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Überstunden
Wenn es mal wieder länger dauert

1,7 Milliarden Überstunden allein in Deutschland: Nach einer vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Auftrag gegebenen Untersuchung arbeiten 60 Prozent aller Arbeitnehmer länger als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart. Verpflichtet sind sie dazu nicht. Im Gegenteil: Im Einzelfall kann man Überstunden sogar ablehnen.

Von Klaus Deuse | 02.01.2017
    Ein Mann sitzt abends in einem Büro an einem vollen Schreibtisch und arbeitet.
    Im Schnitt leisten deutsche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fünf Überstunden - pro Woche. (picture-alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    Für Überstunden gibt es im Prinzip klare Regelungen, sagt die Bochumer Fachanwältin für Arbeitsrecht Katja Mihm:
    "Überstunden sind nur zu leisten vom Arbeitnehmer, wenn es dazu eine Verpflichtung gibt. Und die Verpflichtung kann entweder kommen aus dem Tarifvertrag, die kann kommen aus einer Betriebsvereinbarung oder direkt aus dem Arbeitsvertrag."
    Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge legen fest, wie viel Überstunden ein Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern erwarten kann. In diesen Vereinbarungen steht außerdem, wie hoch die Zuschläge für Überstunden sind.
    "Das sind meistens für Arbeiten in der Woche 25 Prozent und am Wochenende sogar 50 Prozent."
    Keine gesetzlichen Vorschriften
    Eine gesetzliche Vorschrift dafür gibt es nicht. Maßgeblich ist jeweils der geltende Tarifvertrag. Genau unter die Lupe sollte man übrigens individualrechtliche Arbeitsverträge nehmen. Denn diese können unter Umständen auch Klauseln enthalten, in denen Überstunden grundsätzlich erwartet, aber nicht bezahlt werden. Das heißt: trotz vieler Überstunden gibt es dann nichts zum fixen Monatsgehalt dazu.
    Fachanwältin Mihm rät darum, die Formulierungen vor der Unterschrift genau zu lesen. Denn solche Klauseln, die Überstunden pauschal mit dem regulären Gehalt abgelten, sind ungültig, betont Katja Mihm.
    Ansonsten gilt in der Arbeitswelt die Faustformel: Bis zu zehn Überstunden im Monat sind für Arbeitnehmer zumutbar. Allerdings nicht auf Dauer. Da kann der Betriebsrat nicht mitspielen. In Ausnahmesituationen darf das Unternehmen aber von der Belegschaft erwarten, auch mehr als zehn Überstunden zu schieben. Fachanwältin Mihm nennt ein Beispiel.
    "Also wenn es sich um einen kleinen Betrieb handelt, der wirklich schon mit der Existenz zu kämpfen hat und dann unerwartet einen großen Auftrag kriegt, der ihn retten könnte, dann wird man wohl sagen müssen, dass diese Arbeitnehmer aus einer Treuepflicht heraus auch zu Überstunden verpflichtet sind."
    Im Einzelfall kann man Überstunden ablehnen
    Arbeitnehmer können im Einzelfall jedoch auch Überstunden ablehnen. Und zwar in für sie persönlich dringenden Angelegenheiten. In Zweifelsfällen sollte der Mitarbeiter vorher den Betriebsrat fragen.
    "Wenn er zum Beispiel besondere Arzttermine hat oder familiäre unaufschiebbare Verpflichtungen, dann darf er auch schon mal einzelne Überstunden ablehnen. Nur nicht pauschal."
    Dann nämlich muss ein Arbeitnehmer mit Konsequenzen rechnen.
    "Denn wenn er berechtigte Überstunden verweigert, dann droht ihm auch eine Abmahnung oder Kündigung."
    Oft wird Mehrarbeit durch Freizeitausgleich abgegolten
    Der Verdienst für Überstunden kann, muss aber nicht, mit der nächsten Lohnabrechnung ausgezahlt werden. In den meisten Fällen jedoch werden Überstunden durch Freizeitausgleich abgegolten. Durch Verrechnung bei den Arbeitszeitkonten. Möglichst für das laufende, spätestens für das nächste Arbeitjahr. Wenn aber das Arbeitsverhältnis beendet wurde und der Arbeitnehmer den Freizeitausgleich noch nicht erhalten hat, dann hat er Anspruch auf die Auszahlung der Überstundengelder.
    Als Nachweis für die geleistete Mehrarbeit empfiehlt Katja Mihm Arbeitnehmern, ein Überstundenprotokoll zu führen.
    "Datum und Uhrzeit und Umfang und auch am besten noch den Anlass der Überstunden. Also was er dann auch in der Zeit Dienstliches getan hat."
    Mit der Abzeichnung durch den Arbeitgeber steht man bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche dann jedenfalls auf der sicheren Seite.
    Wiederholung eine Verbrauchertipps vom 07.12.2016