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Uferschutz in Zeiten des Klimawandels

Durch den Klimawandel, da sind sich die Forscher einig, verstärkt sich die Gefahr des Hochwassers. Ein Grund ist zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels. Der Kongress "Acqua alta" setzt sich derzeit damit auseinander.

Von Verena Herb |
    In der Nacht des 16. Februar 1962 wird Hamburg von der großen Sturmflut heimgesucht: Gegen Mitternacht brechen die ersten Deiche, einzelne Stadtteile werden völlig überflutet. Rund 340 Menschen kommen damals ums Leben. Der Hochwasserschutz ist nach wie vor ein wichtiges Thema für Städte und Gemeinden, sagt Oliver Sulz vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer in Hamburg. Das Land hat in den vergangenen 25 Jahren den Hochwasserschutz ausgebaut: 103 Kilometer lang ist die Hauptdeichlinie, davon sind 77 km Erddeich, und 26 km Hochwasserschutzwände. Bei Sturmfluten oder Hochwasser, die in dieser Region tideabhängig sind – wo also Ebbe und Flut eine Rolle spielen – bauen die Experten immer noch auf ein bewährtes Mittel:
    "Wir sind in Hamburg gegenwärtig auf die Sandsäcke festgelegt. Einfach, weil das ein sehr flexibles Mittel ist. Es ist universell einsetzbar, und aus diesem Grund werden wir an den Sandsäcken sicherlich auch noch weiterhin festhalten."

    "Natürlich ist es einfacher, wenn die Katastrophe kommt anzurufen: Sandsack bitte, ich brauche 100.000 Sandsäcke. Und wenn Sie Glück haben, ist dann also auch ein Unternehmen in der Lage. Die machen natürlich sofort einen Preisaufschlag – ist ja die Chance, Geld zu machen. Und Sie müssen dann Heerscharen von Menschen beschäftigen, um diesen notfallmäßigen Hochwasserschutz in Form vom Sandsack zu errichten. Wohl wissend, dass das alles große Grenzen hat"," erwidert darauf Erik Pasche, Leiter des Arbeitsbereichs Wasserbau in der Technischen Universität Hamburg Harburg. In seinem Vortrag macht er auf die Notwendigkeit des mobilen Hochwasserschutzes aufmerksam:

    ""Es sind viele Innovationen in den letzten Jahren aufgetreten, die auch auf Vereinfachung auszielen, die hohe Sicherheiten versprechen und den logistischen Aufwand verringern."

    Flexibel und flächenmäßig einsetzbar seien die mobilen Hochwasserschutzsysteme. Doch immer noch greifen Städte und Kommunen lieber auf die konventionelle Maßnahme – Stichwort Sandsack zurück. Doch ist das auch davon abhängig, ob das Hochwasser mehrere Tage steht – dann kommen häufig auch mobile Hochwasserschutzsysteme zum Einsatz – oder, wie bei Sturmfluten in der norddeutschen Region, es sich um Intervalle von drei bis vier Stunden handelt. Durch den Klimawandel, da sind sich die Forscher einig, verstärkt sich die Gefahr des Hochwassers. Ein Grund ist zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels:

    "Vor 20.000 Jahren die Eispanzer auf der nördlichen Hemisphäre waren wirklich sehr, sehr groß. Viel größer als heute. Und das hat zur Folge gehabt, dass der Meeresspiegel ungefähr 120 Meter niedriger als heute war. Also man kann sich vorstellen, dass in dieser Zeit das Klima und eigentlich auch der Anblick der Erde sehr, sehr unterschiedlich war."

    Längst sind die Eispanzer geschmolzen, und auch die Gletscher gehen weiter zurück, erklärt Eduardo Zorita vom Zentrum für Küstenforschung in Geesthacht. Die Folge: Der Meeresspiegel wird weiter steigen – nur wie schnell und wie hoch, das lässt sich nicht prognostizieren. Doch nicht nur die Erwärmung des Klimas und das Schmelzen der Gletscher sind Gründe für den Anstieg des Meeresspiegels, sondern auch der Wind: beispielsweise in der Ostseeregion:

    "Das sieht man auch zum Beispiel in Ergebnissen der letzten 200 Jahre. Das sind Zeitserien von Wasserständen in Stockholm oder in Kronstadt. Und die kann man sehr schön in Verbindung bringen mit der Stärke des Windes. Das bedeutet, wenn auch der Wind sich ändert in der Zukunft, in 100 Jahren wegen Klimaänderung, das wird auch eine Folge haben für Wasserstand in dieser Region."

    Die Acqua Alta ist ein Expertenkongress verbunden mit einer Fachmesse, in der sowohl Klimawandel als auch Hochwasserschutz ein Thema sind, erklärt Annika Klar, Projektleiterin der Acqua Alta:

    "Unser Ziel bei der Acqua Alta ist, den interdisziplinären Austausch zu fokussieren zwischen Wissenschaftlern, Politikern und der Wirtschaft, die sich hier auch auf der Ausstellung darstellt."

    Vier Mal hat die Aqua Alta bisher stattgefunden – 2011 wird sie wieder in der Hansestadt zu Gast sein.