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Über aktuelle Trends und Entwicklungen

Vor zwei Jahren hat die Hochschulleitung der Universität Göttingen ein weitreichendes Sparprogramm aufgelegt, das bundesweit Schlagzeilen machte. Die Kürzungen sollten auch die Sozialwissenschaften - vor allem die Politologie treffen. Die Betroffenen wehrten sich daraufhin wie ein kleines gallisches Dorf. Dank mächtiger Hilfe geht es ihnen heute sogar besser denn je.

Von Jan Starkebaum |
    Ursprünglich wollte die Göttinger Hochschulleitung die Zahl der Professuren in der Politikwissenschaft von vier auf zwei halbieren - zugunsten der Soziologie. Die Parteienforscher Franz Walter und der inzwischen emeritierte Professor Peter Lösche wehrten sich aber gegen die Sparpläne und machten damit Schlagzeilen.

    Angesichts des öffentlichen Drucks fielen die Kürzungen am Ende milder aus. Und die Kontroverse konnte in den universitären Gremien beruhigt werden. Das betont auch die Sprecherin der Stiftungsuniversität Marietta Fuhrmann-Koch

    " Diese Planungen sind in den Gremien diskutiert worden und in den Gremien hat es auch Beschlüsse gegeben. Diese Beschlüsse sehen so aus, dass die Politikwissenschaft in Göttingen ihren Bestand an Professuren behält. Und das heißt es gibt defacto überhaupt keine Abstriche bei dem wie die Politikwissenschaften in Göttingen aufgestellt sind."

    Unterschwellig gibt es allerdings immer noch Unmut. Denn eine nun freigewordene Politik-Professuren sollen an die Soziologie angelehnt werden. Viele halten das nicht für einen adäquaten Ersatz. Schließlich war der Schwerpunkt der Göttinger Politikwissenschaft immer die Parteien- und Regierungsforschung. So sieht das auch der Parteienforscher Professor Walter.

    " Es ist nicht gleich geblieben um Himmelswillen, es ist erheblich weniger geworden. Es ist vor allem in seiner Ausrichtung anders geworden. Das Profil, das Profil, was sonst immer als das wichtigste herausgestellt wird, ist eben dadurch erheblich abgeschwächt worden."

    Die Parteienforschung ist nicht nur Schwerpunkt der Göttinger Politologie insgesamt - es gibt dazu auch eine spezielle Arbeitsgruppe. Die AG Parteienforschung.

    Sie analysiert die aktuellen Trends und Geschehnisse bei Parteien und ihren Spitzenpolitikern. Viele überregionale Medien schätzen die praxisnahe Arbeit und obendrein die verständliche Sprache. So kommentiert Professor Walter regelmäßig die politische Lage für den Spiegel und Spiegel online.
    Auch bei der Landesregierung in Niedersachsen ist die Arbeit der Göttinger Politologen gefragt.

    " Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht mit dieser Arbeitsgemeinschaft Parteienforschung. Wir halten Sie für extrem wichtig. Wir greifen ja auch auf die Arbeit zurück von Professor Lösche damals, von Professor Walter."

    Die Eingriffe der Hochschulleitung sieht Ministerpräsident Christian Wulff dementsprechend kritisch.

    "Ich musste tatsächlich feststellen, dass sich nicht alle hier in der Universität der Publizität, der Bedeutung der Politikwissenschaften bewusst waren, dass man vor allem nicht richtig eingeschätzt zu haben scheint, dass hier sehr stark publiziert wird und dass das einen sehr hohen Stellenwert hat in der heutigen Zeit. "

    Anfang diesen Jahres war auch die nordrhein-westfälische Landesregierung auf den Parteienexperten Walter aufmerksam geworden. Mit einer Forschungsstelle sollte der Professor aus Göttingen weg gelockt werden. Das wollte die niedersächsische Landesregierung wiederum verhindern. Dabei hat wohl auch die Konkurrenz der beiden Landesfürsten eine Rolle gespielt. Was folgte, war ein hochschulpolitischer Handstreich zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

    " Es ging unmittelbar über die politische Spitze, dieses Angebot, also über den Ministerpräsidenten dort. Der Ministerpräsident von Niedersachsen hat das erfahren. Daraufhin haben sie sich entschieden eben mit diesen Förderungsmaßnahmen für die Göttinger Parteienforschung dann eben auch zu kommen. Und haben dann die Hochschulleitung hinein genommen in die Verhandlung. Die Hochschulleitung hat das akzeptiert aber das Geld kommt eben in der Tat vom Land."

    Am Ende der Verhandlungen hat die niedersächsische Staatskanzlei den regulären Etat für die Arbeitsgruppe verdoppelt. Der Hochschulleitung blieb trotz aller Autonomie nur die Zustimmung.

    Für die AG-Parteienforschung gilt jetzt jedenfalls das Motto: Wenn zwei sich streiten freut sich der Dritte.