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Übergriffe nach Freispruch für prügelnde Polizisten

Vier weiße Polizisten prügelten so heftig auf Rodney King, den sie wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung stoppten, ein, dass er schwere Verletzungen erlitt. Die Polizisten wurden angeklagt, aber am 29. April 1992 freigesprochen. Das führte in Los Angeles zu heftigen Rassenunruhen mit vielen Toten.

Von Ralf Geißler | 29.04.2012
    Rauchwolken hängen über Los Angeles. Es ist schon später Abend am 29. April 1992. Jugendliche Banden marodieren durch die Stadt, zünden Autos an, zertrümmern Fensterscheiben. In den Armenvierteln im Süden von Los Angeles herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Der ARD-Korrespondent hat so etwas hier noch nie gesehen:

    "Die Polizei ist mit allen verfügbaren Kräften in der Stadt präsent. Nachbarn haben Bürgerwehren gegründet. Junge Männer und Frauen haben sich mit Baseballschlägern, Pistolen und Gewehren hinter Autos und Mülleimern verschanzt, um ihre Stadtviertel vor Plünderungen zu schützen."

    Auslöser der Ausschreitungen ist ein Gerichtsurteil. Am Nachmittag hatte eine Jury vier Polizisten freigesprochen. Sie waren angeklagt, den Afroamerikaner Rodney King bei einer Verkehrskontrolle fast zu Tode geprügelt zu haben. Ein Amateurvideo belegte vor Gericht, wie die Polizisten King mit Schlagstöcken malträtiert hatten. Doch die überwiegend mit Weißen besetzte Jury plädierte auf Freispruch. Empörung über das Urteil auch beim Soziologen Lawrence Balbo:

    "Als das Urteil verkündet wurde, fühlte ich nichts als eine betäubende Mischung von Gefühlen. Ein Teil davon war Ungläubigkeit, ein anderer war Horror, dass das passieren konnte. Und ein Teil war wahnsinnige Wut. Das Urteil symbolisierte für mich, dass der Graben zwischen Schwarzen und Weißen in Bezug auf die bloße Anerkennung grundlegender Menschenrechte viel breiter war, als ich es mir jemals vorstellen konnte."

    Der Freispruch ist für viele ein Schock. Die Polizei von Los Angeles gilt schon lange als brutal und rassistisch. Die weißen Cops haben den Ruf, besonders schnell zu Waffe und Schlagstock zu greifen. Trotzdem bekommen sie die Kriminalität in den armen Vierteln der Stadt nicht in den Griff. Zwei Banden kontrollieren den Drogenschmuggel in Los Angeles: die Bloods und die Crips. Vor allem schwarze Jugendliche schließen sich den Gangs an, denn ihnen fehlt jede Perspektive.

    "- "Wenn einer meiner Freunde hier einen Job hat, dann hat das meist mit Drogenhandel zu tun. Du hast eben nur zwei Möglichkeiten: Drogenhandel oder Räubereien im Ghetto."
    - "Eine Menge Freunde wurden erschossen. Einige meiner Freunde haben auch selbst geschossen."
    - "Die Gangs, die kümmern sich um Dich, wenn sich Deine Familie nicht um Dich kümmert. Weißt Du: Jeder braucht doch etwas Liebe.""

    Es sind Jugendliche wie diese, die nach dem Freispruch für die vier Polizisten in den Straßen marodieren, Autos anzünden und Geschäfte plündern. Wenige Stunden nach dem Urteil gibt es den ersten Toten. US-Präsident George Bush ist entsetzt: Dies seien keine Proteste, sondern ein brutaler Mob.

    Bush schickt Bundestruppen nach Los Angeles. 20.000 Sicherheitskräfte sollen durchgreifen. Nachts gilt eine Ausgangssperre. Im Fernsehen äußert sich auch Rodney King und plädiert für ein Ende der Gewalt:

    "Das ist einfach nicht richtig. Nicht richtig. Leute, geht nach Hause zu euren Familien. Bitte. Wir können doch miteinander auskommen. Wir müssen hier noch zusammenleben."

    Doch die Unruhen dauern vier Tage an. Die Bilanz: mehr als 50 Tote, 7000 Festnahmen und ein Sachschaden von einer Milliarde Dollar. Der Prozess gegen die Polizisten geht in die nächste Instanz. Zwei von ihnen werden doch noch zu Haftstrafen verurteilt. Rodney King erhält eine Entschädigung von 3,8 Millionen Dollar. Doch erledigt ist die Sache damit nicht, sagt damals die Kongressabgeordnete Maxine Waters:

    "Hoffentlich lernen wir, dass etwas furchtbar falsch läuft in Amerika. Nicht nur in Los Angeles, sondern in den meisten amerikanischen Großstädten. Es ist an der Zeit, herauszufinden, welche neuen politischen Wege wir gehen können, um der geteilten Gesellschaft in den USA beizukommen."

    Trotz dieser Mahnung ändert sich wenig. Das Durchschnittseinkommen der Afroamerikaner liegt heute immer noch weit unter dem der weißen Bevölkerung. In Süd-Los-Angeles kontrollieren nach wie vor Jugendbanden den Drogenschmuggel. Und Rodney King hat sein Leben trotz der finanziellen Entschädigung nicht wieder in den Griff bekommen. Mehrfach wurde er unter Drogeneinfluss am Steuer gestoppt. Einmal musste er sogar ins Gefängnis.