"Ich gehöre wahrscheinlich zu der extremsten Gruppe, die sagt: Das ist nicht mehr das Stadionfußball-Erlebnis, wie ich es kenne, wie ich es liebe." Und das sagt einer, der eigentlich kein einziges Spiel seines Vereins, dem FC Bayern verpasst. "Mir gibt dieser Fernsehfußball gerade jetzt auch ohne Zuschauer mit der fehlenden Atmosphäre überhaupt nichts, also ich nehme es mal über das Sportstudio wahr, über die Sportschau. Und schaue ab und an mal Drittligaspiele – nebenbei. Aber das war’s dann auch schon."
Alexander Fischer ist Sprecher des Fan-Dachverbands Club Nr. 12 – er vertritt rund viereinhalbtausend eingefleischte Bayern-Fans, gut die Hälfte davon mit Dauerkarte. Die aufwändigen Stadionchoreografien sind meist das Werk des Club Nr. 12. Nur wenige Menschen in Deutschland stehen so für Stadion-Kultur wie er. Und deshalb lassen Sätze wie diese zur Europameisterschaft aus seinem Mund aufhorchen. "Ich finde es von der UEFA, um ehrlich zu sein, eine ziemliche Frechheit, was da abläuft. Man setzt ja de facto die Verbände, bzw. die Stadionbetreiber unter Druck und sagt: Entweder ihr spielt mit Zuschauern oder es wird bei euch gar nicht gespielt."
München will keine Zuschauer garantieren
Alexander Fischer ist sauer auf die UEFA, den europäischen Fußballverband. Dieser will vom 11. Juni an die Europameisterschaft 2021 in verschiedenen Stadien Europas ausrichten – und zwar möglichst mit Publikum. Wenn es die gesundheitliche Situation erlaube, so äußerte sich UEFA-Präsident Aleksander Čeferin bei dem Fernsehsender Sky, erwarte die UEFA natürlich Zuschauer. Ist das eine versteckte Drohung an den deutschen EM-Standort München? Die UEFA sagt: nein. Alexander Fischer glaubt: ja. Die Münchner Allianz-Arena, in der die drei Vorrundenspiele der deutschen Mannschaft und ein Viertelfinalspiel stattfinden soll, könnte deshalb ein Wackelkandidat werden. Denn ähnlich wie in Bilbao, Rom und Dublin möchte man sich in München nicht auf eine Zuschauergarantie festlegen.
"Dass die UEFA, die massiv auf Zuschauereinnahmen angewiesen ist, versucht, das irgendwie durchzudrücken, ist für mich aus wirtschaftlicher Sicht verständlich. Aber die Art und Weise, wie man’s macht, ist für mich unter aller Sau. So geht’s nicht, aber ich befürchte, viele Städte und Verbände werden sich erpressen lassen."
Die Frage steht im Raum: Lässt sich München, als einziger deutscher Austragungsort der EM, auf einen Deal ein? Eher unwahrscheinlich, wenn man Ministerpräsident Markus Söder in der vergangenen Woche zugehört hat: "Vorsicht mit Vernunft bleibt jetzt die generelle Linie."
Fanvertreter Fischer ist skeptisch
In der vergangenen Woche verwahrte sich Söder auch gegen eine solche Garantie: Gegenüber RTL/NTV sagte er – das würde "auf erbitterten Widerstand stoßen". Wie geht die UEFA damit um? Diese Frage lässt der Verband unbeantwortet. Und verweist schriftlich auf ein Ultimatum bis zum 19. April. Bis dahin müsse auch München weitere Informationen zu ihren Zuschauerplänen liefern – und dann werde die UEFA Entscheidungen treffen. Wird München Stadionpublikum zulassen? Bei der Stadt will man sich nicht äußern und erstmal abwarten.
Alexander Fischer vom Club Nr. 12 ist skeptisch. "Der Oberbürgermeister wird ein Problem haben, wenn er jetzt eine EM mit 40- bis 50.000 Zuschauern im Stadion zulässt, zeitgleich aber in der Stadt sagt, Biergärten bleiben zu, Kneipen bleiben zu und die Wiesn fällt aus. Das wird er ganz schlecht verkaufen können."
Doch hinter den Kulissen bemüht sich die bayerische Staatsregierung um einen Austausch mit der UEFA. So berichtet Söders rechte Hand, Staatsminister Florian Herrmann, schriftlich auf Anfrage: "Wir hatten am Mittwoch ein konstruktives Gespräch mit UEFA-Präsident Čeferin. Die Fußball-EM ist ein außerordentliches Ereignis, bei der wir München als Austragungsort natürlich behalten wollen. Ergebnisse gibt es aktuell noch nicht, aber wir bleiben im intensiven und konstruktiven Dialog."
Ungewissheit beunruhigt Fischer
Will heißen: Die Meinungen zwischen UEFA und Staatsregierung liegen offenbar noch weit auseinander. Diese Ungewissheit beunruhigt den Fanvertreter Alexander Fischer. "Das Horrorszenario für mich persönlich wäre, wir spielen jetzt ein Spiel beispielsweise in München vor 33 Prozent Zuschauern. Das Hygienekonzept funktioniert nicht wie geplant, insbesondere auf An- und Abreise. Und wir werden dann sowohl im Fußballbereich als auch gesamtgesellschaftlich massiv zurückgeworfen."
Für den Bayernfan wäre das auch eine schreiende Ungerechtigkeit. Zumal die Spiele der Bundesliga ja bis auf weiteres ohne Zuschauer:innen stattfinden müssen.