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Übersehene Zeugen

Archäologie. – Das Mittelalter wird mit Burgen und Rittern assoziiert. Dabei stehen in der Regel die großen Steinburgen vor Augen. Viel verbreiteter waren damals jedoch kleinere Bauten, so genannte Motten, deren Befestigungen aus Erde oder Holz waren. Erst in jüngerer Zeit wendet sich die Archäologie diesen Bauten zu. Im Travetal bei Lübeck wird gerade eine solche Motte ausgegraben.

    Romantische Burgen, wie sie etwa im Dutzend entlang des Rheins stehen, sind das Sinnbild des Mittelalters. Allerdings waren solche Großbauten, wenn sie denn überhaupt aus dem Mittelalter stammen, nur für die großen Adelshäuser und Landesherren erschwinglich. Kleinere Adelige mussten sich mit bescheideneren Bauten begnügen, deren Befestigungen aus Wassergräben, Erdwällen und Holzpalisaden oder aus einfachen Aufschüttungen mit einem festen Turm darauf bestanden. Schon das Baumaterial bringt es mit sich, dass diese als Motten bezeichneten Bauwerke nicht gut erhalten sind. Eine komplette Anlage im Originalzustand ist nirgends erhalten. Im Niental bei Lütjenburg wurde daher eine Turmhügelburg nachgebaut. Der Archäologe Heinrich Oelerich hat den Bau wissenschaftlich begleitet: "Wir haben sehr viele Grabungsergebnisse und Forschungserkenntnisse, die darin verarbeitet wurden." Eine befestigte Behausung für den niederen Adel stand im 14. Jahrhundert auch im holsteinischen Travetal bei Travenhorst. Die Burg war mitten in den Sumpf gebaut, der ihr als erste Verteidigung diente. Grabungsleiter Hans-Joachim Kühl"Die Ritter setzten die Pfosten systematisch in den Sumpf und bauten darauf ihre Gebäude."

    Solchen Motten fehlte zwar die ehrfurchtgebietende Erscheinung der Höhenburgen, Zeichen der Macht waren sie dennoch. Ulrich Müller, Archäologe an der Uni Kiel: "Man muss sich vorstellen, welche Ressourcen die bäuerliche Bevölkerung aufwenden musste, um so einen Wohnturm aufzuschütten. Das zeigt ganz gut, dass diese Anlagen eben auch Macht demonstrierten, Macht über Menschen." Erst seit wenigen Jahren wird in Deutschland verstärkt nach mittelalterlichen Gebäuden gegraben. Ulrich Müller: "Zunächst standen natürlich die klassischen Burgen im Blickfeld der kunsthistorischen und bauhistorischen Forschung." Wie die mächtigen Höhenburgen auch wurden die Motten im 14. und 15. Jahrhundert von der Entwicklung überholt. Auch der Niederadel zog in geräumigere Behausungen, während gleichzeitig auch der Schutz, den die Befestigungen boten immer geringer wurde.

    [Quelle: Jens Wellhöner]