Fischer: Wie haben Sie was herausgefunden?
Hess: Zum einen haben wir durch Vergleiche mit spätgotischen Tischen - es gibt ja eine ganze Reihe von bemalten Tischplatten - dann belegen können, dass es sich tatsächlich um ein Gemälde handelt, um ein rahmenloses, beziehungsweise um eines nur mit einem gemalten Rahmen, was ungewöhnlich ist, und dann durch die weiterführende Untersuchung mit Infrarotreflektorgraphie, mit Röntgenbild, wie der Malprozess bei dieser Tafel abgelaufen ist. Dort gab es die überraschende Entdeckung, dass es eben keine Händescheidung gibt zwischen entwerfendem Meister Altdorfer und ausführender Werkstatt, sondern dass es ein Werk aus einem Guss ist.
Fischer: Was sehen wir auf dieser Platte? Worum geht es? Es handelt sich ja einerseits um eine Motivik, die nicht unüblich ist, andererseits um ein sehr dramatisches Gemälde.
Hess: Wir sehen diese historische Schlacht Karl des Großen gegen die Awaren vor den Toren Regensburgs. Das ist die Gründungslegende des dortigen schottischen Klosters, eine sehr beliebte Darstellung, die immer wieder als Herrscherallegorie benutzte wurde, weil jeder Kaiser sich gerne in die Nachfolge Karl des Großen gestellt hat. Wir sehen eigentlich eine sehr moderne Schlacht, die nämlich eben den Kampf nicht mehr als ritterliche Tugend zeigt, sondern als ein Massenabschlachten, eine Form, die wir eigentlich erst seit dem 30-jährigen Krieg kennen, die aber Altdorfer als Zeitzeuge der maximilianschen Kriege hier in einer ganz neuen Art zeigt. Und damit ist die Tafel auch sehr aktuell.
Fischer: Wie selten oder häufig sind denn die Fälle, in denen ein Gemälde aus der Altdorfer Werkstätte umgewidmet werden muss, oder eventuell auch anders rum?
Hess: Das ist immer die Frage. Die Forschung schreitet fort, jede Generation stellt neue Fragen, kommt zu neuen Ergebnissen. Das Spannende hier ist, dass es nicht irgendein Altdorfer Gemälde ist, es ist das Schlachtgemälde, der Wegbereiter für sein großes, eigentlich bedeutendstes Werk, für die Alexanderschlacht in München, die er 1529 gemalt hat. Und es ist ein sehr persönliches Werk von ihm. Er war nicht nur der Maler, sonder auch Mitauftraggeber. Er saß damals schon im Rat der Stadt Regensburg. Wir kriegen Altdorfer hier auf eine sehr persönliche, auf eine einzigartige Weise zu fassen. Das ist das eigentlich Spannende an dieser Neubewertung.
Fischer: Ihr Generaldirektor hat die Gelegenheit zum Anlass genommen, auf den Rang des germanischen Nationalmuseums in der deutschen Forschungslandschaft hinzuweisen und gefordert, diese Potenzial müsse auch angesichts der Kürzungsbeschlüsse der Bundesregierung bewahrt bleiben. Kann es sein, dass der Altdorfer sozusagen als Zugpferd für den Besuch der Kulturstaatsministerin am Montag herhalten muss?
Hess: Gut, der Altdorferfund kommt für uns natürlich zu einer nicht ganz ungelegen Zeit. Es ist in der Tat so, dass das Germanische Nationalmuseum in letzter Zeit durch ein paar Aufsehen erregende Entdeckungen als Forschungsinstitut, als lebendiges Institut aufgefallen ist. Wenn das den Bund dazu bewegt, auch einem Forschungsantrag nachzukommen, dann freut uns das. Ich hoffe allerdings nicht, dass es dazu instrumentalisiert wird, aber man kann mit einer Leistungsschau aufwarten, die sich sehen lassen kann.