Kommentaren erklärt, was in den USA und der Welt vor sich geht. Medienforscherin Amy Mitchell vom PEW Forschungszentrum:
    "Unsere Forschung aus dem vergangenen Herbst zeigt, dass zwölf Prozent von Erwachsenen, die im Web aktiv sind, die Daily Show als Hauptquelle für Nachrichten über Politik und Regierung nutzen."
    Ihr Durchschnittsalter: 35 Jahre. Trotzdem kann man die Daily Show nicht als direkte Konkurrenz der Abendnachrichten sehen. Sie erreicht mit durchschnittlich 2,5 Millionen Zuschauern nur einen Bruchteil der Einschaltquoten von ABC, CBS und NBC und ihre zukünftige Relevanz wird stark davon abhängen, wer die Moderation übernimmt.
    Manche Jon-Stewart-Fans fordern von NBC, ihm den Platz von Brian Williams bei den NBC-Nightly News zu übergeben. Unvorstellbar, dass sich der scharfzüngige Komiker zwischen Werbung für Erektionstabletten und Zwei-Minuten-Weltnachrichten wohlfühlen könnte. Die TV-Netzwerke müssen sich eine andere Strategie zum Stop des unaufhaltsamen Niedergangs ihrer Abendnachrichten einfallen lassen.