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Überzeugende Beispiele

Ethik. - Der Bundestag hat die Präimplantationsdiagnostik in Grenzen erlaubt und damit die Rechtsunsicherheit für Ärzte beendet. Bei schwerwiegenden Erbkrankheiten und bei drohender Tot- oder Fehlgeburt ist es künftig erlaubt, genetische Diagnosen am ungeborenen Leben durchzuführen. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth erläutert die heutige Debatte im Gespräch mit Monika Seynsche.

Volkart Wildermuth im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Seynsche: Herr Wildermuth, kommt diese Entscheidung jetzt überraschend?

    Wildermuth: Ja, die Debatte ist ja wirklich lang und es sind wirklich keine neuen Argumente in dieser Bundestagsdiskussion letztlich aufgetaucht. Auf der Contra-Seite heißt es immer: Der Embryo hat ein Recht auf Leben, er darf also nicht selektiert werden, es darf nicht zwischen lebenswerten und lebensunwerten Embryonen unterschieden werden. Auf der Seite der Befürworter heißt es dann: Aber wir erlauben ja die Abtreibung, ist es da nicht viel menschlicher, das in einem früheren Stadium zu entscheiden. Also diese Argumente lagen alle auf dem Tisch, aber heute Morgen waren noch 170 der Abgeordneten unentschieden. Und die sind in der Debatte letztlich überzeugt worden nicht durch neue Argumente, sondern ich denke durch konkrete Beispiele, die da zitiert wurden, von Familien, die eben ein großes Leid haben, die eben ein behindertes Kind großziehen und sich noch ein zweites Kind, ein gesundes Kind, wünschen. Nicht weil sie das kranke Kind weniger lieben, sondern weil sie sonst mit der Situation nicht klarkommen würden und trotzdem ein weiteres Kind möchten.

    Seynsche: Wie geht es denn jetzt weiter?

    Wildermuth: Ja, das Gesetz ist jetzt erst einmal verabschiedet, das steckt den Rahmen ab. Jetzt ist die Bundesregierung gefordert, die muss die entsprechenden Verordnungen erlassen. Im Moment ist es ja so, seit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass die PID in Deutschland nicht verboten ist, hat es etwa 40 dieser Voruntersuchungen, bevor der Embryo im Mutterleib eingepflanzt wurde, gegeben. Also es hat keinen Run gegeben, es gibt eine Nachfrage, die durchaus vorhanden ist. Und jetzt muss das neu geregelt werden nach dem Gesetz. Einerseits müssen sich die Zentren zertifizieren lassen. Bislang konnte das sozusagen jedes reproduktionsmedizinische Zentrum machen, jetzt also eine Zertifizierung. Dafür müssen die Bedingungen von der Bundesregierung festgelegt werden. Das ist das eine. Zweitens, es muss jetzt eine Ethikkommission ein positives Votum abgeben. Auch diese Ethikkommissionen müssen erst eingerichtet werden. Die gibt es schon in diesen reproduktionsmedizinischen Zentren, die Frage ist: Können da die gleichen tätig werden. Und was auch noch offen ist: Welche Bedeutung hat dann das Votum der Ethikkommission. Entscheidet letztlich die Ethikkommission oder entscheidet letztlich die Mutter. Das sind die Sachen, die jetzt geklärt werden müssen. Aber es gibt etliche Zentren in Deutschland, die sozusagen Gewehr bei Fuß stehen und die das direkt umsetzen können.

    Seynsche: Es gab ja vorher bei den Kritikern die Sorge, wenn man die PID zulassen würde, dass dann Designerbabys et cetera der Weg geebnet würde. Ist das jetzt leichter geworden?

    Wildermuth: Eigentlich nicht. Also das Gesetz sagt ganz klar: Es ist beschränkt auf schwere Erbkrankheiten - wobei man natürlich diskutieren kann, was ist schwer - und auf eine sehr wahrscheinliche Fehlgeburt oder Totgeburt. Designerbabys, dass man jetzt ein intelligentes, blondes, blauäugiges Kind haben wird, das geht im Moment sowieso nicht, weil die dafür notwendigen Gene gar nicht bekannt sind. Es ist auch so, wenn zwei Menschen miteinander Kinder kriegen, gibt es nur ein beschränktes genetisches Material, also wenn da keine Supergene dabei sind, kann man die auch nicht per PID hineinholen. Auch andere Aspekte, die in anderen Ländern eine Rolle spielen, werden in Deutschland nicht zum Tragen kommen. In den USA zum Beispiel ist es erlaubt, das Geschlecht auszuwählen. Das geht in Deutschland nach diesem Gesetz nicht. Es gibt auch in einigen Ländern den Versuch mit Hilfe der PID eine sowieso geplante Reagenzglas Befruchtung effektiver zu machen. Das funktioniert ja nur in einem Viertel der Fälle, aber da hat sich herausgestellt: diese Rate wird durch die PID nicht erhöht. Also da gibt es wahrscheinlich auch keinen sinnvollen Grund, das zu machen. Insofern denke ich: die Regeln sind klar und ein Dammbruch ist nicht zu befürchten.

    Seynsche: Hat das denn Auswirkungen auf die Forschung, diese Entscheidung?

    Wildermuth: Nein, denn man muss ganz klar sagen, die Forschung in Deutschland ist einerseits über Bestimmungen im Embryonenschutzgesetz geregelt. Die sagen: Es darf nur mit dem Ziel einer Schwangerschaft ein Embryo erzeugt werden, einerseits. Und andererseits über das Stammzellgesetz ist ganz klar festgelegt, was gemacht werden darf und was nicht gemacht werden darf. Da hat sich nichts geändert. Deutsche Forscher werden auch nach wie vor selbst Embryonen, die sozusagen aussortiert worden sind, nicht ins Labor bekommen. Das funktioniert in Deutschland nicht und das wird auch in Zukunft nicht funktionieren.

    Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.