" Die Bombenanschläge vom 11.März waren weder der Anfang, noch das Ende der Terroristenaktionen. Es hat sich gezeigt, dass es in Europa und vor allen Dingen in Spanien radikale Islamisten in Massen gibt. Es werden doch ständig neue islamistische Zellen ausgehoben. Und das zeigt, dass sie uns weiterhin angreifen wollen. Hoffentlich irre ich mich, aber ich glaube, dass Attentate wie am 11. März in Madrid, Europa auch in Zukunft erschüttern werden. "
Terrorismusexperte José María Irujo von der spanischen Tageszeitung El País beschäftigt sich seit Jahren mit den Verbindungen des Terroristen-Netzwerkes El Kaida nach Spanien. Sein gerade veröffentlichtes Buch trägt den Titel "Die Invasion des Jihad in Spanien".
Genau ein Jahr ist es her, seit mehrere Bombenexplosionen in Madrider Vorortzügen 191 Menschen in den Tod rissen. Alles weist darauf hin, dass die so genannte "Gruppe marokkanischer Islamkämpfer" hinter den Anschlägen steht, dass sich ein terroristisches Geflecht von Nordafrika aus über Spanien ausgebreitet hat. El Kaida hatte die nordafrikanischen Terrorgruppen ideologisch infiltriert und durch sie nun auch in Europa ein gut funktionierendes Beziehungsnetz aufgebaut.
Für erfahrene islamistische Propagandisten war es ein relativ einfaches Unterfangen, Komplizen in der muslimischen Einwanderergemeinde zu finden. Die Mehrzahl der mutmaßlichen Terroristen sind Marokkaner. Voraussichtlich im Oktober soll in Madrid der Prozess gegen 74 Tatverdächtige anfangen, von denen bereits 30 in Untersuchungshaft sitzen.
Mustapha El M´Rabet ist Vorsitzender der größten Gewerkschaft marokkanischer Gastarbeiter. Er beschreibt die Reaktion der Spanier gegenüber den marokkanischen Einwanderern nach dem 11. März so:
" Es gab keine Kollektivrache. Aber es gab viele misstrauische Blicke, Kommentare, Beleidigungen, Drohungen, Entlassungen, gekündigte Mietverträge. Betritt ein Marokkaner mit einem Rucksack einen Bus oder die Metro, haben alle anderen Angst. "
Von den 800.000 in Spanien lebenden Muslimen repräsentieren jene aus den nordafrikanischen Maghreb-Ländern - allen voran Marokko - die große Mehrheit. Sie kamen in den achtziger, verstärkt in den neunziger Jahren und arbeiten vorrangig in der Landwirtschaft, in der Bauwirtschaft, im Gaststättengewerbe oder als Hausangestellte.
Wie war es möglich, dass sich unter ihnen eine - wohlbemerkt kleine - Gruppe von islamistischen Terroristen herausbilden konnte? Die meisten der Attentäter lebten oder arbeiteten im Madrider Viertel Lavapiés: Ein Wohngebiet der kleinen Leute, der Alternativszene und eben der Immigranten. Lateinamerikaner, Asiaten und Afrikaner machen hier fast 50 Prozent der Einwohner aus. - Terrorismusexperte José María Irujo über die Biographien der mutmaßlichen Attentäter:
" Die Terroristen vom 11. März waren Leute, die hier lebten; viele waren mit Spanierinnen verheiratet, arbeiteten als Gemüse- oder Kleiderhändler oder auf dem Bau. Einige waren Kleinkriminelle, handelten mit Drogen und Schmuggelware. Immigranten, die wie in einer großen Blase lebten, nicht wirklich integriert, voller Hass auf alles Spanische oder Westliche. Dann gab es aber auch einen Studenten, der in Wirtschaftswissenschaften promovierte, einen Übersetzer und auch einen Informatiker. Und über all jenen standen die Propagandisten, die Zusammenkünfte organisierten, bei denen Reden gehalten und Filme über den Jihad angesehen wurden. Und alle hatten immer das Bild des bereits inhaftierten Gründers der spanischen El Kaida, Abu Dahdah, vor Augen. "
Wahrscheinlich wird man kein einheitliches Muster finden können, nach dem man für islamistische Propaganda anfällig oder zum Attentäter wird. Aber Fehler und Versäumnisse der Politiker und der muslimischen Verbände, die so eine Entwicklung befördert haben könnten, lassen sich viele ausmachen. Islamwissenschaftler Bernabé Lopez:
" Während der vergangenen Jahre gab es absolut keinen Dialog zwischen dem Staat und den Muslimen. Obwohl es Kooperationsverträge mit der Islamischen Kommission gab, wurde von Seiten der letzten Regierung nichts in dieser Richtung unternommen. Aber auch auf der Seite der Muslime war ein Stillstand zu beobachten, weil sich die Kommission seit 1992 nicht erneuert hatte. Die Mehrheit der Muslime fühlt sich in der Kommission nicht vertreten. So konnte sich eine Randgruppe entwickeln, die sich weder in der spanischen Gesellschaft noch in der Islamischen Kommission zu Hause fühlte. "
Nach dem Verstummen jeglichen Dialogs kam dann am 11. März der große Schreck. Der islamistische Terror war in Europa angekommen. Unzählige Islam-Experten streiten sich seitdem, wie man mit der muslimischen Minderheit umzugehen habe.
Aber auch unter den Muslimen wird zur Zeit kontrovers darüber diskutiert, wie sie in einem überwiegend christlichen Europa ihre Religion leben können. Wie könnte ein europäischer Islam aussehen? Wortführer dieser "Euro-Islam-Bewegung" ist der in Genf lebende Islamwissenschaftler Tariq Ramadan:
" Wir Muslime im Westen müssen uns endlich von unserem doppelten Minderwertigkeitskomplex befreien - gegenüber der westlichen und gegenüber der islamischen Welt, die für sich beansprucht, die reine Lehre unseres Glaubens zu vertreten. Ich sage den Muslimen: Hört auf, euch als eine marginalisierte Minderheit zu sehen. Es geht nicht mehr um Integration, sondern um Partizipation. "
Tariq Ramadan fordert von den Muslimen, aus den Ghettos herauszukommen, aktive Bürger zu werden, endlich in der westlichen Moderne anzukommen. Aber gleichzeitig versucht er, den Einwanderern mehr Selbstbewusstsein und Stolz auf ihre islamische Spiritualität zu vermitteln. Nicht das - wie er formuliert - "Anhimmeln von geistlosem Kommerz und Materialismus" sei der richtige Weg. Sie müssten eine eigene, islamische Identität entwickeln, und das sei im Westen mit dem garantierten Recht auf Religionsfreiheit auch möglich. Bei Tariq Ramadan scheiden sich die Geister: Die einen halten ihn für den lang ersehnten Modernisierer des Islam, für die anderen ist er ein doppelzüngiger Islamist.
In Spanien beschäftigen sich die Muslime allerdings zur Zeit mehr mit der Einforderung ihrer verbrieften Rechte als mit einer theoretischen Islamdiskussion.
Denn mit dem Wahlsieg des sozialistischen Regierungschef Zapatero ist neuer Wind in die Verhandlungen gekommen. Ziel ist die Umsetzung des bereits 1992 beschlossenen Kooperationsabkommens zwischen der Regierung und der Islamischen Kommission. Damals wurden erstmalig alle Religionen gesetzlich gleichgestellt. Damit bekamen die Muslime das Recht zugesprochen, Moscheen zu bauen, Islamunterricht in den Schulen einzurichten, sowie muslimische Feiertage zu begehen, die vom Arbeitgeber als solche anerkannt werden müssen. Besondere Bereiche auf Friedhöfen, Gebetsräume in den Krankenhäusern, Kasernen und Gefängnissen müssen bereitgestellt werden. Fast alle diese Punkte blieben fromme Vorhaben. Es fehlten die Geldmittel, der politische Wille der Regierung aber auch die nötige organisatorische Geschlossenheit auf Seiten der Muslime.
Aber nun soll alles anders werden. Der Spanier Yusuf Fernandez konvertierte vor 16 Jahren zum Islam. Als Sprecher eines der beiden größten muslimischen Verbände, der "Federación Espanola de Entidades Religiosas Islamicas", bezieht er klar Position:
" Der Regierungswechsel war für uns sehr positiv, weil die Kooperationsverträge während der achtjährigen konservativen Partido Popular-Regierung total blockiert waren und jetzt endlich umgesetzt werden. Wir anerkennen auch, dass sich die neue Regierung bemüht hat, die Schlagworte "Islam" und "Terrorismus" auseinander zu halten. Polizei und Geheimdienst sind verstärkt worden, aber die Regierung weiß, dass man nicht nur mit Polizeimaßnahmen gegen Extremismus kämpfen kann, sondern eher auf der sozialen Schiene. Wenn sich eine Gemeinschaft integriert fühlt, können sich radikale Gruppen, die andere mitziehen, schwerer herausbilden. "
Obwohl die 20.000 spanischen Islam-Konvertiten nur eine kleine Minderheit unter den Muslimen ausmachen, haben sie überproportional viel zu sagen, wenn es um die Verhandlungen mit dem Staat geht. Als Spanier haben sie nämlich den Vorteil, zu wissen, wie man seine Rechte in einer Demokratie einfordert, und mit Sprachproblemen haben sie nicht zu kämpfen. Sie bestimmen auch überwiegend die Politik des Dachverbandes der Islamischen Kommission. Natürlich muss man sich fragen, wie repräsentativ unter solchen Umständen die Kommission sein kann. Die Erklärung des Staatssekretärs im Justizministerium, Luis Lopez Guerra, erweckt deshalb auch ein wenig den Anschein einer Notlösung:
" Der Islam hat keine hierarchische Struktur, und so haben wir manchmal das Problem, dass wir nicht wissen, wer unser Gesprächspartner sein soll. Also entschied man sich 1992 für die "Islamische Kommission". Alle muslimische Verbände, die nicht unter ihrem Dach stehen, bleiben von den Kooperationsverträgen ausgeschlossen. Unser Gesprächspartner ist die Kommission. "
" Wir fühlen uns von der Kommission nicht repräsentiert. Sie spricht für eine kleine Minderheit der Muslime. Aber sie haben sozusagen die Zügel der Macht in ihrer Hand, weil sie als Ansprechpartner der Regierung gelten. Vor ein paar Wochen machte der Vorsitzende einer der beiden Verbände, die die Islamische Kommission ausmachen, von sich reden: Der spanische Konvertit forderte öffentlich die Legalisierung der Polygamie in Spanien. Das widerspricht total den Wünschen und Prioritäten der Muslime in Spanien,… "
...sagt Mustapha El M´Rabet von der Gewerkschaft der marokkanischen Gastarbeiter. Er sah sich im vergangenen Jahr gezwungen, als Vorsitzender einer nicht-religiösen Vereinigung klar Position zu religiösen Themen zu beziehen. Denn seine Landsleute erzählten ihm immer wieder, dass ausländische Geldgeber versuchten, ihre viel rigorosere Version des Islam zu verbreiten. Das passiere vor allem in den kleinen Wohnzimmermoscheen.
Führend bei dieser Art der Einflussnahme sind offenbar Vertreter Saudi-Arabiens. So genannte Kulturzentren, die mit saudischem Geld finanziert sein sollen, verbreiten die Lehre des fundamentalistischen Wahhabismus. Mit ihren Finanzspritzen verpflichten sie Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zufolge die dort wirkenden Imame zur "Linientreue".
Da gesetzlich in Spanien bislang überhaupt nicht geregelt ist, auf welche Weise Imame ausgebildet werden, wie sie ihre Lehrberechtigung erhalten und wer sie einsetzt, kann buchstäblich jeder als Imam fungieren und durch die wichtigen Freitagspredigten Einfluss auf die Gläubigen ausüben.
Mohamed Salah spricht für die muslimische Gemeinschaft von Getafe, einem Arbeiterviertel von Madrid mit hohem Ausländeranteil. Die Moschee von Getafe ist ein ungeheizter, fensterloser Kellerraum in einem bescheidenen Reihenhaus. Salah hat den Kassettenrecorder eingeschaltet - als wolle er akustisch unterstreichen, dass es sich hier um eine Moschee handelt. Der Boden ist mit vielen kleinen Teppichen ausgelegt, die Wände mit Bücherregalen und Koranversen geschmückt. Das einzige Möbelstück ist eine hölzerne "Minbar", eine Art Kanzel, von der aus der Imam predigt. Mohamed Salah ist Spanier, ein muslimischer Spanier, in Ceuta geboren, der spanischen Enklave an der marokkanischen Küste.
" Wir sind ein großes Kollektiv, wir arbeiten hier und zahlen unsere Steuern. Aber wir fühlen uns diskriminiert; auch wir haben das Recht auf eine würdige Moschee. Wir sind Arbeiter und haben kein Geld, einen offiziellen Imam zu bezahlen. Unser Imam ist ein 24-jähriger Apotheker, der in Marokko ein Islamdiplom gemacht hat. Freitags hält er die Predigt, um uns einen Gefallen zu tun. Unsere Moschee ist keine 90 Quadratmeter groß. An Feiertagen knien die Gläubigen draußen auf dem Bürgersteig. Die Nachbarn gucken dann kritisch. Wir machen ihnen Angst. "
Die polizeilichen Ermittlungen nach dem 11. März haben einerseits den Einfluss von radikalen Imamen an den Tag gebracht, andererseits aber auch klar gemacht, welche große Rolle die Moscheen als Rückzugsgebiet für radikale Islamisten spielen. Schon kurz nach den Attentaten schlug der spanische Innenminister vor, über eine Kontrolle der Moscheen und der Predigten nachzudenken.
Die Muslime wehrten sich lauthals, sprachen von Polizeistaat und der Verletzung der Religionsfreiheit. Einzig der Gewerkschaftsführer Mustapha El M´Rabet unterstützte offen den Gedanken einer Überwachung der Moscheen. Sein Vorschlag, ein demokratisch gewähltes islamisches Gremium zu schaffen, das für eine wirksame Selbst-Kontrolle der Moscheen und Imame sorgen soll, schmort allerdings seit vergangenem Jahr in einer Schublade des Justizministeriums.
Der Staatssekretär im Justizministerium Luis Lopez Guerra hält eine direkte Kontrolle der Moscheen für nicht durchsetzbar:
" Die Verfassung gewährleistet Religionsfreiheit. Es ist nicht erlaubt, irgendeine Religion zu beschränken oder zu diskriminieren. Es ist etwas anderes, wenn die Staatsmacht in konkreten Situationen Maßnahmen ergreifen muss, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Und Sie können sicher sein, dass wir das auch tun. Aber wir können nicht das Risiko eingehen, dass aus reinem Sicherheitsbedürfnis Bürger auf Grund ihrer Religion diskriminiert werden. "
Kritische Stimmen fragen immer lauter, warum dann nicht auch die staatliche Finanzierung der Religionen gleich gehandhabt wird. Spezielle Verträge zwischen der spanischen Regierung und dem Vatikan garantieren eine großzügige Finanzierungshilfe für die katholische Kirche - nämlich 150 Millionen Euro für die Gehälter der katholischen Priester und Bischöfe. Anfang dieses Jahres hat der Staat nun die Stiftung "Pluralismus und Zusammenleben" gegründet. Mit drei Millionen Euro sollen die so genannten Minderheitsreligionen in Spanien unterstützt werden: das betrifft den Islam, das Judentum und den Protestantismus. Die Stiftung soll "Kulturprojekte, Ausbildungsinitiativen und Projekte zur sozialen Integration" finanzieren, aber keine Aktivitäten, die direkt mit dem religiösen Kult zu tun haben. Die schwammige Formulierung verrät, dass man selbst noch nicht weiß, was nun eigentlich genau finanziert werden soll.
Die Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen wurde bereits 1992 versprochen. Es ist ein ebenso zäh diskutiertes Thema wie in Deutschland: An der Universität Münster gibt es seit Oktober letzten Jahres einen Lehrstuhl, an dem Islamlehrer für staatliche Schulen ausbildet werden. Auch in Deutschland gibt es den Plan, an den Schulen flächendeckend islamische Religion zu lehren - nicht zuletzt um dem Einfluss von dubiosen Koranschulen entgegenzutreten. Wenn es einmal so weit ist, werden die muslimischen Verbände bei der Lehrerauswahl wahrscheinlich mitbestimmen; so wie es bei den christlichen Kirchen in Deutschland der Fall ist. - In Spanien sei man in dieser Frage schon etwas weiter, weiß Fernando Guerra aus dem Erziehungsministerium:
" Zur Zeit gibt es in den beiden autonomen Städten Ceuta und Melilla, den beiden nordafrikanischen Enklaven Spaniens, 20 Islamlehrer an öffentlichen Schulen. Der Staat hat bereits für das laufende Budget die Einsetzung weiterer Islamlehrer vorgesehen - überall dort, wo die Eltern einen Antrag stellen und eine gewisse Mindestzahl an Interessierten vorhanden ist. Aber solche Anträge sind noch nicht bei uns eingegangen. "
Für Mohamed Salah sind das nur leere Worte:
" Wir haben in der Schule einen ganz offiziellen Antrag auf Islamunterricht gestellt. Wir haben keine Antwort bekommen. Allerdings herrscht großes Durcheinander: Die Islamische Kommission sagt Dir dieses, das Erziehungsministerium sagt Dir jenes. Die führen uns doch an der Nase herum. Hier in Getafe gibt es so viele muslimische Schüler. Aber diese Islamlehrer, die man uns so oft versprochen hat, die kommen einfach nicht. "
Wo genau der Haken liegt, lässt sich zur Zeit kaum herausfinden. Alle Beteiligten behaupten, sie hätten ihren Teil der Arbeit getan, aber passiert ist bisher nichts.
Ohne Zweifel fehlt es zunächst vor allem an geeignetem Lehrpersonal - in ganz Spanien gibt es keinen Lehrstuhl für islamische Religionswissenschaft. Dazu kommt, dass sich die islamischen Verbände oft nicht auf die Lehrer einigen können. Der Auswahlprozess liegt vollkommen in deren Händen, aber ist weder einheitlich geregelt, noch koordiniert.
Ein Jahr nach den Terroranschlägen von Madrid ist einiges passiert: Die spanischen Sicherheitsbehörden können beachtliche Erfolge vorweisen.
So haben sie die Tatverdächtigen festnehmen aber auch neue Anschläge verhindern können. Die Abteilung des Geheimdienstes, die den internationalen Terrorismus bekämpft, ist personell beträchtlich verstärkt worden. Die neue Regierung unter Ministerpräsident José Luis Zapatero hat den Dialog mit den Muslimen wieder aufgenommen. Spanier und Muslime reden jetzt offener über die Schwierigkeiten, die mit der Zuwanderung von Muslimen zusammenhängen.
Aber die viel beschworene "convivencia", das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen, bleibt weiterhin ein ungelöstes Problem. Auch Mohamed Salah aus dem Madrider Vorort Getafe fragt sich, ob er vielleicht "weniger muslimisch" sein müsste, um wirklich integriert zu werden.
" "Integrieren" - dieses Wort mag ich nicht, es sollte lieber heißen: mit Respekt mit Anderen zusammenzuleben. Denn der Immigrant ist nicht "leer" nach Spanien gekommen; er kam mit seiner Kultur, mit seiner Religion. Das ist doch mein Recht, solange ich den Anderen nicht störe. Wir gehen nicht in die Diskothek, wir trinken keinen Alkohol, na und!? Muss ich das machen, was Du machst, damit Du mir sagst: Du bist aber gut integriert!? "
Terrorismusexperte José María Irujo von der spanischen Tageszeitung El País beschäftigt sich seit Jahren mit den Verbindungen des Terroristen-Netzwerkes El Kaida nach Spanien. Sein gerade veröffentlichtes Buch trägt den Titel "Die Invasion des Jihad in Spanien".
Genau ein Jahr ist es her, seit mehrere Bombenexplosionen in Madrider Vorortzügen 191 Menschen in den Tod rissen. Alles weist darauf hin, dass die so genannte "Gruppe marokkanischer Islamkämpfer" hinter den Anschlägen steht, dass sich ein terroristisches Geflecht von Nordafrika aus über Spanien ausgebreitet hat. El Kaida hatte die nordafrikanischen Terrorgruppen ideologisch infiltriert und durch sie nun auch in Europa ein gut funktionierendes Beziehungsnetz aufgebaut.
Für erfahrene islamistische Propagandisten war es ein relativ einfaches Unterfangen, Komplizen in der muslimischen Einwanderergemeinde zu finden. Die Mehrzahl der mutmaßlichen Terroristen sind Marokkaner. Voraussichtlich im Oktober soll in Madrid der Prozess gegen 74 Tatverdächtige anfangen, von denen bereits 30 in Untersuchungshaft sitzen.
Mustapha El M´Rabet ist Vorsitzender der größten Gewerkschaft marokkanischer Gastarbeiter. Er beschreibt die Reaktion der Spanier gegenüber den marokkanischen Einwanderern nach dem 11. März so:
" Es gab keine Kollektivrache. Aber es gab viele misstrauische Blicke, Kommentare, Beleidigungen, Drohungen, Entlassungen, gekündigte Mietverträge. Betritt ein Marokkaner mit einem Rucksack einen Bus oder die Metro, haben alle anderen Angst. "
Von den 800.000 in Spanien lebenden Muslimen repräsentieren jene aus den nordafrikanischen Maghreb-Ländern - allen voran Marokko - die große Mehrheit. Sie kamen in den achtziger, verstärkt in den neunziger Jahren und arbeiten vorrangig in der Landwirtschaft, in der Bauwirtschaft, im Gaststättengewerbe oder als Hausangestellte.
Wie war es möglich, dass sich unter ihnen eine - wohlbemerkt kleine - Gruppe von islamistischen Terroristen herausbilden konnte? Die meisten der Attentäter lebten oder arbeiteten im Madrider Viertel Lavapiés: Ein Wohngebiet der kleinen Leute, der Alternativszene und eben der Immigranten. Lateinamerikaner, Asiaten und Afrikaner machen hier fast 50 Prozent der Einwohner aus. - Terrorismusexperte José María Irujo über die Biographien der mutmaßlichen Attentäter:
" Die Terroristen vom 11. März waren Leute, die hier lebten; viele waren mit Spanierinnen verheiratet, arbeiteten als Gemüse- oder Kleiderhändler oder auf dem Bau. Einige waren Kleinkriminelle, handelten mit Drogen und Schmuggelware. Immigranten, die wie in einer großen Blase lebten, nicht wirklich integriert, voller Hass auf alles Spanische oder Westliche. Dann gab es aber auch einen Studenten, der in Wirtschaftswissenschaften promovierte, einen Übersetzer und auch einen Informatiker. Und über all jenen standen die Propagandisten, die Zusammenkünfte organisierten, bei denen Reden gehalten und Filme über den Jihad angesehen wurden. Und alle hatten immer das Bild des bereits inhaftierten Gründers der spanischen El Kaida, Abu Dahdah, vor Augen. "
Wahrscheinlich wird man kein einheitliches Muster finden können, nach dem man für islamistische Propaganda anfällig oder zum Attentäter wird. Aber Fehler und Versäumnisse der Politiker und der muslimischen Verbände, die so eine Entwicklung befördert haben könnten, lassen sich viele ausmachen. Islamwissenschaftler Bernabé Lopez:
" Während der vergangenen Jahre gab es absolut keinen Dialog zwischen dem Staat und den Muslimen. Obwohl es Kooperationsverträge mit der Islamischen Kommission gab, wurde von Seiten der letzten Regierung nichts in dieser Richtung unternommen. Aber auch auf der Seite der Muslime war ein Stillstand zu beobachten, weil sich die Kommission seit 1992 nicht erneuert hatte. Die Mehrheit der Muslime fühlt sich in der Kommission nicht vertreten. So konnte sich eine Randgruppe entwickeln, die sich weder in der spanischen Gesellschaft noch in der Islamischen Kommission zu Hause fühlte. "
Nach dem Verstummen jeglichen Dialogs kam dann am 11. März der große Schreck. Der islamistische Terror war in Europa angekommen. Unzählige Islam-Experten streiten sich seitdem, wie man mit der muslimischen Minderheit umzugehen habe.
Aber auch unter den Muslimen wird zur Zeit kontrovers darüber diskutiert, wie sie in einem überwiegend christlichen Europa ihre Religion leben können. Wie könnte ein europäischer Islam aussehen? Wortführer dieser "Euro-Islam-Bewegung" ist der in Genf lebende Islamwissenschaftler Tariq Ramadan:
" Wir Muslime im Westen müssen uns endlich von unserem doppelten Minderwertigkeitskomplex befreien - gegenüber der westlichen und gegenüber der islamischen Welt, die für sich beansprucht, die reine Lehre unseres Glaubens zu vertreten. Ich sage den Muslimen: Hört auf, euch als eine marginalisierte Minderheit zu sehen. Es geht nicht mehr um Integration, sondern um Partizipation. "
Tariq Ramadan fordert von den Muslimen, aus den Ghettos herauszukommen, aktive Bürger zu werden, endlich in der westlichen Moderne anzukommen. Aber gleichzeitig versucht er, den Einwanderern mehr Selbstbewusstsein und Stolz auf ihre islamische Spiritualität zu vermitteln. Nicht das - wie er formuliert - "Anhimmeln von geistlosem Kommerz und Materialismus" sei der richtige Weg. Sie müssten eine eigene, islamische Identität entwickeln, und das sei im Westen mit dem garantierten Recht auf Religionsfreiheit auch möglich. Bei Tariq Ramadan scheiden sich die Geister: Die einen halten ihn für den lang ersehnten Modernisierer des Islam, für die anderen ist er ein doppelzüngiger Islamist.
In Spanien beschäftigen sich die Muslime allerdings zur Zeit mehr mit der Einforderung ihrer verbrieften Rechte als mit einer theoretischen Islamdiskussion.
Denn mit dem Wahlsieg des sozialistischen Regierungschef Zapatero ist neuer Wind in die Verhandlungen gekommen. Ziel ist die Umsetzung des bereits 1992 beschlossenen Kooperationsabkommens zwischen der Regierung und der Islamischen Kommission. Damals wurden erstmalig alle Religionen gesetzlich gleichgestellt. Damit bekamen die Muslime das Recht zugesprochen, Moscheen zu bauen, Islamunterricht in den Schulen einzurichten, sowie muslimische Feiertage zu begehen, die vom Arbeitgeber als solche anerkannt werden müssen. Besondere Bereiche auf Friedhöfen, Gebetsräume in den Krankenhäusern, Kasernen und Gefängnissen müssen bereitgestellt werden. Fast alle diese Punkte blieben fromme Vorhaben. Es fehlten die Geldmittel, der politische Wille der Regierung aber auch die nötige organisatorische Geschlossenheit auf Seiten der Muslime.
Aber nun soll alles anders werden. Der Spanier Yusuf Fernandez konvertierte vor 16 Jahren zum Islam. Als Sprecher eines der beiden größten muslimischen Verbände, der "Federación Espanola de Entidades Religiosas Islamicas", bezieht er klar Position:
" Der Regierungswechsel war für uns sehr positiv, weil die Kooperationsverträge während der achtjährigen konservativen Partido Popular-Regierung total blockiert waren und jetzt endlich umgesetzt werden. Wir anerkennen auch, dass sich die neue Regierung bemüht hat, die Schlagworte "Islam" und "Terrorismus" auseinander zu halten. Polizei und Geheimdienst sind verstärkt worden, aber die Regierung weiß, dass man nicht nur mit Polizeimaßnahmen gegen Extremismus kämpfen kann, sondern eher auf der sozialen Schiene. Wenn sich eine Gemeinschaft integriert fühlt, können sich radikale Gruppen, die andere mitziehen, schwerer herausbilden. "
Obwohl die 20.000 spanischen Islam-Konvertiten nur eine kleine Minderheit unter den Muslimen ausmachen, haben sie überproportional viel zu sagen, wenn es um die Verhandlungen mit dem Staat geht. Als Spanier haben sie nämlich den Vorteil, zu wissen, wie man seine Rechte in einer Demokratie einfordert, und mit Sprachproblemen haben sie nicht zu kämpfen. Sie bestimmen auch überwiegend die Politik des Dachverbandes der Islamischen Kommission. Natürlich muss man sich fragen, wie repräsentativ unter solchen Umständen die Kommission sein kann. Die Erklärung des Staatssekretärs im Justizministerium, Luis Lopez Guerra, erweckt deshalb auch ein wenig den Anschein einer Notlösung:
" Der Islam hat keine hierarchische Struktur, und so haben wir manchmal das Problem, dass wir nicht wissen, wer unser Gesprächspartner sein soll. Also entschied man sich 1992 für die "Islamische Kommission". Alle muslimische Verbände, die nicht unter ihrem Dach stehen, bleiben von den Kooperationsverträgen ausgeschlossen. Unser Gesprächspartner ist die Kommission. "
" Wir fühlen uns von der Kommission nicht repräsentiert. Sie spricht für eine kleine Minderheit der Muslime. Aber sie haben sozusagen die Zügel der Macht in ihrer Hand, weil sie als Ansprechpartner der Regierung gelten. Vor ein paar Wochen machte der Vorsitzende einer der beiden Verbände, die die Islamische Kommission ausmachen, von sich reden: Der spanische Konvertit forderte öffentlich die Legalisierung der Polygamie in Spanien. Das widerspricht total den Wünschen und Prioritäten der Muslime in Spanien,… "
...sagt Mustapha El M´Rabet von der Gewerkschaft der marokkanischen Gastarbeiter. Er sah sich im vergangenen Jahr gezwungen, als Vorsitzender einer nicht-religiösen Vereinigung klar Position zu religiösen Themen zu beziehen. Denn seine Landsleute erzählten ihm immer wieder, dass ausländische Geldgeber versuchten, ihre viel rigorosere Version des Islam zu verbreiten. Das passiere vor allem in den kleinen Wohnzimmermoscheen.
Führend bei dieser Art der Einflussnahme sind offenbar Vertreter Saudi-Arabiens. So genannte Kulturzentren, die mit saudischem Geld finanziert sein sollen, verbreiten die Lehre des fundamentalistischen Wahhabismus. Mit ihren Finanzspritzen verpflichten sie Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zufolge die dort wirkenden Imame zur "Linientreue".
Da gesetzlich in Spanien bislang überhaupt nicht geregelt ist, auf welche Weise Imame ausgebildet werden, wie sie ihre Lehrberechtigung erhalten und wer sie einsetzt, kann buchstäblich jeder als Imam fungieren und durch die wichtigen Freitagspredigten Einfluss auf die Gläubigen ausüben.
Mohamed Salah spricht für die muslimische Gemeinschaft von Getafe, einem Arbeiterviertel von Madrid mit hohem Ausländeranteil. Die Moschee von Getafe ist ein ungeheizter, fensterloser Kellerraum in einem bescheidenen Reihenhaus. Salah hat den Kassettenrecorder eingeschaltet - als wolle er akustisch unterstreichen, dass es sich hier um eine Moschee handelt. Der Boden ist mit vielen kleinen Teppichen ausgelegt, die Wände mit Bücherregalen und Koranversen geschmückt. Das einzige Möbelstück ist eine hölzerne "Minbar", eine Art Kanzel, von der aus der Imam predigt. Mohamed Salah ist Spanier, ein muslimischer Spanier, in Ceuta geboren, der spanischen Enklave an der marokkanischen Küste.
" Wir sind ein großes Kollektiv, wir arbeiten hier und zahlen unsere Steuern. Aber wir fühlen uns diskriminiert; auch wir haben das Recht auf eine würdige Moschee. Wir sind Arbeiter und haben kein Geld, einen offiziellen Imam zu bezahlen. Unser Imam ist ein 24-jähriger Apotheker, der in Marokko ein Islamdiplom gemacht hat. Freitags hält er die Predigt, um uns einen Gefallen zu tun. Unsere Moschee ist keine 90 Quadratmeter groß. An Feiertagen knien die Gläubigen draußen auf dem Bürgersteig. Die Nachbarn gucken dann kritisch. Wir machen ihnen Angst. "
Die polizeilichen Ermittlungen nach dem 11. März haben einerseits den Einfluss von radikalen Imamen an den Tag gebracht, andererseits aber auch klar gemacht, welche große Rolle die Moscheen als Rückzugsgebiet für radikale Islamisten spielen. Schon kurz nach den Attentaten schlug der spanische Innenminister vor, über eine Kontrolle der Moscheen und der Predigten nachzudenken.
Die Muslime wehrten sich lauthals, sprachen von Polizeistaat und der Verletzung der Religionsfreiheit. Einzig der Gewerkschaftsführer Mustapha El M´Rabet unterstützte offen den Gedanken einer Überwachung der Moscheen. Sein Vorschlag, ein demokratisch gewähltes islamisches Gremium zu schaffen, das für eine wirksame Selbst-Kontrolle der Moscheen und Imame sorgen soll, schmort allerdings seit vergangenem Jahr in einer Schublade des Justizministeriums.
Der Staatssekretär im Justizministerium Luis Lopez Guerra hält eine direkte Kontrolle der Moscheen für nicht durchsetzbar:
" Die Verfassung gewährleistet Religionsfreiheit. Es ist nicht erlaubt, irgendeine Religion zu beschränken oder zu diskriminieren. Es ist etwas anderes, wenn die Staatsmacht in konkreten Situationen Maßnahmen ergreifen muss, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Und Sie können sicher sein, dass wir das auch tun. Aber wir können nicht das Risiko eingehen, dass aus reinem Sicherheitsbedürfnis Bürger auf Grund ihrer Religion diskriminiert werden. "
Kritische Stimmen fragen immer lauter, warum dann nicht auch die staatliche Finanzierung der Religionen gleich gehandhabt wird. Spezielle Verträge zwischen der spanischen Regierung und dem Vatikan garantieren eine großzügige Finanzierungshilfe für die katholische Kirche - nämlich 150 Millionen Euro für die Gehälter der katholischen Priester und Bischöfe. Anfang dieses Jahres hat der Staat nun die Stiftung "Pluralismus und Zusammenleben" gegründet. Mit drei Millionen Euro sollen die so genannten Minderheitsreligionen in Spanien unterstützt werden: das betrifft den Islam, das Judentum und den Protestantismus. Die Stiftung soll "Kulturprojekte, Ausbildungsinitiativen und Projekte zur sozialen Integration" finanzieren, aber keine Aktivitäten, die direkt mit dem religiösen Kult zu tun haben. Die schwammige Formulierung verrät, dass man selbst noch nicht weiß, was nun eigentlich genau finanziert werden soll.
Die Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen wurde bereits 1992 versprochen. Es ist ein ebenso zäh diskutiertes Thema wie in Deutschland: An der Universität Münster gibt es seit Oktober letzten Jahres einen Lehrstuhl, an dem Islamlehrer für staatliche Schulen ausbildet werden. Auch in Deutschland gibt es den Plan, an den Schulen flächendeckend islamische Religion zu lehren - nicht zuletzt um dem Einfluss von dubiosen Koranschulen entgegenzutreten. Wenn es einmal so weit ist, werden die muslimischen Verbände bei der Lehrerauswahl wahrscheinlich mitbestimmen; so wie es bei den christlichen Kirchen in Deutschland der Fall ist. - In Spanien sei man in dieser Frage schon etwas weiter, weiß Fernando Guerra aus dem Erziehungsministerium:
" Zur Zeit gibt es in den beiden autonomen Städten Ceuta und Melilla, den beiden nordafrikanischen Enklaven Spaniens, 20 Islamlehrer an öffentlichen Schulen. Der Staat hat bereits für das laufende Budget die Einsetzung weiterer Islamlehrer vorgesehen - überall dort, wo die Eltern einen Antrag stellen und eine gewisse Mindestzahl an Interessierten vorhanden ist. Aber solche Anträge sind noch nicht bei uns eingegangen. "
Für Mohamed Salah sind das nur leere Worte:
" Wir haben in der Schule einen ganz offiziellen Antrag auf Islamunterricht gestellt. Wir haben keine Antwort bekommen. Allerdings herrscht großes Durcheinander: Die Islamische Kommission sagt Dir dieses, das Erziehungsministerium sagt Dir jenes. Die führen uns doch an der Nase herum. Hier in Getafe gibt es so viele muslimische Schüler. Aber diese Islamlehrer, die man uns so oft versprochen hat, die kommen einfach nicht. "
Wo genau der Haken liegt, lässt sich zur Zeit kaum herausfinden. Alle Beteiligten behaupten, sie hätten ihren Teil der Arbeit getan, aber passiert ist bisher nichts.
Ohne Zweifel fehlt es zunächst vor allem an geeignetem Lehrpersonal - in ganz Spanien gibt es keinen Lehrstuhl für islamische Religionswissenschaft. Dazu kommt, dass sich die islamischen Verbände oft nicht auf die Lehrer einigen können. Der Auswahlprozess liegt vollkommen in deren Händen, aber ist weder einheitlich geregelt, noch koordiniert.
Ein Jahr nach den Terroranschlägen von Madrid ist einiges passiert: Die spanischen Sicherheitsbehörden können beachtliche Erfolge vorweisen.
So haben sie die Tatverdächtigen festnehmen aber auch neue Anschläge verhindern können. Die Abteilung des Geheimdienstes, die den internationalen Terrorismus bekämpft, ist personell beträchtlich verstärkt worden. Die neue Regierung unter Ministerpräsident José Luis Zapatero hat den Dialog mit den Muslimen wieder aufgenommen. Spanier und Muslime reden jetzt offener über die Schwierigkeiten, die mit der Zuwanderung von Muslimen zusammenhängen.
Aber die viel beschworene "convivencia", das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen, bleibt weiterhin ein ungelöstes Problem. Auch Mohamed Salah aus dem Madrider Vorort Getafe fragt sich, ob er vielleicht "weniger muslimisch" sein müsste, um wirklich integriert zu werden.
" "Integrieren" - dieses Wort mag ich nicht, es sollte lieber heißen: mit Respekt mit Anderen zusammenzuleben. Denn der Immigrant ist nicht "leer" nach Spanien gekommen; er kam mit seiner Kultur, mit seiner Religion. Das ist doch mein Recht, solange ich den Anderen nicht störe. Wir gehen nicht in die Diskothek, wir trinken keinen Alkohol, na und!? Muss ich das machen, was Du machst, damit Du mir sagst: Du bist aber gut integriert!? "