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Überraschendes Licht vom Rande der Welt

Astronomie. - Mit fast 4000 Teilnehmern findet der größte Kongress der Astrowissenschaften derzeit in Bremen statt. ist eine Art Supermarkt der Forschung, in dem es Neuigkeiten zu fast allem gibt, was zwischen der oberen Atmosphäre der Erde und den größten Weiten des Universums liegt.

Von Dirk Lorenzen | 21.07.2010
    Die aktive Galaxie J1427+3312 im Sternbild Bootes gehört zu den fernsten Objekten im All: Ihr Abstand beträgt mehr als zwölf Milliarden Lichtjahre. Dennoch empfangen Sándor Frey vom Institut für Geodäsie in Budapest und seine Kollegen viel Radiostrahlung von ihr.

    "Im Zentrum dieser Galaxie befindet sich ein extrem massereiches Schwarzes Loch. Das ist sehr erstaunlich, denn diese Galaxie hat sich innerhalb nur einiger Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet. Bisher dachten wir, das sei gar nicht genügend Zeit, um ein Schwarzes Loch extrem massereich werden zu lassen. Aber wir sehen jetzt dort draußen Exemplare, die einige Milliarden Mal so viel Masse haben wie die Sonne."

    Der Blick hinaus in den Kosmos ist immer auch ein Blick zurück in die Zeit. Das Licht dieser Galaxie hat sich vor zwölf Milliarden Jahren auf den Weg gemacht. Damals war der Kosmos nicht einmal zwei Milliarden Jahre alt. Diese Galaxie zeigt den Astronomen also noch heute, was in der Kindheit des Kosmos geschehen ist. Offenbar haben sich nach dem Urknall sehr schnell Sterne, Galaxien und Schwarze Löcher gebildet, was Sándor Frey und seine Kollegen dank einer Art Superlupe jetzt zu sehen bekommen:

    "Wir schalten Radioteleskope in Europa, Russland, China und Südafrika zusammen. Dann sehen diese Instrumente so scharf, als wären sie ein riesiges Teleskop, das sich über Kontinente erstreckt. Zwar ist diese Galaxie sehr weit entfernt. Aber wir erkennen dennoch Details von nur einigen Dutzend Lichtjahren Ausdehnung. Das ist wirklich faszinierend."

    VLBI, Interferometrie mit sehr langen Basislinien, lautet das Zauberwort. Mit den zusammengeschalteten Radioteleskopen ließen sich im Prinzip Kirschen auf einem mehr als 50 Kilometer entfernten Baum zählen. So scharf wie die Radioastronomen sieht niemand sonst hinaus in den Kosmos. Plötzlich zeigen sich selbst bei fernsten Objekten erstaunliche Details.

    "In etwa zehn Jahren lohnt es sich, diese Galaxien noch einmal so aufwendig zu beobachten. Dann sehen wir, wie sich die Umgebung des Schwarzen Lochs verändert hat. Die Zentren dieser Galaxien sind sehr aktiv. Wenn wir sehen, wie sich die Materie dort bewegt, können wir lernen, wie die Objekte entstanden sind und wie sich entwickeln."

    Sándor Frey und seine Kollegen haben bisher drei sehr weit entfernte Galaxien untersucht. Die Astronomen hoffen auf weitere Entdeckungen in den kommenden Jahren. Doch langweilig wird ihnen bis dahin sicher nicht. Denn die Galaxien sind nicht nur selbst interessant - sie dienen den Forschern auch als Werkzeug.

    "Diese Galaxien sind so weit entfernt, dass sie das gesamte Universum zwischen uns und ihnen regelrecht durchleuchten. Wir können so die Gaswolken untersuchen, durch die Strahlung auf dem Weg zu uns gelaufen ist. Die Galaxien sehen wir in der Phase der kosmischen Geschichte, als die ersten Sterne gerade dabei waren, das nach dem Urknall abgekühlte Gas im Weltall wieder aufzuheizen. Diese Galaxien werden uns zeigen, wo es damals wie viel kalten Wasserstoff gegeben hat."

    In der Frühzeit des Universums waberten riesige Wolken aus Wasserstoff durch das All. Sie waren der Rohstoff, aus dem im Laufe der kosmischen Geschichte Sterne und Galaxien entstanden sind - auch unsere Milchstraße und die Sonne. Damit zeigt ein extrem massereiches Schwarzes Loch am Rande der Welt den Astronomen einen Teil unserer eigenen Vergangenheit.