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Medizin. - Krankheitserreger, die von Tieren auf den Menschen wechseln, werden in Deutschland häufiger. Die Schweinegrippe oder Sars sind nur die bekanntesten unter diesen so genannten Zoonosen. In Berlin trifft sich zur Zeit die Forschungsplattform für Zoonosen, auf der auch weitgehend unbekannte Krankheiten erörtert werden, etwa das Q-Fieber.

Von Volkart Wildermuth | 08.10.2009
    Ein Schäfer zieht mit seiner Herde langsam über eine Wiese am Rand eines kleinen Städtchens. Die Tiere bleiben ein paar Tage, schließlich sollen sie das Gras kurz halten, Landschaftspflege im Auftrag der Gemeinde. Einige Schafe lammen, ein Grund mehr für die Anwohner, herüberzulaufen und sich die Lämmchen anzusehen. Eine Idylle, doch unsichtbar birgt sie Gefahr: Q-Fieber, eine Infektion mit dem Bakterium Coxiella brunetii. Bei Schafen verläuft sie meist symptomlos, bei Menschen verursacht sie hohes Fieber, Schwäche, Husten. Es kann zu einer Lungenentzündung kommen. Mit Antibiotika lässt sich der Erreger wirksam bekämpfen.

    "Aber dann kommt das Problem der Chronifizierung, dass man den Erreger also durchaus länger im Körper behalten kann und das, was dann die Sache unangenehm macht und wo die meisten Leute dann auch dran sterben, das sind die Komplikationen, wie zum Beispiel Herzklappenbefall."

    Dr. Heinrich Neubauer erforscht das Q-Fieber am Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit in Jena. Der Erreger des Q-Fiebers lebt eigentlich in Wildbeständen und auch in Mäusen. Über Zecken erreicht er aber immer wieder Schaf- oder Ziegenherden und über die Nutztiere dann letztlich auch den Menschen. Vor allem bei der Geburt werden die Bakterien freigesetzt. Schon ein einzelner Erreger reicht aus, um einen Menschen zu infizieren. Alle paar Jahre erkrankt deshalb ein ganzer Hörsaal voller Studenten, wenn an einer tierärztlichen Hochschule die Geburt eines Lamms aus einer unerkannt infizierten Herde gezeigt wird. Die Mehrzahl der Q-Fieber-Ausbrüche findet sich aber rund um Wiesen, auf denen Schafe gelammt haben. Die Bakterien schweben in der Luft an kleine Tröpfchen oder Stäube gebunden und können mit dem Wind ein, zwei Kilometer weit getragen werden. So stecken sich Anwohner, aber auch Spaziergänger an. Der Forschungsverbund Q-Fieber hat die Verbreitung der Infektion in den ländlichen Gebieten Deutschlands studiert. Neubauer:

    "Das geht zum Beispiel so weit, dass in kleineren Dörfern 20 Prozent der Bevölkerung durchaus mal den Antikörper gegen Q-Fieber tragen kann."

    Nicht jeder erkrankt schwer, die meisten werden ihre Symptome einer Erkältung zugeschrieben haben. Immer wieder kommt es aber auch zu größeren Ausbrüchen, bei denen mehrere Dutzend Personen massiv erkranken. Die Zahl dieser Ausbrüche nimmt zu, das zeigen die Zahlen des Robert-Koch-Institutes. 2008 waren 370 Menschen betroffen, vor allem in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Problematische Ausmaße hat das Q-Fieber in den Niederlanden erreicht. Neubauer:

    "In den südlichen Niederlanden, in der Region Brabant haben wir momentan dieses Jahr Ausbrüche mit 2100 gemeldeten Infektionen. Und was man sehen kann, dass die Zahl der Fälle in der Humanmedizin noch weiter zunimmt. Es werden Notimpfungen mehr oder minder durchgeführt in diesen Beständen, die dort vor Ort sind."

    Der Impfstoff ist in Deutschland nicht erhältlich. Erst wenn die Nachfrage steigt, wird es sich für den Hersteller lohnen, auch hierzulande eine Zulassung zu beantragen. Der Forschungsverbund Q-Fieber will aber in einem Einzelversuch erproben, wie effektiv eine Impfung eine Schafherde schützt. Bis es so weit ist, müssen vor allem die Hausärzte über die Symptome des Q-Fiebers aufgeklärt und die Schäfer zu Vorsicht angehalten werden. Sie sollten ihre Schafe nach Möglichkeit nur im Stall lammen lassen. Generell glauben die Zoonoseforscher in Berlin, dass die tiergerechtere Freilandhaltung quasi als Nebenwirkung die Übertragung von Krankheitserregern auch auf den Menschen erleichtert. Neubauer:

    "Es ist nicht so, dass die Erreger, mit denen wir früher zu tun hatten, weg sind, sondern die Erreger sind ja immer noch da, sie sind im Endeffekt in den Wildtierpopulationen wiederzufinden, haben sich zurückgezogen. In dem Moment, wo ich aber wieder Expositionsmöglichkeiten erschaffe, haben Sie den Eintrag wieder in die Tierpopulation, und wenn Sie den Eintrag in die Tierpopulation haben, mit der heutigen Globalisierung und auch Mechanisierungen in den Warenketten, haben Sie eine sehr schwungvolle Ausbreitung."