Archiv


Überlebenshilfe für grönländische Eiderenten

Seit Jahrhunderten jagen die Inuit die Tiere Grönlands. Früher mit Speeren und vom Kajak aus, inzwischen aber mit Gewehren und modernen Schnellbooten, die den Cops von Miami Vice Ehre machten. Die Folgen sind klar: Tierarten drohen zu verschwinden, weil sie hoffnungslos überjagt werden. Um den Tieren eine Chance zu geben, versuchen derzeit die Wildbiologen des Grönländischen Instituts für Naturressourcen in der Hauptstadt Nuuk zu retten, was zu retten ist. Eines der wichtigsten Ziele: die Eiderenten.

Von Dagmar Roehrlich |
    Die Inuit sind Jäger - seit Jahrtausenden. Bevor es Supermärkte gab und Bürojobs, mussten sie in ihrem harten Lebensraum alles jagen, was ihnen vor den Speer kam. Inzwischen gibt es nicht nur Supermärkte, sondern auch moderne Waffen - aber auf die Jagd geht man noch so wie früher. Es wird alles geschossen, was man erwischen kann - jetzt mit fast hundertprozentiger Trefferquote. Inzwischen sind deshalb nicht nur fast alle Meeressäuger, sondern auch mehrere Seevogelarten bedroht. Unter anderem betrifft das die Eiderenten. Das Brut- und Zugverhalten dieses Vogels ist weitgehend unbekannt. Flemming Merkel vom Grönländischen Institut für Naturressourcen:

    Wir haben nur wenige Daten, die über die fünf Jahre, die unser Projekt jetzt läuft, hinausgehen. Es gibt noch einige Daten der Daunenindustrie, die es früher einmal hier gegeben hat. Damals wurden 110.000 Brutpaare in Grönland gezählt. Inzwischen sind es nur noch zehn- bis zwanzigtausend.

    In jedem Jahr werden 70.000 Eiderenten in Grönland geschossen. Die Zahlen, so erklärt der Wildbiologe, sind bedrohlich. Normalerweise erwischen die Jäger die Jungvögel: rund 70 Prozent der erlegten Tiere sind jünger als zwei Jahre. Da unter den Jungvögeln die natürliche Sterblichkeit sehr hoch ist, ist die bevorzugte Jagd der Jungtiere im Prinzip gut. Aber - irgendwann überaltern die Kolonien: Zu alte Paare brüten seltner erfolgreich oder gar nicht mehr, und die Kolonien sterben langsam aus. In einigen Regionen ist das schon passiert, in anderen ist diese Entwicklung abzusehen.

    Um das Verhalten der Eiderenten zu erforschen, laufen derzeit verschiedene Studien. Unter anderem sind vor zwei Jahren einigen Tiere Satellitensender implantiert worden. Konzentriert haben sich die Forscher dabei auf Südwestgrönland, genauer, die Region um die Hauptstadt Nuuk. Hier leben 13.500 Menschen - eine ungewöhnlich hohe Konzentration für das arktische Grönland. Mit den Implantaten will man die Wanderungswege beobachten und feststellen, ob die Vögel dem Jagddruck ausweichen können.

    Während der Brutzeit sind die Eiderenten sehr standorttreu und reagieren deshalb empfindlich auf Störungen. Aber wir wissen nicht, ob das auch für ihr Verhalten während des Winters gilt. Können Sie also in andere Quartiere ausweichen, wenn sie in einem zu sehr bejagt werden?

    Inzwischen liegen die ersten Ergebnisse vor: Obwohl in den Brutgebieten Süd- und Südwestgrönlands das Wasser während des ganzen Winters offen bleibt und die Vögel genauso gut dort bleiben könnten, verbringen alle markierten Vögel den Winter in Kanada. Anscheinend können sie dann auf den immensen Jagddruck der Grönländer reagieren: Sie suchen im Winter ruhigere Gefilde auf, wo sie weniger unter Beschuss genommen werden. Anders im Sommer. In der Brutsaison sind die Tiere standorttreu und können anscheinend nicht ausweichen. Es ist also die sehr beliebte Sommerjagd, die de Bestände in Gefahr bringt.

    Angesichts der alarmierenden Abnahme der Eiderenten hoffen die Wildbiologen, dass sie Änderungen im Jagdgesetz durchsetzen können. Die Schutzzeiten zur Brutsaison sollen ausgedehnt und die Zahl der geschossenen Tiere begrenzt werden. Auch andere grönländische Vögel sind massiv bedroht. Etliche Kolonien der Krabbentaucher sind bereits verschwunden, andere stark dezimiert. Und es trifft die wichtigsten, weil größten Kolonien. Bei den Dickschnabellummen sieht es ähnlich aus. Ihr Bestand nimmt seit den 70er Jahren dramatisch ab. Jedes Mal ist es die Sommerjagd, die die tiefen Einschnitte verursacht. Bald, so fürchten die Wildbiologen, wird das Tierparadies Grönland der Vergangenheit angehören.