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In Berlin beraten zu dieser Stunde die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburthilfe abschließend über ein Positionspapier, in dem sie eine Reform des Paragraphen 218 fordern. Der Paragraph wurde im Jahr 1995 neu geregelt. Doch die sich ständig fortentwickelnden Verfahren in der vorgeburtlichen Diagnostik und die sich verbessernden Behandlungsmöglichkeiten für kranke Säuglinge oder Frühchen bringen werdende Eltern wie Mediziner in Konflikte, die vor acht Jahren so nicht absehbar waren. Die Ärzte fordern deshalb Änderungen am Gesetz und neue Richtlinien für die Praxis.

Grit Kienzlen |
    In Berlin beraten zu dieser Stunde die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburthilfe abschließend über ein Positionspapier, in dem sie eine Reform des Paragraphen 218 fordern. Der Paragraph wurde im Jahr 1995 neu geregelt. Doch die sich ständig fortentwickelnden Verfahren in der vorgeburtlichen Diagnostik und die sich verbessernden Behandlungsmöglichkeiten für kranke Säuglinge oder Frühchen bringen werdende Eltern wie Mediziner in Konflikte, die vor acht Jahren so nicht absehbar waren. Die Ärzte fordern deshalb Änderungen am Gesetz und neue Richtlinien für die Praxis.

    Es ist einiges schief gelaufen aus Sicht der Ärzte Seit der Neufassung des Paragraphen 218 vor acht Jahren. In der Praxis erleben sie Situationen, die sie als Zumutung für sich als auch für die Schwangeren empfinden. Deshalb muss das Gesetz aus ihrer Sicht nachgebessert werden.

    Was machen wir, wenn jetzt in der 25. Woche eine Patientin kommt, bei der wir schwerwiegende Fehlbildungen festgestellt haben und sie möchte einen Schwangerschaftsabbruch?

    Um diese Fälle geht es für Professor Klaus Diedrich, Chef der Lübecker Frauenklinik und Leiter der Kommission, die das Positionspapier erarbeitet hat. Ein Fötus kann in diesem Alter schon lebensfähig sein, erst recht mit moderner Frühgeborenen-Medizin. Nach dem alten Gesetz war die 22. Schwangerschaftswoche deshalb die Grenze, nach der kein Kind mehr abgetrieben werden durfte, auch kein krankes. Die sogenannte embryopathische Indikation beinhaltete eine Beratungspflicht und vorgeschriebene Bedenkzeit. Doch seit 1995 ist das anders. Da fallen Fehlbildungen, die bei der vorgeburtlichen Diagnostik bemerkt werden unter die mütterlich-medizinische Indikation. Frauen können auch in der 25. Woche noch auf eine Abtreibung bestehen. Klaus Diederich:

    Die Embryopathische Indikation, die gibt es ja nicht mehr, d.h. Fehlbildung am Kind, kann man Schwangerschaft abbrechen – sondern es muss immer den Umweg gehen über die medizinische Indikation, d.h. die Gynäkologen müssen sozusagen belegen, dass die Fehlbildung des Kindes für die Frau bedeutet, dass sie aus psychischen oder auch physischen Gründen die Schwangerschaft nicht mehr fortsetzen kann.

    Bei dieser sogenannten medizinisch-mütterlichen Indikation ist auch der Schwangerschaftsabbruch nach der 22. Woche möglich.

    Und da kommt es eben oft zu Situationen, die sehr ungünstig sind, dass man Schwangerschaften abbricht, wo im Grunde ein lebensfähiges Kind zu erwarten ist. Das ist für die Frau eine Katastrophe, aber auch für die beteiligten Frauenärzte.

    Deshalb wünschen sich die Ärzte das Recht, die Spätabtreibung zu verweigern, falls der Grund dafür nur die Fehlbildung des Kindes, nicht aber eine Gefahr für das Leben der Mutter ist.

    Außerdem fordern sie, dass die Schwangere sich auch vor einer Spätabtreibung eine Bedenkzeit nehmen muss, genau wie bei der Abtreibung aufgrund eine psychosozialen Notlage.

    Und schließlich wollen die Frauenärzte zurückkehren zur 22. Schwangerschaftswoche als der zeitlichen Grenze, bis zu der ein Schwangerschaftsabbruch möglich ist. Denn wenn das Kind bereits überleben kann, dann unterscheidet sich aus ihrer Sicht sein Anspruch auf Lebensschutz nicht von dem eines geborenen Kindes. Unzumutbar findet der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburthilfe auch ein Urteil des Bundesgerichtshof vom vergangenen Jahr

    Es gibt ja diese schreckliche Urteil: Kind als Schaden, wo also ein Kind in der Schwangerschaft nicht diagnostiziert wurde, dass es keine Arme und Beine hat

    Der Arzt musste Schadensersatz leisten für die Kosten, die den Eltern durch die nicht diagnostizierte Behinderung ihres Kindes entstanden waren. Das behinderte Kind wurde zum Schadensfall erklärt. Dieses Urteil ,meinen die Gynäkologen, könne dazu führen, dass Ärzte wenn sie im Zweifel sind, ob der Fötus, den sie untersuchen gesund ist, lieber den Schwangerschaftsabbruch empfehlen. Die wichtigste Folgerung im Zusammenhang mit dem Urteil ist für Diedrich aber

    dass man zu einer Qualitätsverbesserung der PND kommen sollte, d.h. eben auch, dass man die Qualität des Ultraschalls verbessern sollte und der Schwangeren zumindest anbieten sollte, einmal in der Schwangerschaft auch einen Ultraschall in einem Zentrum zu machen, sei es in einer Uniklinik oder an einem niedergelassenen Zentrum. Zumindest anbieten. Das ist also auch ein wichtiger Punkt um zum einen die Fehldiagnosen zu reduzieren und zum anderen auch Fehlbildungen, die schwerwiegend sind, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erkennen.

    Überhaupt soll die Beratung besser werden. Wer weiß, dass er sein Kind auf jeden Fall austrägt, braucht keinen Ultraschall. Und wer beim Ultraschall erfährt, dass das Kind fehlgebildet ist, sollte umfassend informiert werden, wie dem Kind noch während der Schwangerschaft oder gleich nach der Geburt geholfen werden kann. Die Ärzte wünschen sich, dass eine diagnostizierte Fehlbildung bei den Eltern nicht automatisch den Gedanken an einem Abbruch aufkommen lässt. Dahin zielt ihr Positionspapier.