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Überstunden auf dem Mars

Raumfahrt. - In diesen Tagen beherrscht der Saturn die astronomischen Schlagzeilen - alles dreht sich um "Cassini" und Saturn. Da ist der Mars fast in Vergessenheit geraten. Um ihn kreist die europäische Sonde Mars Express und über seine Oberfläche rollen noch immer die beiden Rover Spirit und Opportunity, die mit ihren Bildern Anfang des Jahres für Aufsehen sorgten.

Von Dirk Lorenzen | 19.07.2004
    Auch Mars-Rover werden alt - und entwickeln dann fast menschliche Züge. Zwar gehe es den Rovern den Umständen entsprechend gut, erklärt Johannes Brückner vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, aber die kommende kalte Jahreszeit mache ihnen doch zu schaffen:

    Wir nähern uns dem Winter und dementsprechend kriegen die nicht mehr so viel Sonnenenergie und das Aufladen der Batterien muss jetzt noch sorgfältiger gemacht werden, das heißt es muss mehr Zeit tagsüber für kleine Schlafstündchen eingeplant werden, Nap auf Englisch, und es wird jetzt auch bei beiden nachts die Stromversorgung noch weiter herunter gefahren, um Strom zu sparen.

    Die Rover Spirit und Opportunity kurven nun schon mehr als doppelt so lange auf dem Mars herum wie ursprünglich geplant. Allmählich müssen sie den harten Arbeitsbedingungen Tribut zollen - doch das gilt auch für das Wissenschaftler-Team, das vom Jet Propulsion Laboratory im kalifornischen Pasadena aus die Rover betreut:

    Der Arbeitsalltag sieht etwas anders aus als früher, weil wir nur noch tagsüber arbeiten. Das war einfach nicht mehr möglich, dass man sozusagen immer dann kommt, wenn bei den Rovern Tag ist. Das wurde dann umgestellt auf Tagbetrieb, nachdem die Mission verlängert wurde. Das sieht so aus, dass wir uns morgens meistens, zwischen sieben und acht für den ersten Rover treffen und uns dann im Halb-Stunden-Takt immer zwischen dem einen und anderen Rover hin und her bewegen.

    Anfangs hatten die Forscher immer dann gearbeitet, wenn es bei ihrem jeweiligen Rover auf dem Mars hell war und er fahren konnte. Das führte zu einem völlig chaotischen Leben, weil ein Marstag 40 Minuten länger als ein Erdtag ist und so der Arbeitsbeginn der jeweiligen Crew täglich 40 Minuten später als am Vortag war. Nach einigen Monaten Dauerstress schonen sich jetzt Mensch und Maschine. Doch Johannes Brückner und sein Team nutzen noch immer jede Gelegenheit, um mit ihrem APX-Spektrometer die Zusammensetzung des Marsgesteins zu messen.

    Bei Spirit ist man ja bei den Hügeln angekommen und wollte da eigentlich nur kurz verweilen und weiterfahren und hat dann aber entdeckt, dass da interessante Formationen da sind. Das fing an, dass das APX einen Boden festgestellt hat, der eine etwas andere chemische Zusammensetzung hat bei einigen Elementen im Vergleich zu vorher. Und dann haben wir einen Stein gefunden, der also ganz ulkig aussah in den Bildern. Der hatte so kleine Zacken und war ganz tief zerfurcht. Es hat sich gezeigt, dass diese Stelle, wo wir jetzt sind, eigentlich sehr ergiebig ist, weil man zum ersten Mal indirekte Hinweise hat, dass da dort Wasser war. Weil diese starken Verwitterungen und die etwas andere Chemie lässt sich ganz gut erklären, wenn man annimmt, dass da Wasser war.

    Somit war der Gusev-Krater, in dem Spirit Anfang Januar gelandet ist, offenbar vor langer Zeit einmal der Boden eines Sees oder Meeres. Damit haben jetzt beide Rover - die an genau entgegensetzten Seiten des Mars arbeiten - Hinweise auf frühere stehende Gewässer an ihren Landeplätzen entdeckt. Nach einem halben Jahr auf dem Mars geht es aber längst nicht mehr allein um die Messungen: Wissenschaftler und Ingenieure auf der Erde brauchen ganz neue Fähigkeiten - denn Spirit muss nach mehr als drei Kilometern Fahrstrecke dringend zum Boxen-Stop:

    Es hat sich gezeigt, dass beim rechten Vorderrad der Elektromotor zuviel Strom zieht. Der Grund ist, dass die Schmierung nicht mehr in Ordnung ist. In den nächsten Tagen sollen da Experimente gemacht werden. Man will den Motor lange aufheizen, weil irgendwo genügend Schmiermittel sitzt. Das muss nur wieder auf die Achse fließen.

    Selbst wenn Spirit schnell wieder flott ist, so braucht er bald einen Platz für den Winterschlaf, denn die Tage auf der Marssüdhalbkugel werden immer kürzer.

    Dann ist geplant den Hügel hinaufzufahren und so lange zu fahren, bis man an eine Stelle kommt, wo wir wieder Steine sehen, die dann gemessen werden sollen. Und wenn das geklappt hat, soll auf dem Hügelkamm weiter gefahren werden so lange, bis die Energie zu gering ist und man dann stehen bleibt und praktisch überwintert. Dann hofft man, dass er dann, wenn der Frühling kommt, noch einmal erwacht.