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Überleben in der Freiheit

Großtrappen gehören zu den schwersten flugfähigen Vögeln der Welt. In Deutschland leben noch etwa 100 dieser großen Tiere, allesamt in drei Gebieten Brandenburgs und Sachsen-Anhalts. Vor 20 Jahren galten die Großtrappen hierzulande schon als fast ausgestorben. Aber die Bestände wachsen wieder - dank der Bemühungen der brandenburgischen Landesregierung.

Von Annette Schneider-Solis |
    Neugierig kommt Langbart näher. Der fast schwanengroße braune Vogel wurde in der Vogelschutzwarte Buckow aufgezogen und ist zu sehr an den Menschen gewöhnt, um in der Wildnis leben zu können. Jetzt ist er Lockvogel für seine Artgenossen, die im vergangenen Frühjahr ins Fiener Bruch kamen und ans Überleben in der Freiheit gewöhnt werden, erklärt Thomas Bich vom Förderverein für Großtrappenschutz:

    "Wir haben jetzt im Fiener Bruch zwei solcher eingezäunten Bereiche, die Auswilderungstrappen kommen also im Alter von sechs Wochen zu uns, werden praktisch in diese Gehege eingesetzt und sind dann auch schon flugfähig und werden dann langsam, aber sicher wieder vom Menschen entwöhnt, lernen natürlich wieder in der Gruppe, gemeinsame Ausflüge zu machen, sie fliegen aus, erkunden ihre Landschaft, ihre Umgebung, kontaktieren dann das erste Mal mit den Wildtrappen und werden natürlich von Zeit zu Zeit immer selbständiger."

    Auf allen Vieren kriecht Sabine Engerer mit dem Futtereimer ins Gehege. Die Großvögel dürfen auf keinen Fall Zweibeiner mit Futter assoziieren. In der Vergangenheit waren Auswilderungen genau daran gescheitert. Spätestens im Winter hatten die Vögel bei den Menschen nach Nahrung gesucht. Diese Fehler werden bei den heutigen Projekten vermieden. Die Futterrationen werden immer kleiner, die Vögel sind schon bald gezwungen, selbst nach Nahrung zu suchen. Die Furcht vor natürlichen Feinden haben die Tiere im Blut, berichtet Sabine Engerer:

    "Wenn irgendwo ein Greifvogel am Himmel ist, den sie nicht so richtig orten können, also die drücken sich sofort und sind platt und verschwunden. Und alles, was von Menschen ausgeht, also Strom, Energiemasten, Windkraftanlagen oder auch ICE-Strecken - da sind alle Tiere gefährdet, nicht nur die Großtrappe."

    Fast täglich hält Sabine Engerer mit dem Fernglas Ausschau nach den Großtrappen. Eines der Tiere verendete bald nach seiner Ankunft, es war offenbar krank. Die anderen Tiere schlossen sich den freilebenden Trappen an, suchten die Nähe der drei Lockvögel. Sie entwickelten sich gut. Bis zu jenem schicksalshaften Tag im Herbst 2004.

    "Am 17. Oktober waren es noch 12 von 15 Auswilderungstrappen, und da gab das eben an dem Tag durch eine Ursache, die wir nicht mehr ganz genau nachvollziehen können, also wir vermuten Crosser oder Hubschrauber, die die Trappen so erschreckt haben, dass sie in alle Himmelsrichtungen davongeflogen sind und wir dann ziemliche Mühe hatten, sie dann wieder zusammenzusammeln. Gottseidank waren ja welche mit Sender ausgestattet, es waren aber auch welche, die wir noch ein, zwei Tage später im Fiener gesehen haben, die sich nicht wieder haben einfangen lassen."

    Doch Verluste mussten eingeplant werden. Ein Drittel der ausgesetzten Tiere, also fünf, hatten die Mitglieder des Fördervereins gehofft durchzubekommen. Jetzt leben noch sechs im Fiener Bruch, die anderen starben in Hochspannungsleitungen oder fielen dem Fuchs zum Opfer. Eine der Trappen aus dem Jerichower Land wurde über ihren Sender in Frankreich geortet, weiß Thomas Bich.

    "Wir wollen mal sehen, was passiert. Derzeit hat sie noch keine Anbindung. In Frankreich gibt es derzeit keine Trappenpopulation, erst wieder in Spanien. Sollte es die Henne schaffen, die Pyrenäen zu überfliegen, wäre es ziemlich einmalig, weil wir dadurch ganz einfach nachweisen können, dass ein Genaustausch zwischen diesen Beständen und Populationen möglich ist. "

    Mit dem Winter haben die Trappen im Fiener Bruch ihren härtesten Test bestanden. Die sechs Jungtiere verstärken den Bestand der 13 freilebenden Tieren. Die älteren Hennen brüten zur Zeit. Leider nicht im Gehege, bedauert Thomas Bich:

    "Es wäre natürlich unser Wunsch, dass die Hennen in diesen eingezäunten Bereichen irgendwann mal brüten, ganz einfach weil wir sie vor den lauernden Gefahren etwas beschützen können, das heißt also, sie sind a den landwirtschaftlichen Maschinen nicht mehr so ausgesetzt und b auch vielen Bodenprädatoren, z. B. dem Fuchs oder auch Marderartigen nicht mehr so ausgesetzt, das heißt also, sie hätten eine wesentlich höhere Chance, hier den Gehegen ihre Gelege zu bebrüten und ihre Küken zu führen. Das ist derzeit noch nicht der Fall, da muss man auf die Zukunft hoffen. Wobei ich sagen muss, diese eingezäunten Bereiche sind auch nur als Überbrückungshilfe gedacht, das kann nicht Anliegen des Naturschutzes oder des Artenschutzes sein, dass wir heutzutage Bereiche einzäunen müssen, wir brauchen gute und funktionierende Lebensräume, wir müssen mit der Landwirtschaft Hand in Handarbeiten, damit wir diese Lebensräume entsprechend gestalten. Aber dass es möglich ist, das können Sie hier sehen, denn wir dürften hier in Mitteldeutschland eine der ganz, ganz wenigen stellen sein, wo man Trappen noch frei fliegen sehen kann."