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Überraschende Detonation

Technik. - Wasserstoff gilt als eine umweltfreundliche Möglichkeit, Schadstoffemissionen zu senken. Doch das Gas ist hochexplosiv und muss sicher in Tanks verstaut werden. Welche Gefahren von solchen Speichern drohen, erörtern Fachleute derzeit im spanischen San Sebastian.

Von Frank Grotelüschen |
    Ein Linienbus des Hamburger Verkehrsverbundes. Rein äußerlich sieht er aus wie ein ganz normaler Bus. Dann aber steuert er die Tankstelle an. Und statt Diesel tankt der Fahrer Wasserstoffgas. Der Bus gehört zu einer kleinen Flotte von Testfahrzeugen, mit der Fachleute im Rahmen eines EU-Projekts herausfinden wollen, wie alltagstauglich die Wasserstofftechnologie heute ist. Offene Fragen gibt es so einige – zum Beispiel in punkto Wirtschaftlichkeit, aber auch bei der Sicherheit. Denn:

    "Wasserstoff ist ein Gas, das brennen kann, ähnlich wie Erdgas. Was es gegenüber dem Erdgas auszeichnet, ist eine relativ hohe Brenngeschwindigkeit, die im schlimmsten Fall in Detonationen resultieren kann,"

    sagt Thomas Jordan vom Forschungszentrum Karlsruhe. Er koordiniert das europäische Netzwerk für Wasserstoffsicherheit, HySafe genannt. Aufgrund seiner geringen Dichte wird Wasserstoff entweder tiefgekühlt in Flüssiggastanks gespeichert oder aber in Hochdrucktanks, komprimiert auf bis zu 700 bar. Schlägt so ein Tank leck, etwa bei einem Unfall, strömt das Gas mit hohem Druck aus dem Tank heraus. Geschieht das im Freien, ist das relativ ungefährlich. Denn Wasserstoff ist viel leichter als Luft und entfleucht rasch nach oben. Anders, wenn der Unfall in einem Tunnel passiert.

    "Ein Unfall eines wasserstoffbetriebenen Fahrzeugs in einem Tunnel könnte, da sich der Wasserstoff hier nicht verflüchtigen kann, zu einem etwas schlimmeren Unfall führen."

    Der Wasserstoff kann mit dem Luftsauerstoff ein explosives Gemisch bilden. Und bereits der kleinste Funke würde genügen, um dieses Gemisch hochgehen zu lassen. Doch wie groß ist dieses Risiko? Um das herauszufinden, haben Jordan und seine Kollegen gezielt mit Wasserstoff gezündelt – und zwar in einer fünf Meter langen Tunnelattrappe.

    "Wir haben am Forschungszentrum Karlsruhe europäisch einzigartige Experimentiereinrichtungen dafür. Das sind Sicherheitsbehälter mit 120 Kubikmeter Volumen, in denen wir solche heftigen Ereignisse durchführen können, ohne die Umgebung zu gefährden. Wir hatten eine Decke eines Tunnels nachgebildet und hatten Wasserstoff-Luft-Gemische in diese Deckennachbildung eingefüllt. Und wir haben es dann an dem einen Ende gezündet. Zündquellen finden sich immer in solchen Unfallszenarien."

    Bei welchen Konzentrationen von Wasserstoff rummst es? Um diese Frage zu klären, gingen Jordan und seine Kollegen bis zum äußersten.

    "Im letzten Experiment haben wir dann tatsächlich eine Detonation erreicht. Die hat dazu geführt, dass diese Experimentiereinrichtung zerstört wurde."

    Durchaus eine Überraschung für die Fachwelt. Denn viele Experten hatten es für unwahrscheinlich gehalten, dass sich Wasserstoff nach einem Unfall in einem Tunnel so stark anreichern könnte, dass er detoniert. Allerdings drohen solche Detonationen längst nicht in jedem Tunnel.

    "In Tunnels, wo wir eine glatte Decke haben, ist mit keinen schlimmen Bränden zu rechnen. Wenn allerdings die Tunnelgeometrie an der Decke sehr zerklüftet ist, muss man noch mal genauer hinschauen, um schlimmere Unfälle zu verhindern."

    Will heißen: Lampen und Ventilatoren, die an der Tunneldecke hängen, oder Stahlträger, die aus der Decke herausragen, bilden unter Umständen Hindernisse für den Wasserstoff. Er kann nicht mehr wegströmen und kann sich vor den Hindernissen verdichten – bis hin zu einer Konzentration, die explosiv ist.

    "Ventilatoren können sogar schlimmere Folgen haben, da sie die Gasgemische, die sich an der Decke bilden können, verwirbeln. Und diese Verwirbelung ist negativ."

    Dennoch: Thomas Jordan hält die Risiken für beherrschbar. Er glaubt, dass sich Tunnel mit vertretbarem Aufwand sicher machen lassen. So muss man darauf achten, dass Lampen nicht so an der Tunneldecke angeordnet sind, dass sie zu Wasserstofffallen werden, und dass Ventilatoren den Wasserstoff nicht so verwirbeln, dass er sich an manchen Stellen zu stark konzentriert. Und die Wasserstoffbusse in Hamburg? Sie schickt man vorerst nicht durch den Elbtunnel. Denn bevor nicht die letzten Details geklärt sind, geht man in Hamburg wie auch anderswo lieber auf Nummer Sicher.