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Überflüssiger Krieg

Wir bleiben noch im Ereignisfeld, wechseln aber von der Kunst zur Realhistorie. Mit Flugzeugträgern Terroristen jagen, macht wenig Sinn. Moderne Kriege sind nicht mehr symmetrisch, sondern asymmetrisch, eine Art fortgeschrittenes, hochtechnisiertes Partisanentum. Die Bedrohung, die von terroristischen Attentaten ausgeht ist vielfach. Die neuen Terroristen operieren aus Zellen, sind nach vielen Seiten bündnisfähig und schwer zu orten. Will man sie stoppen oder aushebeln, muss man ihre Strukturen kennen, ihre Geldhähne abdrehen. Martin van Creeveld, israelischer Militärhistoriker, der heute Abend in der Berliner Humboldt Universität spricht habe ich gefragt, ob unter solchen Bedingungen sogenannte Präventivkriege im Irak oder anderswo zu führen, nicht aussichtslos ist?

Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld im Gespräch |
    Köhler: Ist unter solchen Bedingungen einen so genannten Präventivkrieg im Irak oder anderswo zu führen, nicht aussichtslos?

    van Creveld: Das eine hat mit dem anderen nicht viel zu tun. Es gibt auch noch andere Bedrohungen auf der Welt. Ich habe nie gesagt, dass es in Zukunft ausschließlich Kriege zwischen oder gegen nichtstaatliche Organisationen geben soll. Wir sind in einem Zeitalter des historischen Übergangs von zwischenstaatlichen zu anderen Kriegen, aber das bedeutet noch lange nicht, dass wir jetzt von heute auf morgen alle Vorbereitungen für zwischenstaatliche Kriege schlichten können und dass wir keine staatlichen Bedrohungen mehr auf der Welt existieren.

    Köhler: Das heißt, es wird sie parallel geben, also inter-, zwischenstaatliche, aber auch außerstaatliche Angriffe und Konflikte?

    van Creveld: Ja. Asymmetrische Kriege sind heute das Schlagwort. Aber wie wir alle wissen, hat die alte Welt noch nicht ganz ausgespielt und es ist noch möglich, dass es noch eine Weile dauert.

    Köhler: Ein Land mit einem Krieg zu überziehen, bedeutet auch immer Verluste unter der Zivilbevölkerung und ruft dann auch Massenproteste hervor. Gleichwohl war im Irak die Drohkulisse bislang recht erfolgreich. Wird ein möglicher Irak-Krieg die terroristische Gefahr vermindern oder eher im Gegenteil den Nahen Osten noch mehr gefährden?

    van Creveld: Ich persönlich glaube, dass ein Krieg gegen den Irak den Terrorismus eher erhöhen wird, denn Saddam hat, soweit ich weiß, nie viel Verbindungen zu Terroristen gehabt, hier und da, aber nicht sehr viel und es ist bestimmt möglich, dass eine Zerstückelung des Irak ein Vakuum kreieren wird, wo Terrorismus blühen kann.

    Köhler: Das heißt, Sie üben auch deutliche Kritik an den Absichten, einen Präventivkrieg zu führen?

    van Creveld: Ja, ich bin von dieser Notwendigkeit nicht überzeugt.

    Köhler: Genügt es eigentlich, die so genannten Kommandozentralen auszuschalten oder haben wir es hier mit einer Art neuem Feind zu tun, der - ich bin versucht zu sagen - wie seine Waffen selber bakteriell zu sein scheint, unsichtbar, im Kleinen wirkt. In London war das vielleicht noch einfach mit Ricinfunden nahe einer Moschee, da konnte man eine Razzia durchführen. Aber in Deutschland beispielsweise war das Nest von Herrn Atta eine kleine Wohnung. Müsste man also in der Konsequenz nachrichtendienstlich wachsamer sein und vielleicht doch aufrüsten?

    van Creveld: Asymmetrischer Krieg wird vor allem mit Nachrichtendiensten geführt, ja, das stimmt. Nachrichtendienste, Polizei, Spezialeinheiten und so weiter. Nicht mit großen Einheiten, Panzern und Flugzeugen. Aber wir reden andauernd von zwei sehr verschiedenen Dingen: Das eine ist der anstehende Krieg gegen den Irak, das andere ist der asymmetrische Krieg gegen terroristische Organisationen und ich habe seit Jahren behauptet, dass Kriege gegen oder zwischen Staaten sich vermindern und asymmetrische Kriege gegen andere Organisationen wichtiger werden.

    Köhler: Abschließend: Sie sind ja eigentlich bekannt dafür, die USA nicht grundsätzlich zu kritisieren, aber in diesem Punkt sagen Sie, Sie fürchten, dass Sie gegenwärtig 'ein bisschen durchdrehen'.

    van Creveld: Ja, das war im Bezug auf Nordkorea. Es sieht im Moment so aus, also ob die Amerikaner ein neues Nationalhobby entwickelt haben und zwar Bombardieren.

    Köhler: Sie meinen, dass das etwas plan- und ziellos ist, einfach auch historisch gesehen, weil man nicht weiß, worauf es hinauslaufen soll?

    van Creveld: Ja, es sieht so aus, als wacht der Bush jeden Tag auf und steckt eine Nadel in einer Weltkarte, welches Land und welches Volk soll ich heute bombardieren?

    Köhler: Sind Präventivkriege dann überhaupt noch ein probates Mittel oder müsste man da anders rangehen? Oder anders gefragt: ist der Preis vielleicht zu hoch, der damit bezahlt wird?

    van Creveld: Persönlich glaube ich, das eigentlich weder Saddam noch Nordkorea für den Weltfrieden gefährlich sind. Beide sind arme Schlucker, die eigentlich nichts mehr haben und nur noch mit Mühe an ihrer Existenz festhalten.

    Köhler: Das heißt, Sie raten dringend ab von Präventivkriegen dieser Art und dann eher im diplomatischen Bereich wie Joschka Fischer in seiner Nahostreise etwas zu bewirken, obwohl das auch nicht sehr fruchtbar war?

    van Creveld: Ich glaube, dass dieser Krieg gegen Saddam Hussein und sicherlich gegen Nordkorea, wenn er stattfinden wird, eigentlich überflüssig sind, ja.

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