Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Überraschender Nutzen

Umwelt. - Ein ursprünglicher Regenwald erfüllt viele wichtige ökologische Funktionen: Er speichert zum Beispiel das Klimagas CO2, reguliert den Wasserhaushalt und hält Nährstoffzyklen aufrecht. In Brasilien und Kongo gibt es noch große zusammenhängende Waldflächen. In vielen anderen Ländern stehen aber nur noch spärliche Reste. Zum Beispiel in Kenia. Forscher zeigten jetzt am Beispiel des Kakamega-Regenwaldes, dass auch solche Waldfragmente wichtige Ökosystemfunktionen erfüllen können. Deshalb sollten auch sie geschützt werden.

Von Carina Frey | 16.12.2011
    Drei Prozent stehen noch: Drei Prozent des Regenwaldes, der einst Kenia bedeckte. Dieser Rest ähnelt einem Flickenteppich. Deutsche und kenianische Wissenschaftler wollten wissen, ob solche fragmentierten Wälder noch funktionsfähig sind. Im Rahmen des BIOTA-Ostafrika-Projektes untersuchten sie neun Jahre lang den Kakamega-Regenwald im Westen Kenias. Er gehört zu den größten Regenwäldern des Landes, ist aber im vergangenen Jahrhundert um mehr als die Hälfte seiner Fläche geschrumpft. Heute teilt er sich in einen Hauptwald und sechs Fragmente auf. Dazwischen liegen Zuckerrohr- und Maisfelder. Obwohl der Wald unter Schutz steht, werden von der Bevölkerung immer wieder vereinzelt Bäume gefällt. Die Forscher versuchten herauszufinden, ob der Kakamega-Regenwald trotzdem seine Ökosystemfunktionen erfüllt. Sie hatten...

    "... nach Ökosystemfunktionen gesucht, die von Tieren vermittelt werden und dann einen repräsentativen Ausschnitt solcher Funktionen ausgewählt, die letztlich ein Maß dafür sind wie funktionsfähig der Kakamega-Regenwald noch ist","

    sagt Matthias Schleuning vom Biodiversitäts- und Klimaforschungszentrum in Frankfurt am Main. Die Forscher untersuchten Samenfraß und Samenausbreitung, Bestäubung, Raubzüge von Treiberameisen und den Insektenfraß von Ameisenvögeln. Um beispielsweise zu messen, wie schnell Blätter zersetzt werden, legten sie abgewogene Streuproben aus. Nach drei Monaten notierten sie das verbliebene Gewicht. Durch solche Experimente fanden sie heraus:

    ""Fragmentierung hatte relativ schwache Effekte auf Ökosystemfunktionen. Während der selektive Holzeinschlag drei von sechs Ökosystemfunktionen beeinflusste."

    In den fragmentierten Waldstücken wurden Blätter schneller zersetzt als im Hauptwald. Dafür fraßen die Ameisenvögel in den Waldinseln weniger Insekten. In Gebieten mit selektivem Holzschlag zeigten sich leicht positive Effekte: Bestäubung, Samenausbreitung und die Raubzüge der Treiberameisen nahmen zu.

    "Beim Holzeinschlag waren wir überrascht von den Ergebnissen, weil wir gedacht hatten, menschliche Störung führt eher zu einer Verminderung der Ökosystemfunktionen. Das war in keiner der Funktionen der Fall","

    sagt Matthias Schleuning. Die Forscher wollten wissen, ob die Veränderungen der Ökosystemfunktionen direkt mit den menschlichen Eingriffen zusammenhängen. Oder ob Fragmentierung und Holzeinschlag die Biodiversität verändern und es deshalb zu den beobachteten Effekten kommt. Sie schauten sich daher an, welche Tiergruppen für die jeweilige Ökosystemfunktion wichtig sind. Dann ermittelten sie die Artenzahlen und die Zusammensetzung der Artengemeinschaften. Sie fanden heraus, dass das Fällen einzelner Bäume keinen Einfluss auf die Biodiversität hatte. Die Fragmentierung führte dagegen dazu, dass sich fünf der sechs untersuchten Tiergemeinschaften veränderten. Das hatten die Forscher erwartet. Sie überraschte aber, dass nur...

    ""... in einer der sechs Funktionen das dazu führte, dass die Ökosystemfunktion gestört war oder vermindert war. Das war der Fall bei den Ameisenvögeln. Was daran lag, dass bestimmte Ameisenvogelarten in den kleinen Fragmenten nicht mehr überleben konnten und damit auch die Ökosystemfunktion gestört war. In allen anderen Ökosystemfunktionen blieben diese Funktionen konstant. In einem Fall kam es sogar zu einer leichten Zunahme, im Fall der Zersetzungsprozesse."

    Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass in den fragmentierten Wäldern unter den verschiedenen Laubstreubewohnern mehr Asseln lebten als im Hauptwald. Die bauen das Streu schneller ab. In den Waldfragmenten veränderte sich also die Biodiversität. Und das hatte Einfluss auf die Ökosystemfunktionen. Das Fällen einzelner Bäume führte dagegen direkt zu mehr Bestäubung, einer stärkeren Samenausbreitung und zu mehr Raubzügen der Treiberameisen. Die Forscher vermuten, dass die Tiere ihre Bewegungsmuster an die veränderten Umweltbedingungen anpassten. Insgesamt steht der Kakamega-Regenwald recht gut da.

    ""Das Fazit unserer Studie ist, dass auch kleine Waldinseln tropischer Regenwälder funktionsfähig sind und ökologisch wertvoll sind. Das gilt, obwohl wir deutliche Veränderungen in den Artengemeinschaften dieser Wälder gefunden haben. Denn auch diese veränderten Artengemeinschaften sind in der Lage, wichtige Ökosystemfunktionen aufrechtzuerhalten","

    sagt Biologe Schleuning. Das Ergebnis bedeute aber keinesfalls, dass Regenwälder mit gutem Gewissen gefällt werden dürfen. Denn andere Ökosystemfunktionen können durch eine Fragmentierung sehr wohl gestört werden. Studien aus Brasilien zeigen zum Beispiel, dass Waldinseln zur Isolation von Organismen führen können. Da die Tiere Freiflächen nicht überwinden, fehlt der genetische Austausch. Fragmentierte Wälder speichern außerdem weniger CO2. Das sind nur zwei Gründe, warum zusammenhängende Regenwaldgebiete unbedingt geschützt werden müssen.