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Überraschende Winzlinge

Technik. – In Wiesbaden fand jetzt die 7. Internationale Konferenz zu nanostrukturierten Materialien statt. Ein Thema war der Nano-Effekt, die Unterschiede in den Eigenschaften zwischen Materialien im Nano- und denselben im Normalmaßstab.

    Keramik wird elastisch, Gold wird rot und Silber gelb, Metalle werden zu Halbleitern - wunderbar ist die Welt der Nanoteilchen, findet Professor Günther Schmid vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Duisburg-Essen:

    Was wir die letzten 10, 20 Jahre gefunden haben, sind einfach neuartige, wunderschöne, interessante physikalische und chemische Effekte, die mit der Verkleinerung von Materie zu tun haben. Wenn Materie, egal welcher Art, eine bestimmte kritische Größenordnung unterschreitet, treten spontan neue Eigenschaften auf. Das gilt auch für Flüssigkeiten, für Wasser genauso wie für ein Metall oder ein Nichtmetall. Und das ist das, was man als Nano-Effekt bezeichnet.

    Dieser Nano-Effekt verhindert zum Beispiel, dass jeden Winter alle Häuser zerbrechen: Weil das in Beton und Ziegeln eingeschlossene Wasser Nano-Tröpfchen bildet. Und die gefrieren nicht bei Null, sondern erst bei - 60°C. Für Günther Schmid ist genau diese Erforschung neuer Materialeigenschaften eine der Hauptaufgaben der Nano-Wissenschaften. Die zweite Hauptaufgabe sieht er in der Nano-Biotechnologie: Durch die Kombination biologischer Materialien mit anderen Substanzen ergeben sich eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, etwa für die Medizintechnik. Der dritte wichtige Bereich der Nano-Forschung betrifft die Mikroelektronik. Schmid:

    Siliziumtechnologie wird, ich sag mal großzügig, in 20 Jahren, 30 Jahren nicht mehr weiter verfeinert werden können. Was daran liegt, dass Silizium, das ist ein Physikalischer Effekt, wenn es immer kleiner wird, nicht mehr als Transistor arbeiten kann. Es wird zum Nichtleiter.

    Und auch Kupfer macht Probleme: Denn es taugt nicht mehr als Leiter. Genau mit diesem Problem setzt sich Georg Düsberg bei Infineon auseinander. Er und seine Kollegen versuchen, die Kupfer-Leiterbahnen auf Mikrochips durch kleine Kohlenstoff-Röhrchen, so genannte Nanotubes zu ersetzen. Düsberg:

    Man strukturiert Chips mit Lithographie, und ganz im unteren Level liegen die Transistoren, die eben durch Leiterbahnen verbunden werden müssen, und da versuchen wir die Nanotubes hinzubringen. Ganz gezielt. In unserem Fall machen wir es so, dass wir die Nanotubes direkt an Ort und Stelle aufwachsen wollen.

    Dazu benutzen Düsberg und Mitarbeiter Katalysatorpartikel, die wie Samen auf den Transistor gelegt werden. Und aus denen wächst dann, wie der Keim einer Pflanze, das Kohlenstoffröhrchen. Zwei wichtige Probleme müssen die Forscher allerdings noch lösen. Zum einen sollen die Nanotubes ja nicht einfach nur in der Gegend herumwachsen, sondern Bauteile sinnvoll verbinden. Zum andern leiten nicht alle Nanotubes so gut: Manche von ihnen wachsen auch als Nichtleiter oder als Halbleiter.

    Bei der Firma Seagate in Pittsburgh, USA, denkt man derweil darüber nach, wie weit sich die Speicherdichte auf Festplatten erhöhen lässt. Etwa dadurch, die Zellen, in denen die einzelnen bits abgelegt werden, zu verkleinern. 80 bis 100 magnetische Körner bilden heute eine solche Speicherzelle. Da ist es naheliegend, einfach weniger Körner pro Zelle zu nehmen - im Extremfall sogar nur ein einziges.

    Aber wenn man ein Korn pro bit benutzen will, muss man die Berandung des Korns sehr genau definieren können.

    Beschreibt der Seagate-Wissenschaftler Dieter Weller das Problem. Schließlich nützt die kleinste Speicherzelle nichts, wenn sie nicht mehr ordentlich geschrieben oder ausgelesen werden kann. Um die Zellgrenzen so genau festlegen zu können, müssen völlig neue Produktionstechniken her: Zum Beispiel könnten die Platten geätzt werden, fast wie Mikrochips.

    Und dann ist da noch die Frage der Langzeitstabilität: Je kleiner die Speicherzellen werden, desto leichter verlieren sie ihre Magnetisierung und damit die gespeicherte Information. Abhilfe sollen hier "magnetisch harte" Materialien schaffen. Weller:

    Die man dann aber mit konventioneller Kopftechnologie überhaupt nicht mehr schreiben kann. Und dann muss man temporär aufheizen und in Gegenwart eines magnetischen Feldes abkühlen.

    Bis dieser Aufwand wirklich nötig wird, sollte es allerdings noch eine ganze Weile dauern: Ein Terabit pro Quadratzoll - heute üblich sind bis zu 80 Gigabit - sollte, meint Dieter Weller, auch mit konventionelleren Techniken noch machbar sein.