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Überwachung seit 1977

Seit Monaten treibt die so genannte Vorratsdatenspeicherung Politiker, Bürger und Datenschützer um. Dabei sind der Begriff und das Horten von Telekommunikationsdaten bereits seit Jahrzehnten Gang und Gäbe. Am Anfang stand dabei der Terror der RAF.

Von Peter Welchering |
    Mendocino, das war am 5. September 1977 das Codewort der Roten Armee Fraktion für den Überfall auf den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Mendocino, das war für Horst Herold, den damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamtes, eine Kriegserklärung an die Bundesrepublik Deutschland.

    (...)

    Daraus dürfe kein Wildwuchs entstehen, argumentierte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Ein klarer und rechtlich eng begrenzter Rahmen sei hier notwendig. Ein hitziger Streit um die verdachtsunabhängige Speicherung von Telekommunikationsdaten, um die Speicherung von Telefonverbindungsdaten auf Vorrat begann. Und dieser Streit dauert noch heute an.

    Die bloße Speicherung von Telefonverbindungen ist unzureichend. Datenverbindungen über das Datex-P-Netz und Telefax-Verbindungsdaten müssen in diese Verbindungsdatenspeicherung auf Vorrat einbezogen werden...

    ließ eine Expertenrunde aus dem Bundeskanzleramt im Jahre 1984 verlauten. Bundeskanzler war damals Helmut Kohl und er legte einen Regierungsentwurf für die Vorratsdatenspeicherung vor, demzufolge alle Firmen für ihre Telefon- und Computeranlagen so genannte Abhörschnittstellen für die Sicherheitsbehörden vorhalten müssten. Diese Daten sollten zwischen zwölf und 36 Monate lang von den Unternehmen gespeichert werden. Der Zugriff der Sicherheitsbehörden solle verdeckt erfolgen. Das betroffene Unternehmen dürfe davon nichts merken. Allen voran erhoben die Wirtschaftsverbände massiven Einspruch.

    Das Vorhalten solcher Überwachungstechnik kostet einen Mittelständler rund zwei Millionen Mark. Größere Banken werden dafür Investitionen in Höhe von 600 bis 700 Millionen Mark vornehmen müssen.

    berechnete der Zentrale Kreditausschuss. Der Kompromiss lautete deshalb im Jahr 2001 – inzwischen war SPD-Mann Gerhard Schröder Bundeskanzler – Die Verbindungsdaten sollen von den Telekommunikationsfirmen gespeichert werden. Zu den auf Vorrat gespeicherten Daten gehören alle Telefon-, Telefax- und Mobilfunkverbindungen sowie die Verbindungsdaten sämtlicher Internet-Dienste. Sechs Jahre wurde noch über die Dauer der Speicherung dieser Daten diskutiert.

    Die verdachtsunabhängige Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten für die Dauer von sechs Monaten ist ein wichtiges Instrument im Anti-Terror-Kampf.

    lobte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die am 18. April vom Bundeskabinett beschlossene Telekommunikationsüberwachungsverordnung nach der Kabinettssitzung. Die (...) im Deutschen Herbst 1977 geforderte Vorratsdatenspeicherung wird also jetzt umgesetzt.


    Zu dem Beitrag erreichte uns folgende Gegendarstellung:

    "Deutschlandfunk ist gesetzlich zur Veröffentlichung der nachfolgenden Gegendarstellung verpflichtet. Diese gesetzliche Verpflichtung besteht unabhängig von dem Wahrheitsgehalt der Gegendarstellung.

    G E G E N D A R S T E L L U N G


    In einer Sendung im Deutschlandfunk vom 12.05.2007 unter dem Titel "Überwachung seit 1977 – Eine Chronik der Vorratsdatenspeicherung" von Peter Welchering wurde ausgeführt:

    "Mendocino, das war am 5. September 1977 das Codewort der Roten Armee Fraktion für den Überfall auf den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Mendocino, das war für Horst Herold, dem damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamtes, eine Kriegserklärung an die Bundesrepublik Deutschland.

    Wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen, so ist das nur mit lückenloser computergestützter Überwachung und größten Datenspeichern auf Höchstleistungsrechnern möglich…

    erklärte BKA-Chef Herold den Mitgliedern des Bonner Krisenstabes der Bundesregierung nach der Schleyer-Entführung. Seine Vision dabei:

    Bevor jemand eine kriminelle Handlung begehen kann, muss der Computer einen Alarm geben, so dass die Sicherheitskräfte diese kriminelle Handlung verhindern können. Das ist nur möglich durch lückenlose Aufklärung der persönlichen Lebensverhältnisse.

    Eine wesentliche Grundlage dafür sollte die komplette Überwachung des Telefonverkehrs werden. Nur wenn die Sicherheitsbehörden jederzeit einen Suchlauf starten könnten, also auf Knopfdruck wissen, wer wann mit wem telefoniert hat, zu welcher Zeit bestimmte so genannte Zieltelefonnummern angerufen wurden, dann sei eine solche lückenlose Aufklärung der persönlichen Lebensverhältnisse garantiert. Dann könne Kriminalität verhindert werden, noch bevor sie entstehen könne, so Horst Herold. Die Idee der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten war geboren. Im Bundeskriminalamt begannen Computerexperten damit, eine Telefonverbindungsdatenbank aufzubauen."


    Hierzu stelle ich fest:

    Ich habe mich zu keiner Zeit gegenüber den Mitgliedern des Bonner Krisenstabes mit den zitierten Sätzen und mit dem behaupteten Inhalt geäußert. Auch habe ich weder jemals eine "komplette Überwachung des Telefonverkehrs" geplant oder gefordert noch wurde eine "Telefonverbindungsdatenbank" aufgebaut.

    München, den 1. Juni 2007
    Dr. Horst Herold

    Richtigstellung

    Im Deutschlandfunk haben wir am 12.05.2007 unter dem Titel ‚Überwachung seit 1977 - Eine kleine Chronik der Vorratsdatenspeicherung’ über den Präsidenten des Bundeskriminalamtes a. D. Dr. Horst Herold berichtet:

    ‚Eine wesentliche Grundlage für die lückenlose Aufklärung der persönlichen Lebensverhältnisse sollte die komplette Überwachung des Telefonverkehrs werden. Nur wenn die Sicherheitsbehörden jederzeit einen Suchlauf starten können, also auf Knopfdruck wissen, wer, wann mit wem telefoniert hat, zu welcher Zeit bestimmte so genannte Zieltelefonnummern angerufen wurden, dann sei eine solche lückenlose Aufklärung der persönlichen Lebensverhältnisse garantiert. Dann könne Kriminalität verhindert werden, noch bevor sie entstehen könne, so Horst Herold.’

    Wir stellen richtig, dass sich Herr Dr. Herold nicht in dieser Weise geäußert hat.

    Die Redaktion,
    Peter Welchering