Alfred Lanfer ist in seinem Element, der Entwicklung PC-gesteuerter Maschinen. Begeistert schaut er einem seiner Mitarbeiter über die Schulter. Der sitzt vor einem Computerbildschirm und stellt seinem Chef das neue Programm für eine Kälberfütterungsanlage vor. Alfred Lanfer liebt seinen Beruf, trotz der Pleite vor drei Jahren.
Er ist gelernter Elektromechanikermeister und seit 23 Jahren in der Firma. Die gehörte bis zum Jahr 2000 seinem Vater, der das Lanfer Systemhaus 1979 gründete. Lanfer stellt einerseits Schalt- und Steuersysteme wie die Kälberfütterungsanlage her. Andererseits bietet das mittelständische Unternehmen seinen Kunden komplette IT-Lösungen an, von der Verkabelung bis hin zur Datensicherung.
Alfred Lanfer hat hier gelernt, seinen Meister gemacht und sich dann hochgearbeitet. Bis 2003. Da stand das Unternehmen vor dem Aus. Dass zuvor etwas schief lief, wollte er sich lange nicht eingestehen, zumal es nicht den einen fatalen Fehler gab, sondern mehrere einzelne Faktoren: Sein Vater hatte nicht für die Rente vorgesorgt, deswegen nahm er das Geld für seine Altersvorsorge aus dem Firmenkapital.
Und das zu einer Zeit, Ende der 90er Jahre, als der ganz große IT-Boom schon vorbei war. Obendrein hatten sich Vater und Sohn verschätzt. Für 1,6 Millionen D-Mark hatten sie eine Fertigungshalle für Kühlwagen gebaut, sie rechneten damit, bis zu 400 Fahrzeuge im Jahr zu konstruieren.
"Wir hatten einen Exklusivvertrag. Mein Vater hatte auf Geschäftsreisen entsprechende Versprechungen bekommen, dass 30, 40, 50 Aufträge bei uns eintrudeln sollten. Und wir hatten zwar einen Exklusivvertrag, aber da stand auch drin, dass unser Kunde auch woanders hingehen könnte, wenn die Produktionskapazitäten nicht ausreichen würden. Davor hatten wir sehr viel Angst. Und da hatten wir dann den zwanziger Auftrag, den dreißiger Auftrag, und dann haben wir die Halle gebaut. Und wenn man die leere Halle sieht, tut einem das sehr weh."
Beim Rundgang über das Firmengelände ist die Halle nicht zu übersehen, für Alfred Lanfer ist sie ein Mahnmal für die Fehler der Vergangenheit, denn gebaut wurden in der Halle letzendlich nicht einmal zehn Kühlwagen. Er konnte den Kredit nicht mehr bedienen, gleichzeitig schlug die Krise in der IT-Branche voll durch, die Aufträge blieben aus. Im Juli 2003 blieb dem damals 44-Jährigen nichts anderes übrig, als Insolvenz anzumelden.
"Es geht einfach alles den Bach runter. Im Prinzip hätte ich auch Hartz IV Empfänger werden können. Dann heißt es nur: Alles zusammenkratzen, alle Rahmenbedingungen zusammenziehen, machen, tun. Lebensversicherungen zu beleihen, um wieder auf die Beine zu kommen. Dann halt die Verträge genau durchlesen: Was hat man seinerzeit unterschrieben oder was hat der Vater unterschrieben. Dann heißt es nur: Gegenüber den Banken zu sagen: Was wollt ihr letztendlich? Was kann ich Euch bieten, wie kann ich wieder auf die Beine kommen, oder ihr könnt das Ding verscherbeln. Dann macht ihr auch Menschen kaputt."
Alfred Lanfer ließ sich nicht unterkriegen. Aufgeben kam nicht in Frage, auch wenn es eine harte Zeit war, schließlich hatte er mit seinem Privatvermögen gebürgt. Ohne die Hilfe seiner Frau und seiner Kinder hätte er das allerdings nicht gepackt, gibt er offen zu. Die haben zu ihm gehalten und gesagt, wir schaffen das schon irgendwie.
"Nachdem ich morgens zum Insolvenzberater gegangen bin, habe ich mittags eine Betriebsversammlung einberufen, und den Mitarbeitern ganz klar gesagt, dass ich beim Insolvenzberater war und dass es irgendwie weiter gehen würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir gar nichts mehr machen würden. Dann haben wir uns hingesetzt und eine Pressemitteilung verfasst und dann haben wir die wichtigsten Kunden angerufen, und am Nachmittag habe ich sogar einen Auftrag noch bekommen."
Es blieb nicht der einzige. Alle Kunden hielten Lanfer die Treue - ebenso wie seine Mitarbeiter. Diese ließen sich darauf ein, dass sich die Höhe ihres Gehalts fortan am Gewinn des Unternehmens orientierte. Und sie glaubten ihrem Chef, dass sie es gemeinsam schon schaffen würden, berichtet Christoph Schwering, der seit neun Jahren für Lanfer arbeitet:
"Die Firma setzt sich für die Mitarbeiter ein. Da kann man als Mitarbeiter auch mal sagen, die Firma hatte gute Perspektiven, warum sollte man nicht dabei bleiben und mithelfen?"
Die Treue lohnte sich. Fast alle Mitarbeiter wurden übernommen. Alfred Lanfer stellte einen neuen Steuerberater ein und suchte sich drei Mit-Gesellschafter, um das Risiko fortan auf mehreren Schultern zu verteilen. Jeder von ihnen bekam ein genau abgegrenztes Tätigkeitsfeld. Zu allererst einigten sie sich darauf, das Stammkapital deutlich aufzustocken. Es liegt jetzt bei 250.000 Euro und macht somit 30 Prozent des gesamten Firmenkapitals aus. Außerdem beschlossen sie, künftig auf Immobilienbesitz zu verzichten, erklärt Andreas Brill, der die Pleite als Geschäftsführer miterlebt hatte. Heute ist er als einer der Gesellschafter fürs Marketing zuständig.
"Wir haben aus Sicherheitsgründen gesagt, wir wollen keine Gebäude kaufen, wir wollen nicht in Grund und Boden investieren. Wir wollen Liquidität für das operative Geschäft haben, um flexibel zu sein."
Heute, drei Jahre nach der Pleite, sind Andreas Brill und Alfred Lanfer sehr zufrieden. Die Firma mit ihren heute gut 60 Mitarbeitern ist über den Berg und macht wieder genauso viel Gewinn wie vor der Krise. Die Auftragslage ist sogar so gut, dass erst vor kurzem 16 neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Ein Bilderbuch-Neustart. Das Erfolgsrezept?
"Sich gute Berater suchen. Der eigene Steuerberater ist nicht unbedingt der gute Berater. Es offensiv angehen. Es macht manchmal mehr Sinn, die Insolvenz frühzeitig anzugehen, also das, was das Insolvenzrecht eigentlich beabsichtigt, einen Schnitt zu machen, wenn das Unternehmen von der Substanz her noch funktionieren kann."
Alfred Lanfer nickt. Seit der Pleite hat er sich angewöhnt, unliebsame Entscheidungen lieber gleich zu treffen. Die Vorschläge der Banken liest er dagegen dreimal durch, bevor er sie unterschreibt. Ansonsten sei er der alte Optimist geblieben, als den ihn alle kannten. Schließlich habe er immer gewusst, dass die Firmenidee gut sei, sonst hätte er die alte Firma nicht noch mal neu gegründet.
"Das sind nun mal gemachte Fehler, mehr oder weniger große. Ich bin Unternehmer und das kommt von 'Ich habe was unternommen'. Und nicht jede Unternehmung kann zum Erfolg führen, das muss ich mir eingestehen."
Er ist gelernter Elektromechanikermeister und seit 23 Jahren in der Firma. Die gehörte bis zum Jahr 2000 seinem Vater, der das Lanfer Systemhaus 1979 gründete. Lanfer stellt einerseits Schalt- und Steuersysteme wie die Kälberfütterungsanlage her. Andererseits bietet das mittelständische Unternehmen seinen Kunden komplette IT-Lösungen an, von der Verkabelung bis hin zur Datensicherung.
Alfred Lanfer hat hier gelernt, seinen Meister gemacht und sich dann hochgearbeitet. Bis 2003. Da stand das Unternehmen vor dem Aus. Dass zuvor etwas schief lief, wollte er sich lange nicht eingestehen, zumal es nicht den einen fatalen Fehler gab, sondern mehrere einzelne Faktoren: Sein Vater hatte nicht für die Rente vorgesorgt, deswegen nahm er das Geld für seine Altersvorsorge aus dem Firmenkapital.
Und das zu einer Zeit, Ende der 90er Jahre, als der ganz große IT-Boom schon vorbei war. Obendrein hatten sich Vater und Sohn verschätzt. Für 1,6 Millionen D-Mark hatten sie eine Fertigungshalle für Kühlwagen gebaut, sie rechneten damit, bis zu 400 Fahrzeuge im Jahr zu konstruieren.
"Wir hatten einen Exklusivvertrag. Mein Vater hatte auf Geschäftsreisen entsprechende Versprechungen bekommen, dass 30, 40, 50 Aufträge bei uns eintrudeln sollten. Und wir hatten zwar einen Exklusivvertrag, aber da stand auch drin, dass unser Kunde auch woanders hingehen könnte, wenn die Produktionskapazitäten nicht ausreichen würden. Davor hatten wir sehr viel Angst. Und da hatten wir dann den zwanziger Auftrag, den dreißiger Auftrag, und dann haben wir die Halle gebaut. Und wenn man die leere Halle sieht, tut einem das sehr weh."
Beim Rundgang über das Firmengelände ist die Halle nicht zu übersehen, für Alfred Lanfer ist sie ein Mahnmal für die Fehler der Vergangenheit, denn gebaut wurden in der Halle letzendlich nicht einmal zehn Kühlwagen. Er konnte den Kredit nicht mehr bedienen, gleichzeitig schlug die Krise in der IT-Branche voll durch, die Aufträge blieben aus. Im Juli 2003 blieb dem damals 44-Jährigen nichts anderes übrig, als Insolvenz anzumelden.
"Es geht einfach alles den Bach runter. Im Prinzip hätte ich auch Hartz IV Empfänger werden können. Dann heißt es nur: Alles zusammenkratzen, alle Rahmenbedingungen zusammenziehen, machen, tun. Lebensversicherungen zu beleihen, um wieder auf die Beine zu kommen. Dann halt die Verträge genau durchlesen: Was hat man seinerzeit unterschrieben oder was hat der Vater unterschrieben. Dann heißt es nur: Gegenüber den Banken zu sagen: Was wollt ihr letztendlich? Was kann ich Euch bieten, wie kann ich wieder auf die Beine kommen, oder ihr könnt das Ding verscherbeln. Dann macht ihr auch Menschen kaputt."
Alfred Lanfer ließ sich nicht unterkriegen. Aufgeben kam nicht in Frage, auch wenn es eine harte Zeit war, schließlich hatte er mit seinem Privatvermögen gebürgt. Ohne die Hilfe seiner Frau und seiner Kinder hätte er das allerdings nicht gepackt, gibt er offen zu. Die haben zu ihm gehalten und gesagt, wir schaffen das schon irgendwie.
"Nachdem ich morgens zum Insolvenzberater gegangen bin, habe ich mittags eine Betriebsversammlung einberufen, und den Mitarbeitern ganz klar gesagt, dass ich beim Insolvenzberater war und dass es irgendwie weiter gehen würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir gar nichts mehr machen würden. Dann haben wir uns hingesetzt und eine Pressemitteilung verfasst und dann haben wir die wichtigsten Kunden angerufen, und am Nachmittag habe ich sogar einen Auftrag noch bekommen."
Es blieb nicht der einzige. Alle Kunden hielten Lanfer die Treue - ebenso wie seine Mitarbeiter. Diese ließen sich darauf ein, dass sich die Höhe ihres Gehalts fortan am Gewinn des Unternehmens orientierte. Und sie glaubten ihrem Chef, dass sie es gemeinsam schon schaffen würden, berichtet Christoph Schwering, der seit neun Jahren für Lanfer arbeitet:
"Die Firma setzt sich für die Mitarbeiter ein. Da kann man als Mitarbeiter auch mal sagen, die Firma hatte gute Perspektiven, warum sollte man nicht dabei bleiben und mithelfen?"
Die Treue lohnte sich. Fast alle Mitarbeiter wurden übernommen. Alfred Lanfer stellte einen neuen Steuerberater ein und suchte sich drei Mit-Gesellschafter, um das Risiko fortan auf mehreren Schultern zu verteilen. Jeder von ihnen bekam ein genau abgegrenztes Tätigkeitsfeld. Zu allererst einigten sie sich darauf, das Stammkapital deutlich aufzustocken. Es liegt jetzt bei 250.000 Euro und macht somit 30 Prozent des gesamten Firmenkapitals aus. Außerdem beschlossen sie, künftig auf Immobilienbesitz zu verzichten, erklärt Andreas Brill, der die Pleite als Geschäftsführer miterlebt hatte. Heute ist er als einer der Gesellschafter fürs Marketing zuständig.
"Wir haben aus Sicherheitsgründen gesagt, wir wollen keine Gebäude kaufen, wir wollen nicht in Grund und Boden investieren. Wir wollen Liquidität für das operative Geschäft haben, um flexibel zu sein."
Heute, drei Jahre nach der Pleite, sind Andreas Brill und Alfred Lanfer sehr zufrieden. Die Firma mit ihren heute gut 60 Mitarbeitern ist über den Berg und macht wieder genauso viel Gewinn wie vor der Krise. Die Auftragslage ist sogar so gut, dass erst vor kurzem 16 neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Ein Bilderbuch-Neustart. Das Erfolgsrezept?
"Sich gute Berater suchen. Der eigene Steuerberater ist nicht unbedingt der gute Berater. Es offensiv angehen. Es macht manchmal mehr Sinn, die Insolvenz frühzeitig anzugehen, also das, was das Insolvenzrecht eigentlich beabsichtigt, einen Schnitt zu machen, wenn das Unternehmen von der Substanz her noch funktionieren kann."
Alfred Lanfer nickt. Seit der Pleite hat er sich angewöhnt, unliebsame Entscheidungen lieber gleich zu treffen. Die Vorschläge der Banken liest er dagegen dreimal durch, bevor er sie unterschreibt. Ansonsten sei er der alte Optimist geblieben, als den ihn alle kannten. Schließlich habe er immer gewusst, dass die Firmenidee gut sei, sonst hätte er die alte Firma nicht noch mal neu gegründet.
"Das sind nun mal gemachte Fehler, mehr oder weniger große. Ich bin Unternehmer und das kommt von 'Ich habe was unternommen'. Und nicht jede Unternehmung kann zum Erfolg führen, das muss ich mir eingestehen."