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TV ohne Zuschauer

Wegen des Glücksspielstaatsvertrags darf die Show der Süddeutschen Klassenlotterie (SKL) nicht im deutschen Fernsehen gesendet werden. Und wenn dabei keiner zugucken darf, dann spielt man die Rateshow mit Günther Jauch eben nur für sich. Hauptsache, die Kameras laufen.

Von Klaus Deuse | 15.11.2008
    Das hat die Welt noch nicht gesehen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn: Was Günther Jauch vor laufenden Kameras veranstaltet, wird die Welt nicht sehen.

    "Hier spricht Günther Jauch, Guten Abend!"

    Auch wenn der umtriebige TV-Moderator in den Bavaria-Studios am Ende der Sendung irgendeinem kreuzglücklichen Menschen fünf Millionen Euro in die Hand drücken sollte, das kriegt kein Zuschauer daheim vor dem Fernsehgerät mit. Diese Sendung können nicht einmal die Abonnenten des privaten Bezahlfernsehens empfangen, obwohl die Kameras doch jedes schelmische Grinsen oder Stirnrunzeln des Moderators Jauch einfangen.
    "In den Gesichtern viele Zweifel, aber noch keine Verzweiflung."

    Falls die Besitzer von Fernsehgeräten glauben sollten, ihr Kabelanschluss wäre gebrochen oder ihre Satellitenschüssel hätte einen Sprung, dann sind sie schief gewickelt.

    "Die Antwort ist falsch!"

    Günther Jauch tut nämlich nur so, als sei er mit der 15. Ausgabe der "5-Millionen-SKL-Show" live auf Sendung. Denn: die SKL, die Süddeutsche Klassenlotterie, darf zwar vor Kameras veranstalten, was sie will, aber wegen des Glücksspielstaatsvertrages nicht im deutschen Fernsehen versenden. Ob jetzt die SKL zu viel Geld auf der hohen Kante hat, das einfach raus muss, oder in Zeiten der Finanzkrise ihrem Geld bloß böse ist, das spielt keine Rolle. Sie will es jedenfalls mit Hilfe von Günther Jauch und unheimlich schweren Fragen loswerden.

    "In welcher Pluralform gibt es kein weibliches Pendant. Die Deutschen, die Engländer, die Franzosen, die Polen."

    Und wenn dabei keiner zugucken darf, dann spielt man mit einem Rateteam, zu dem Helmut Karasek und Eisprinzessin Katarina Witt gehören, eben Fernsehen nur für sich. Bei dem Honorar, das die Akteure kassieren, juckt es sie wahrscheinlich nicht im geringsten, ob ihnen dabei jemand zuschaut oder nicht. Hauptsache, die Kameras laufen.

    Wenn das Fernsehen wie in diesem Fall sich selbst genügt, dann grübelt man tiefsinnig darüber nach, was die Quotenzählerei überhaupt noch soll. Wenn keiner mehr über etwas meckern kann, weil er nicht zu sehen bekommen hat, dann könnte sich nicht einmal mehr Marcel Reich-Ranicki aufregen. Fernsehen unter Ausschluss der Zuschauer, vielleicht ist das die Zukunft des Mediums, das von sich behauptet, die Realität abzubilden.

    Aber: Eine Sendung, die nur das Publikum im Studio zu sehen bekommt, die hat durchaus ihren Reiz. Wäre es nicht sogar ganz wunderbar, wenn andere Sender diesem Beispiel der Nichtausstrahlung eines real existierenden TV-Formats folgen würden? Also zum Beispiel Frauentausch, Deutschland sucht den Superstar oder eine Kuppelshow wie Bauer sucht Frau. Das wäre ein erster Schritt auf dem Weg zu mehr Qualität im TV. Oder, um es mit Medien-Profi Jauch zu formulieren:

    "Mal sehen, vielleicht war es die richtige Entscheidung."