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Typisch Mann - typisch Frau

Psychologie. - Männer und Frauen verhalten sich unterschiedlich, dieser Ansicht würden weder Anthropologen oder Psychologen noch der lokale Stammtisch widersprechen. Die Frage, wie sehr diese Verhaltensunterschiede durch die Evolution bedingt sind und wie sehr sie sich nur aus Gesellschaftsstrukturen ergeben, beschäftigt die Wissenschaft aber nach wie vor. Beim jährlichen Kongress der Gesellschaft "Menschliches Verhalten und Evolution", der gestern an der Rutgers-Universität in New Jersey zu Ende ging, führte der Vortrag der Psychologin Alice Eagly zu wütenden Protesten.

    Von Grit Kienzlen

    Wenn Männer sich auf der Autobahn in riskanten Überholmanövern messen oder sich nach einem Fußballspiel sinnlose Gefechte mit den Fans der anderen Mannschaft liefern, dann zeigen sie den evolutionspsychologischen Theorien zufolge ein Verhalten, dass ihnen in der Frühzeit einen Selektionsvorteil verschafft hätte:

    Es geht um Dominanz und darum, Frauen zu gewinnen, so würden zumindest Popularisierungen der evolutionären Psychologie männliches aggressives Verhalten begründen.

    Dem widerspricht Alice Eagly, Psychologin an der Northwestern Universität in Evanston/Illinois zwar nicht grundsätzlich. Dennoch sind für die Psychologin Rollenverteilungen entscheidend, die sich daraus ergeben, dass Männer und Frauen in unterschiedlichen Körpern leben, und die letztlich für die Unterschiede im Verhalten verantwortlich seien.

    Frauen sind nun eben mal die, die Kinder bekommen und sind in den meisten Gesellschaften wegen des Stillens an ihre Kinder gebunden. Deshalb übernehmen sie Tätigkeiten, die sich mit dieser Aktivität vereinbaren lassen. Denn das ist für die Gruppe überlebenswichtig. Andererseits werden Männer durch ihre Körpergröße und Überlegenheit an Kraft in andere Rollen und zu anderen Aufgaben gedrängt als Frauen. Dadurch entstehen soziale Erwartungen darüber, was Männer und Frauen tun sollten, und die sich natürlich wandeln.

    Alice Eagly stützt ihre Hypothese mit Daten aus Vergleichsstudien vieler unterschiedlicher Kulturen und Gesellschaften. Danach gibt es Tätigkeiten wie Kriegsführung, Jagd nach Großwild, Kochen und Waschen, die fast überall männlich oder weiblich dominiert sind. Weil das eine eben Kraft erfordert, das andere sich mit Kinderhüten vereinbaren lässt, argumentiert sie. Doch es gebe auch viele Aktivitäten wie Feuer machen, Pflanzen oder Sähen, Lederherstellung und Sammeln, die je nach Kultur mal von Frauen und mal von Männern übernommen werden.

    Schaut man darauf, wer für die Versorgung der Gruppe aufkommt, dann sieht man, dass die Geschlechter sich diese Aufgabe teilen. Es ist also nicht so, dass sich Frauen darauf verlassen, von Männern versorgt zu werden oder dass Männer dazu motiviert sind. Aber viele evolutionären Theorien setzen dies voraus, wenn sie betonen, dass Frauen Männer wegen ihrer Ressourcen auswählen und Männer deshalb nach Ressourcen streben. Tatsächlich hängt das Überleben der Kinder einigen Daten zufolge sogar mehr von weiblicher Sammeltätigkeit ab als vom Jagen der Männer.

    So habe es in der frühzeitlichen Gesellschaft ? ähnlich wie in heutigen sehr einfachen Gesellschaften - wahrscheinlich kaum Hierarchien gegeben, meint Eagly. Patriarchalische Strukturen fänden sich immer erst in komplizierteren Kulturen mit einem Heer, mit komplexeren Formen der Landwirtschaft und mit der Herstellung von Tauschgütern. Dadurch seien spezialisiertere Rollen entstanden, die die Frauen nicht übernehmen konnten, weil sie wegen der Kinder an das Haus gebunden blieben.

    Diese spezialisierten Rollen wurden also vor allem von Männern übernommen, die dafür auch den Lohn einstrichen, was eben passiert, wenn man Produkte tauschen oder verkaufen kann. Man gewinnt Wohlstand und Macht in der Gesellschaft. Wenn andere also sagen, Männer sind dominant, weil es in ihre Psychologie eingebaut ist, sage ich: Nein, sie gewinnen Macht wegen der Rollen, die sie in komplexen Gesellschaften übernehmen können, während sich Frauen in der Reproduktion engagieren.

    Bester Beweis dafür, dass sie Recht habe, sagt Alice Eagly, seien all jene Ärztinnen, Anwältinnen und Managerinnen, die heute jeden Tag vorführen, dass sie sich sehr wohl so verhalten können, wie es eigentlich den Männern zugeschrieben wird: Hart und Dominant.