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Überraschend undurchlässig

Biologie. – Die Natur ist eine bislang ungeschlagene Meisterin der Materialwissenschaft. Was der Mensch mit großem technischen Aufwand und mit viel Energie versucht, gelingt ihr mit bescheidenen Mitteln und sparsamster Ressourcenverwendung. Jetzt haben Mikrobiologen entdeckt, dass bescheidene Abwasserbakterien eine für die meisten Chemikalien undurchdringliche Membran bauen können – deren Bausteine obendrein noch ein viel versprechendes Material für die Optoelektronik sind. In "Nature" berichten die Forscher davon.

    Mit hauchdünnen Schichten schützen sich Zellen vor der Umwelt. Im wesentlichen ist es eine Doppelschicht aus fettähnlichen Lipiden, die die nötige Abgrenzung vornimmt. In Bakterien aus dem Abwasser haben Mikrobiologen von der Katholischen Universität Nimwegen jetzt jedoch ganz spezielle Membranen gefunden. Die Bakterien beziehen ihre Lebensenergie aus der Verarbeitung der Stickstoff-Wasserstoff-Verbindung Ammonium zu gasförmigem Stickstoff. Das geschieht quasi hinter den Wänden eines bakteriellen Hochsicherheitslabors, denn die Zwischenprodukte dieses Verarbeitungsprozesses – etwa das als Raketentreibstoff eingesetzte Hydrazin - sind hochgiftig. Daher haben die Bakterien des Stammes Brocadia anammoxidans undurchlässige Membranen entwickelt, die die Ammonium-Umsetzung innerhalb der Zelle abschirmen.

    Zentraler Baustein dieser Membranen sind so genannte Ladderane, Lipide, die einen Bestandteil haben, der wie ganz dicht gepackte Treppen aussieht. Mike Jetten erklärt: "Wir haben lange gebraucht, um die chemische Struktur zu entziffern, weil sie so bizarr ist, dass kein Chemiker glaubte, dass ein lebendiger Organismus so etwas herstellen könnte." Diese Membranen sind sehr dicht gepackt und ihre Bausteine sind nicht flexibel. Wie eine Panzerwand umgeben sie die Ammonium-Verarbeitung und verhindern das Eindringen der giftigen Zwischenprodukte in das Zellinnere.

    Die besonders große Rigidität der Lipide macht sie auch für eine technische Anwendung interessant, denn die Forscher, die sich mit der Optoelektronik, der Informationsübermittlung und -verarbeitung mit Hilfe von Lichtwellen beschäftigen, suchen genau nach solchen winzigen aber extrem dicht und gleichmäßig geformten Molekülen. Um mit Hilfe des Lichts Informationen zu übertragen, braucht man Lichtsender und Lichtempfänger, deren molekularer Aufbau exakt gleich ist. Die Abstände zwischen den Molekülen müssen immer identisch sein – und sie dürfen nicht flexibel reagieren. Genau diese Eigenschaften erfüllen die Ladderane. Die Forscher der Universität Nimwegen haben bereits die ersten Ladungen Bakteriensuspension in die Labors von Elektronikfirmen geliefert.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]