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Überflüssig oder sicher?

In Brüssel trafen sich vergangene Woche Experten der Europäischen Union für das Passwesen, um Sicherheitsstandards für den geplanten biometrischen Reisepass zu verabschieden. Noch offen ist indes, wie der biometrische Personalausweis aussehen soll. In Berlin informierte der am Dienstag die Öffentlichkeit über das Thema Biometrie.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Schaar |
    Peter Schaar: Es geht darum, wie das Verhältnis Sicherheit zu Bürgerrechten sich in Zukunft gestaltet. Wenn jetzt jeder verpflichtet ist, seine biometrischen Merkmale - also das digitalisierte Gesichtsbild und auch Fingerabdrücke - abspeichern zu lassen, dann stellt das einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn dem auch ein entsprechender Sicherheitsgewinn gegenüber steht. Der Nachweis dafür, dass dieser Sicherheitsgewinn tatsächlich erzielt werden kann, ist aus meiner Sicht bisher nicht geführt worden.

    Kloiber: Worin besteht denn der große Eingriff in meine informationelle Selbstbestimmung? Ein Bild ist doch bislang auch auf meinem Personalausweis, und jetzt ein Fingerabdruck, ist das so schlimm?

    Schaar: Bisher haben wir ja nur ein so genanntes analoges Bild, das heißt ein Foto, wie man es auch aus dem privaten Bereich kennt. Wenn jetzt ein digitales Gesichtsbild gespeichert wird, dann ist das digitalisierte Gesichtsbild auch automatisiert auswertbar. Es kann gegebenenfalls, wenn dann auch zentrale oder auch dezentrale Dateien geführt werden, in denen die biometrischen Daten gespeichert werden, dazu kommen, dass solche Systeme gekoppelt werden mit Videoüberwachungsanlagen und dann entsprechend die einzelnen Personen identifiziert werden, wo sie sich dann jeweils aufhalten. Bei den Fingerabdrücken haben wir bisher eine Begrenzung auf erkennungsdienstliche Sammlung. Das heißt, nur wer ein Verbrechen begeht oder eine sonstige schwere Straftat, wird erfasst - nicht jedermann! Eine erkennungsdienstliche Erfassung der gesamten Bevölkerung halte ich doch für ziemlich problematisch.

    Kloiber: Auf der anderen Seite haben sie ja gesagt, müsste man abwägen: was wäre denn der Nutzen, wenn man es trotz dieser Bedenken macht. Was könnte dieser Nutzen sein?

    Schaar: Es wird ja behauptet, dass man mit den biometrischen Merkmalen die Pass- und Personalausweisdokumente fälschungssicherer gestaltet. Auch bisher sind die deutschen Personalausweise und auch die deutschen Pässe ziemlich fälschungssicher, und es gibt auch andere Methoden, die weniger in das informationelle Selbstbestimmungsrecht eingreifen, die man hier verwenden könnte, die auch in anderen Passpapieren schon implementiert werden. Darüber kann man ja auch durchaus reden. Der zweite Vorteil, den man sich hier erwartet, ist, dass man schnellere Kontrollen durchführen kann. Aber hier stelle ich mir die Frage: warum müssen solche Massenkontrollen verstärkt eingeführt werden? Normalerweise muss ich im täglichen Leben meinen Personalausweis nicht vorzeigen. Das kommt nur ziemlich selten vor. Und in den Fällen, in denen das vorkommt, reicht die bisherige Kontrolle aus meiner Sicht auch aus.

    Kloiber: Habe ich Sie richtig verstanden, dass sie kritisieren, dass die Einführung biometrischer Merkmale nur dazu dienen könnte, auf dem Flughafen in Frankfurt am Main die Kontrollen zu rationalisieren?

    Schaar: Nun, wenn auf dem Flughafen in Frankfurt am Main die Kontrollen rationalisiert werden, dann ist das sicherlich ein Aspekt, der vielleicht sogar positiv zu bewerten ist. Aber wenn man erstmal diese Mechanismen eingeführt hat, dann wird man auch diese Mechanismen bei anderer Gelegenheit nutzen. Das heißt auch bei Straßenkontrollen und so weiter. Das ginge dann sehr viel schneller und ohne einen allzu großen Aufwand. Man würde also den Überwachungsdruck allgemein verstärken, und das ist natürlich aus der Sicht des Datenschutzes sicherlich keine besonders positive Perspektive.

    Kloiber: Nun gibt es ja einen sehr starken internationalen Druck, um biometrische Merkmale in Passdokumente einzuführen, die amerikanischen Behörden verlangen das mittlerweile.

    Schaar: Interessant ist ja, dass die US-Behörden die biometrischen Merkmale nur von den einreisenden Ausländern verlangen, aber nicht von den US-Amerikanern. Und zweitens ist es so, dass die US-Behörden für ihre eigenen Bürger auch keine entsprechenden Personalpapiere einführen. Die haben ja bisher nicht mal einen Personalausweis und werden auch in Zukunft keinen Personalausweis haben. Schon von daher stellt sich natürlich die Frage, ob man nach dem Reisepass, der durch internationale Vorgaben normiert ist, auch noch einen Biometrie gestützten Personalausweis wirklich braucht. Hierüber muss sehr intensiv diskutiert werden, und ich erhoffe mir, dass auch in Deutschland auf der Seite der Bundesregierung die Bereitschaft da ist, hier eine ergebnisoffene Diskussion zu führen.