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Überraschungsfund

Zoologie.- In einer alten unterirdischen Verteidigungsanlage in Luxemburg haben Höhlenbiologen einen Riesenweberknecht entdeckt. Das Ungewöhnliche: Eigentlich ist das zehn Zentimeter große Tier im Mittelmeerraum heimisch.

Von Kristin Raabe |
    Ein regnerischer Tag in einer Höhle im Müllertal in Luxemburg. Der Höhlenbiologe Dieter Weber erläutert mir seine Arbeit. Schon vor Wochen hat er kleine Fallen mit Konservierflüssigkeit im Höhlenboden eingegraben. Er will wissen, welche Tiere in dieser Höhle vorkommen. Er findet Mistkäfer, Spinnen, Tausendfüßer, jede Menge Asseln und einige Insekten. Nachdem er die Fallen gelehrt hat, beginnt der ausgebildete Chemieingenieur mit dem zweiten Teil seiner Höhlenforschung:

    "Jetzt sammeln wir die Tiere von Decke und von Wänden. Das mache ich immer im Abstand von zwei oder fünf Metern, dass man erkennen kann, welche Tiere befinden sich nur am Eingang, suchen also nur Unterschlupf, sind keine echten Höhlentier oder welche Tiere gehen tiefer rein."

    Einen Tag vor unserer Exkursion gelang Dieter Weber in der Stadt Luxemburg ein besonderer Fund. Dort gibt es unterirdische Verteidigungsanlagen, die von den spanischen Besatzern im 17. Jahrhundert angelegt worden sind. In solchen künstlichen Hohlräumen findet sich meist ähnlich wenig Leben, wie in natürlichen Höhlen. Denn in der Dunkelheit von Höhlen wachsen keine Pflanzen, die als Nahrung dienen könnten.

    "Umso überraschender war es, dass wir in den Kasematten in Luxemburg Stadt eine Weberknechtart gefunden haben, die sonst nur im Mittelmeerraum vorkommt - Spanien zum Beispiel - eine sehr große Art. Einschließlich der Beine zehn Zentimeter. Also man kann sie eigentlich gar nicht übersehen. Die Kasematten selbst wurden noch nie besammelt vorher. Aber gäbe es die Art sonst irgendwo hier, hätte man die sicherlich auch schon gefunden. Ist eine Besonderheit, damit hätten wir nicht gerechnet."

    Weberknechte sind eine vergleichsweise artenarme Ordnung von Spinnentieren und außerdem relativ groß. Würde das Tier oberirdisch ebenfalls vorkommen, hätten es andere Forscher längst entdeckt. Auch Dieter Weber suchte mit einigen Kollegen in den Parkanlangen der Umgebung nach dem Weberknecht und wurde nicht fündig. Offenbar lebt diese Art in Mitteleuropa nur in den unterirdischen Gängen der Kasematten.

    "Die Frage ist: Wie kommt der Weberknecht jetzt da hin? Wir wissen’s natürlich nicht. Wir wissen nur, dass er dort ist, er war letztes Jahr beim ersten Sammeln dort, er war jetzt wieder dort, dass heißt, er bildet dort stabile Populationen. Ein Postulat könnte sein, dass die Spanier, die diesen Teil der Kasematten dort erbaut haben, unwissentlich solche Tiere eingeschleppt haben und die sich jetzt dort die letzten 200, 300 Jahre dort gehalten haben."
    Es wäre auch denkbar, dass die Art früher auch oberirdisch vorkam und die unterirdischen Gänge nur so etwas wie ein Rückzugsgebiet darstellen. Im Mittelmeerraum jedenfalls lebt dieser Weberknecht nicht in Höhlen.

    "Es ist denkbar, dass die Art im Mittelmeerraum oberirdisch vorkommt, während sie es bei uns oberirdisch im Winter für zu kalt hält und sich deswegen in die Höhlen zurückgezogen hat. Unterirdische Hohlräume haben fast alle die Jahresdurchschnittstemperatur der Oberfläche und die liegt bei uns bei etwa acht Grad."

    Für Dieter Weber jedenfalls war seine Exkursion nach Luxemburg ein voller Erfolg. Und das liegt nicht nur an dem Weberknecht in den Kasematten. Er wird in den nächsten Wochen noch viele Abende nach seiner Arbeit vor dem Mikroskop und Binokular verbringen, um die Funde aus seinen Fallen zu sortieren. Dann wird er sie an Spezialisten für die einzelnen Tierordnungen verschicken. Ob dabei dann noch ein weiterer Überraschungsfund dabei ist, wird sich erst später zeigen.