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Überall nur Freunde

Während sich Datenschützer über illegal vagabundierende Informationen zu recht echauffieren, sammeln Plattformen wie Facebook oder StudiVZ ganz ungeniert alles, was sie von ihren Mitgliedern freiwillig erhalten. Diese Datenschätze sollen jetzt für die Internetwirtschaft erschlossen werden.

Von Marcus Schuler |
    Facebook Connect – so heißt der Knopf, der seit ein paar Tagen in vielen Weblogs, vornehmlich aus dem englischsprachigen Raum, zu finden ist. Mit einem Klick darauf bedarf es nur noch des Benutzernamens und des Passworts des Facebook-Mitglieds-Konto und schon lässt sich in dem Weblog ein Kommentar verfassen. Das Ganze ohne die meist übliche zeitraubende Registrierung. Vor allem für die sozialen Netzwerke ist dies eine interessante Neuerung.

    "Soziale Netzwerke bilden etwas sehr Wichtiges ab. Nämlich Kommunikation, Interaktion zwischen Menschen und die Kommunikation, Interaktion hat sich in vielen Zielgruppen ins Netz verlagert und da haben sich ganz neue Formen ausgeprägt und deswegen sind die auch so erfolgreich."

    Dr. Ralf Kaumanns ist Mediensoziologe und Germanist. Der Unternehmensberater ist Mitverfasser des Buchs "Die Google Ökonomie". Im Grunde haben Facebook und das Suchmaschinen-Unternehmen Google wenig gemeinsam. Facebook ist ein äußerst erfolgreiches Kontakte-Netzwerk mit rund 120 Millionen Mitgliedern weltweit. Vor allem junge Menschen unter 25 Jahren nutzen es. Doch seit wenigen Tagen sind die Unternehmen Konkurrenten. Als Google vorvergangene Woche sein Werkzeug "Friend Connect" veröffentlichte, zog Facebook wenige Stunden später nach.

    "Es ist in der Tat ein Konkurrenzkampf ausgebrochen, jedoch ein Konkurrenzkampf, der von beiden Unternehmen eine ganz andere Philosophie beinhaltet. In beiden Fällen geht es darum, wie können Nutzer im Internet untereinander besser agieren, ohne sich jeweils immer wieder auf neuen Plattformen mit ihren Accounts, ihrem Passwort anzumelden. Der grundlegende Unterschied zwischen den Unternehmen besteht darin, dass Facebook eine Strategie verfolgt, seine Plattform als zentrale Anlaufstelle im Netz auszubauen. Google hat eine vollkommen andere Philosophie. Google strebt danach, mit Ihrem "Friend Connect" die Auflösung zentraler Plätze zu betreiben. Das heißt, Google will eine Durchlässigkeit in diesen Plattformen, der Datenaustausch soll gewährleistet sein und der Nutzer soll ohne Probleme, ohne sich wieder neu anmelden zu müssen, von einer Plattform zur anderen springen können."

    Zwar ist die Funktion der beiden Werkzeuge ähnlich. Doch das Facebook-Widget kann deutlich mehr. Es ist nicht nur ein Tool, um Benutzername und Passwort aus der proprietären Facebook-Welt in Weblogs zu übertragen. Andere Facebook-Nutzer können damit auch sehen, was man außerhalb der geschlossenen Facebook-Welt, im sozusagen "normalen Internet" anstellt. Google ist dagegen Mitbegründer von "Open ID". Das Zauberwort dort heißt: Data Portability – Daten an verschiedenen Stellen des Internets verfügbar zu machen – in Foren, Weblogs und Netzwerken. Ralf Kaumanns:

    "Die Websitebetreiber können sich im Prinzip an das Facebook-Netwerk andocken und den Verkehr, den Traffic dort einfach für sich nutzen. Der Unterschied unter dem Stichwort Open ID, also einer offenen ID aus Google Sicht, ist, die Mauern einreißen zu wollen und dem Nutzer einfach diese Bequemlichkeit zu geben, sich einmal anzumelden, natürlich auf dem Google Account, und dann im die angedockten Angebote von "Friend Connect" nutzen zu können, ohne diese jeweiligen Anmelde-Abmeldevorgänge."

    Sicher ist: Die Zukunft des Internets wird stärker als bislang den sozialen Netzwerken gehören. Die digitale Identität gewinnt an Bedeutung. Besonders die Betreiber Netzwerke dürften diese Entwicklung vorantreiben. Denn dahinter steckt ein lukratives Geschäftsmodell. Ralf Kaumanns:

    "Der Kern von sozialen Netzwerken ist natürlich die Beziehung von Menschen untereinander. Und Beziehungen haben natürlich im Geschäftsleben eine wichtige Rolle. Stichworte wären hier zum Beispiel Vertrauen, Reputation, das heißt, wenn ich mir ein Produkt kaufen möchte und ich kenne jemanden, der ein ähnliches Produkt hat und ich frage ihn "Mensch, ich möchte mir vielleicht ein Auto kaufen" und "Du hast dasselbe doch, wie bist du mit diesem Wagen zufrieden?" und wenn das eine Person ist, der ich vertraue und die gibt mir ein Urteil ab und sagt "der Wagen ist gut, der Wagen ist schlecht, ich kann dir empfehlen, den zu kaufen", hat das ein ganz anderes Gewicht in einer Kaufentscheidung als vielleicht jemand Fremdes zu fragen oder nur dem Verkäufer zu vertrauen. Man kann diese sozialen Netzwerke auch im Internet für diese Art Beziehungsmarketing, Reputationsthemen verwenden."

    Datenschützer dürften diese jüngste Entwicklung jedoch mit Skepsis verfolgen. Der Einzelne wird zunehmend transparenter. Jede Bewegung im Netz ließe sich - noch besser als dies ohnehin schon möglich ist - nachverfolgen.