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Überhöhung des Profanen

Die Ausstellung "Re-Object" im Kunsthaus Bregenz versammelt Objekte von Damien Hirst, Jeff Koons und Gerhard Merz zusammen mit Schlüsselwerken des Ready-Made-Klassikers Marcel Duchamp. Mit der Schau wird eine Art aktueller Leistungsschau künstlerischer Objekt-Verwendung gestartet, die jenen historisch-ästhetischen Urknall im Licht der Gegenwartskunst spiegelt.

Von Christian Gampert |
    Im Erdgeschoss sind tatsächlich einige Ikonen der neueren Kunstgeschichte zu sehen, allerdings als Repliken, als Nachempfindungen: der dreifach montierte Thonet-Kleiderhaken, den Duchamp sich unter die Decke seines New Yorker Ateliers hängte. Das berühmte Pissoir, "Fountain" genannt; das auf einen Hocker montierte Speichenrad, eine Fahrrad-Felge; dann eine aufgeklappte Theorie-Kiste, Inhalt: Mona Lisa mit Schnurrbart, kubistische Bilder, Skizzen, Notizzettel, Gebrauchsanweisungen.

    Es ist sehr sehr wenig, was von Marcel Duchamp in dieser Bregenzer Ausstellung gelandet ist, und das Museum hat das zu kaschieren versucht, indem es auf riesigen Sperrholzwänden Fotos von Duchamps Atelier offeriert, also: Die Kunst ist eine Baustelle, und das Ready-Made ist der Versuch einer "experimentellen Wahrnehmung", das Bemühen, ein Pissoir wie ein Kunstwerk zu betrachten.

    Was aus diesem Konzept heute geworden ist, das will diese Ausstellung klären. Das kubische Bregenzer Kunsthaus bringt es mit sich, dass man Stock für Stock hinansteigen muss, um die Schau zu erwandern. Nicht immer ist das mit einem Anstieg künstlerischer Qualität verbunden. Das weitaus stärkste auf Duchamp bezogene Werk-Statement gelingt Gerhard Merz in der ersten Etage. Merz, der zu Beginn seiner Karriere noch expressiv malte und sich dann am Konstruktivismus abarbeitete, ist seit Jahren bei radikal reduzierten Konzepten gelandet. Er huldigt dem Ready-Made, dem Vor-Gefundenen, indem er eine ganze Wand mit senkrecht nebeneinandergebauten Leuchtstoffröhren vollpflastert, 395 Stück. Diese blendende, die Augen schmerzende, an Dan Flavin geschulte Installation, die zudem weiträumig Wärme abstrahlt, ist ein eindrucksvolles Manifest, was man mit Alltagsgegenständen anstellen kann, wenn man sie skulptural arrangiert. Die übrigen drei Wände des Stockwerks hat Merz mit so genannten Haar-Bildern bestückt, monochrome, die Farbauftragungen wie Haut hervortreten lassende Bilder, in die einzelne Haare und Haarbüschel als Zeugen organischer Vergänglichkeit integriert sind.

    Der Raum, den Damien Hirst einen Stock höher eingerichtet hat, will uns dagegen einen kühlen Schock verabreichen. Anfang der 90er Jahre hat Hirst mit einem in Formaldehyd schwimmenden Tigerhai einen großen Coup gelandet. Die "FAZ" verstand das voluminöse Tier als Vanitas-Symbol, und in der Tat ist der Hai nach Jahren in der imprägnierenden Soße so angefressen, dass Hirst eine neue Version fertigen musste. Das neue Exemplar ist nun, bevor es in eine New Yorker Privatsammlung geht, in Bregenz zu besichtigen, und auch die übrigen Exponate versprühen den kalten Charme eines Leichenschauhauses: ein wohlgeordneter Medikamentenschrank, chirurgische Folterinstrumente hinter Glas und Edelstahl. Der tote Hai aber ist vor allem ein Eye-Catcher, arrangiert von einem klug kalkulierenden Parteigänger der Eventkultur.

    Dann steigt man noch einen Stock höher, künstlerisch aber ins Souterrain. Denn in dieser dritten Etage führt uns Jeff Koons in seine Micky-Mouse-Welt aus Balloon-Dogs, verchromten Miniatur-Eisenbahnen, großformatigen Edelstahl-Tulpen und aufblasbaren Plastik-Tausendfüßlern. In seinem Frühwerk hat Koons wenigstens noch simple Hoover-Staubsauger in Glas-Vitrinen gestellt und so das Haushaltsgerät provokativ nobilitiert. Jetzt bedient er einen Kosmos des Kitsches, der sich nur noch affirmativ auf die Trivialkultur bezieht. Der Witz seiner glattpolierte Häschen- und Hunde-Skulpturen besteht angeblich darin, dass das Publikum sich darin spiegeln kann. Aber brauchen wir wirklich Koons Arbeiten zu der enorm aufrüttelnden Erkenntnis, dass wir Abziehbilder des Trivialen sind?

    Hirst und Koons haben in Bregenz fast ausschließlich ältere Arbeiten hingestellt. Nur Gerhard Merz hat neu gearbeitet und lässt sich ein auf den sublimen Horror sinnentleerter Objekte. Das überzeugendeste Exponat dieser Ausstellung bleibt allemal Marcel Duchamps Pissoir: Das ist Kunst, mehr haben wir nicht zu sagen. Duchamp fand diesen Gegenstand 1917. Heute sind wir keinen Schritt weiter.