"Der Terrorismus ist im Grund keine militärische Bedrohung, sondern eine politische, und hier liegt der Kardinalfehler so vieler Regierungen, die versuchen, das Problem in ihrer Überlegenheit mit Gewalt zu lösen."
Louise Richardson durchbricht mit ihrem Buch gleich mehrere Tabus. Da ist die mittlerweile fast natürlich scheinende Verbindung zwischen Terror und Islam, die die im irischen County Waterford geborene Autorin durch ihre eigenen Erinnerungen konterkariert.
"Mein ursprünglicher gesellschaftlicher Hintergrund hat zahlreiche Terroristen hervorgebracht, und ich habe den größten Teil meines Berufslebens mit dem Versuch verbracht, sie zu verstehen."
Fast en passant erkundet Richardson die definitorischen Grundlagen ihres Arbeitsfeldes, und in denen fällt die Dämonisierung der Terroristen zunächst einmal ganz einfach weg.
Mit großer Faszination folgt man ihrer Erinnerung, zu der das tägliche Gebet für die gefallenen Republikaner gehörte.
"Jeden Morgen versammelten sich meine Klassenkameraden und ich zum Gebet unter einer Statue des gekreuzigten Christus und unter einer großen, gerahmten Kopie der Unabhängigkeitserklärung. Der Text dieser Erklärung war von den Fotos der sieben Männer umgeben, die wegen ihrer Rolle beim Osteraufstand 1916 hingerichtet worden waren; damals hatte man erfolglos versucht, mit Waffengewalt eine Republik Irland zu schaffen. Ihre Bilder waren mir so vertraut wie meinen Kindern die der amerikanischen Gründerväter. Meine Klassenkameraden und ich bewunderten diese sieben Männer genauso, wie meine Kinder Benjamin Franklin, Thomas Jefferson, George Washington und Abraham Lincoln."
Später muss die Oberschülerin im britisch geführten Trinity College in Dublin feststellen, dass sich die irische Geschichte vielleicht doch anders abgespielt haben könnte, als in der simplen Familienversion.
"Dazukam, dass ich eines Tages entdecken musste, dass mein Onkel in der verhassten britischen Armee Soldat gewesen war. Das entsprach zwar dem, was mir die englischen Geschichtslehrer von Trinity erklärt hatten, deutete aber darauf hin, dass irische Geschichte viel komplizierter war, als die vereinfachte Version, die in meiner Familie galt."
Seit ihrer Zeit am Trinity College ließen sie der Terrorismus und seine Geschichtsbilder nicht mehr los. Louise Richardson begann sich mit dem auseinanderzusetzen, was Terroristen wollen. Und da ihr die irische Geschichte biographisch vertraut gewesen war, fiel ein Axiom weg, das ihre amerikanischen Kollegen auf eine sehr falsche Fährte geführt hat. Richardson wusste, dass die Terroristen der IRA keine Monster waren, sie sprach mit ihnen und fand so heraus, was sie bewegte.
"Die Finucane Familie, mit der ich in Nordirland sprach, wurde von ihren Rachegefühlen angetrieben. Als ihnen das Dach über dem Kopf angezündet worden war, reagierten die Mitglieder der Familie sehr unterschiedlich. Dermot folgte seinem großen Bruder John und Seamus, Jahre später ging er zur IRA, seine Schwester Rosie floh, verließ das Land, Pat, der älteste der Gebrüder wurde ein bekannter Rechtsanwalt. Protestantische Paramilitärs, die von den britischen Sicherheitskräften unterstützt worden sind, haben ihn ermordet. Auf diese Traumata zu reagieren, das ist ein Teil der Geschichte, die in den Terrorismus führt. Rache für erlittenes Leid zu üben, stellt also einen Teil ihrer Motive; daneben geht es ihnen um Ruhm, um das soziale Ansehen der militanten Mitglieder einer anerkannten Truppe und um eine Reaktion, die sie durch ihre Aktionen zu provozieren suchen."
Insofern sieht Louise Richardson den Terrorismus als eine Form der Kommunikation, auf die die attackierten Staaten am besten mit demokratischen Mitteln reagieren sollten. Omnipotente Zielsetzungen wie die Proklamation eines Feldzuges gegen eine Achse des Bösen führten zu einer Allianz der Radikalen wie derzeit im Irak. Sie sieht als wesentliche Elemente der Eliminierung von terroristischer Aktivität: den Dialog zur Deeskalation, die Polizeiarbeit, die Analyse der Gesellschaft, für die die Terroristengruppe vorgibt sich einzusetzen, die Isolation der Militanten in ihrem sozialen Kontext und - vielleicht auch als allerwichtigstes - eine realistische Zielsetzung. Der Frage nach der Effizienz terroristischer Anschläge setzt sie sich dabei nicht aus. Ihr geht es um die Analyse der Gruppierung und um den pragmatischen Erfolg.
"69.000 Menschen sind durch die Aktionen des Leuchtenden Pfades und die Reaktionen des Militärs getötet worden. Was ich in meinem Buch beschreibe, ist, dass siebzig peruanische Polizisten die starre Hierarchie der Guerrilla und das Hautleiden ihres Führers Abimael Guzmán recherchieren konnten, so dass sie ihn gefangen nehmen und die Organisation zerschlagen konnten. - Das hatten Zehntausende von Soldaten nicht hingekriegt."
Richardson's Ansatz enthält trotz aller Dialoge keine Ratschläge zur "Bekehrung" der Terroristen; ihr geht es nicht darum, die Terroristen durch soziale Reformen zu demotivieren, sondern darum, sie von ihrer politischen Basis zu separieren. Den sie unterstützenden Kreisen müssten Alternativen für einen Ausweg aus ihrer Misere aufgezeigt werden, so dass den Terroristen die soziale Anerkennung verwehrt bleibe. Ruhm, Rache, Reaktion - diese Ziele einten Terroristen in aller Welt, von diesen Werten nährten sie sich, auf diesem Felde gelte es, sie zu schwächen. Premierminister Blair sei das gelungen, und auch sein Nachfolger betreibe eine Deeskalation. "Was Terroristen wollen" - Trotz seines reißerischen Titels bietet das Buch der Harvard- Wissenschaftlerin dem Laien wie dem engagierten Fachmann durch seine deduktive Logik, die klare Sprache und seine historischen Exempel einen von Emotionen unverstellten rationalen Blick in das verzahnte Räderwerk von kriminellen Banden, Terroristen und Machtpolitik, das unsere Schlagzeilen dominiert. Es wäre wünschenswert, wenn ihre Erkenntnisse in den hiesigen politischen Debatten Eingang fänden - auch wenn Louise Richardson sich nicht mit den heimlichen Zielen auseinandersetzt, die unter dem Deckmantel des Kreuzzuges gegen die terroristische Gewalt verfolgt werden.
Jochanan Shelliem über Louise Richardson: "Was Terroristen wollen. Die Ursachen der Gewalt und wie wir sie bekämpfen können". Auf Deutsch verlegt hat die 382 Seiten der Campus Verlag, das Buch kostet 22 Euro.
Louise Richardson durchbricht mit ihrem Buch gleich mehrere Tabus. Da ist die mittlerweile fast natürlich scheinende Verbindung zwischen Terror und Islam, die die im irischen County Waterford geborene Autorin durch ihre eigenen Erinnerungen konterkariert.
"Mein ursprünglicher gesellschaftlicher Hintergrund hat zahlreiche Terroristen hervorgebracht, und ich habe den größten Teil meines Berufslebens mit dem Versuch verbracht, sie zu verstehen."
Fast en passant erkundet Richardson die definitorischen Grundlagen ihres Arbeitsfeldes, und in denen fällt die Dämonisierung der Terroristen zunächst einmal ganz einfach weg.
Mit großer Faszination folgt man ihrer Erinnerung, zu der das tägliche Gebet für die gefallenen Republikaner gehörte.
"Jeden Morgen versammelten sich meine Klassenkameraden und ich zum Gebet unter einer Statue des gekreuzigten Christus und unter einer großen, gerahmten Kopie der Unabhängigkeitserklärung. Der Text dieser Erklärung war von den Fotos der sieben Männer umgeben, die wegen ihrer Rolle beim Osteraufstand 1916 hingerichtet worden waren; damals hatte man erfolglos versucht, mit Waffengewalt eine Republik Irland zu schaffen. Ihre Bilder waren mir so vertraut wie meinen Kindern die der amerikanischen Gründerväter. Meine Klassenkameraden und ich bewunderten diese sieben Männer genauso, wie meine Kinder Benjamin Franklin, Thomas Jefferson, George Washington und Abraham Lincoln."
Später muss die Oberschülerin im britisch geführten Trinity College in Dublin feststellen, dass sich die irische Geschichte vielleicht doch anders abgespielt haben könnte, als in der simplen Familienversion.
"Dazukam, dass ich eines Tages entdecken musste, dass mein Onkel in der verhassten britischen Armee Soldat gewesen war. Das entsprach zwar dem, was mir die englischen Geschichtslehrer von Trinity erklärt hatten, deutete aber darauf hin, dass irische Geschichte viel komplizierter war, als die vereinfachte Version, die in meiner Familie galt."
Seit ihrer Zeit am Trinity College ließen sie der Terrorismus und seine Geschichtsbilder nicht mehr los. Louise Richardson begann sich mit dem auseinanderzusetzen, was Terroristen wollen. Und da ihr die irische Geschichte biographisch vertraut gewesen war, fiel ein Axiom weg, das ihre amerikanischen Kollegen auf eine sehr falsche Fährte geführt hat. Richardson wusste, dass die Terroristen der IRA keine Monster waren, sie sprach mit ihnen und fand so heraus, was sie bewegte.
"Die Finucane Familie, mit der ich in Nordirland sprach, wurde von ihren Rachegefühlen angetrieben. Als ihnen das Dach über dem Kopf angezündet worden war, reagierten die Mitglieder der Familie sehr unterschiedlich. Dermot folgte seinem großen Bruder John und Seamus, Jahre später ging er zur IRA, seine Schwester Rosie floh, verließ das Land, Pat, der älteste der Gebrüder wurde ein bekannter Rechtsanwalt. Protestantische Paramilitärs, die von den britischen Sicherheitskräften unterstützt worden sind, haben ihn ermordet. Auf diese Traumata zu reagieren, das ist ein Teil der Geschichte, die in den Terrorismus führt. Rache für erlittenes Leid zu üben, stellt also einen Teil ihrer Motive; daneben geht es ihnen um Ruhm, um das soziale Ansehen der militanten Mitglieder einer anerkannten Truppe und um eine Reaktion, die sie durch ihre Aktionen zu provozieren suchen."
Insofern sieht Louise Richardson den Terrorismus als eine Form der Kommunikation, auf die die attackierten Staaten am besten mit demokratischen Mitteln reagieren sollten. Omnipotente Zielsetzungen wie die Proklamation eines Feldzuges gegen eine Achse des Bösen führten zu einer Allianz der Radikalen wie derzeit im Irak. Sie sieht als wesentliche Elemente der Eliminierung von terroristischer Aktivität: den Dialog zur Deeskalation, die Polizeiarbeit, die Analyse der Gesellschaft, für die die Terroristengruppe vorgibt sich einzusetzen, die Isolation der Militanten in ihrem sozialen Kontext und - vielleicht auch als allerwichtigstes - eine realistische Zielsetzung. Der Frage nach der Effizienz terroristischer Anschläge setzt sie sich dabei nicht aus. Ihr geht es um die Analyse der Gruppierung und um den pragmatischen Erfolg.
"69.000 Menschen sind durch die Aktionen des Leuchtenden Pfades und die Reaktionen des Militärs getötet worden. Was ich in meinem Buch beschreibe, ist, dass siebzig peruanische Polizisten die starre Hierarchie der Guerrilla und das Hautleiden ihres Führers Abimael Guzmán recherchieren konnten, so dass sie ihn gefangen nehmen und die Organisation zerschlagen konnten. - Das hatten Zehntausende von Soldaten nicht hingekriegt."
Richardson's Ansatz enthält trotz aller Dialoge keine Ratschläge zur "Bekehrung" der Terroristen; ihr geht es nicht darum, die Terroristen durch soziale Reformen zu demotivieren, sondern darum, sie von ihrer politischen Basis zu separieren. Den sie unterstützenden Kreisen müssten Alternativen für einen Ausweg aus ihrer Misere aufgezeigt werden, so dass den Terroristen die soziale Anerkennung verwehrt bleibe. Ruhm, Rache, Reaktion - diese Ziele einten Terroristen in aller Welt, von diesen Werten nährten sie sich, auf diesem Felde gelte es, sie zu schwächen. Premierminister Blair sei das gelungen, und auch sein Nachfolger betreibe eine Deeskalation. "Was Terroristen wollen" - Trotz seines reißerischen Titels bietet das Buch der Harvard- Wissenschaftlerin dem Laien wie dem engagierten Fachmann durch seine deduktive Logik, die klare Sprache und seine historischen Exempel einen von Emotionen unverstellten rationalen Blick in das verzahnte Räderwerk von kriminellen Banden, Terroristen und Machtpolitik, das unsere Schlagzeilen dominiert. Es wäre wünschenswert, wenn ihre Erkenntnisse in den hiesigen politischen Debatten Eingang fänden - auch wenn Louise Richardson sich nicht mit den heimlichen Zielen auseinandersetzt, die unter dem Deckmantel des Kreuzzuges gegen die terroristische Gewalt verfolgt werden.
Jochanan Shelliem über Louise Richardson: "Was Terroristen wollen. Die Ursachen der Gewalt und wie wir sie bekämpfen können". Auf Deutsch verlegt hat die 382 Seiten der Campus Verlag, das Buch kostet 22 Euro.