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UFO am Ufer

Das Amsterdamer Filmmuseum EYE ist in einen Neubau am IJ-Ufer umgezogen. Der auffällige Bau der Wiener Architekten Delugan Meissl ist in einem Kreativviertel mit Panoramablick auf die Altstadt angesiedelt.

Kerstin Schweighöfer im Gespräch mit Michael Köhler | 04.04.2012
    Michael Köhler: Wir bleiben beim Thema Bauen und neuer Architektur. Das österreichische Architekturbüro Delugan Meissl hat das neue Gebäude für das Amsterdamer Filmmuseum entworfen und auch gebaut und fertiggestellt. Lage und Architektur sind das, was man gern spektakulär nennt. Es liegt gegenüber vom Hauptbahnhof. Nun sind Museen, Opernhäuser, kulturelle Institutionen dieser Art , ob nun in Helsinki, Oslo, Boston, Bilbao oder eben wie in diesem Fall Amsterdam immer auch städtische Attraktionen, Teile von City-Branding, nennt man das Neudeutsch. - Kerstin Schweighöfer, was ist das neue Filmmuseum Amsterdam für eine Architektur?

    Kerstin Schweighöfer: Das ist ziemlich viel und bleibt der Fantasie der Betrachter überlassen. Die einen sagen, das ist ein weißer Vogel, der gerade am IJ-Ufer - so heißt ja der Fluss, der hinterm Hauptbahnhof in Amsterdam vorbeifließt -, andere sagen, das ist ein super Flugzeug, andere sagen wieder, das ist ein UFO, das gerade gelandet ist, und die Architekten selber sagen, es ist eine Auster, die ein bisschen geöffnet ist, sodass man reingucken kann und die Perle sehen kann, und das ist das Herzstück dieses neuen Filmmuseums, nämlich eine gigantische Arena mit Panoramablick auf die Altstadt.

    Köhler: Jedenfalls spektakulär, in Weiß gelegen und - und das ist jetzt das besondere - es verlängert sozusagen die Aufmerksamkeit über den Altstadtkern hinaus, über den Bahnhof hinweg. Das sind ja oft die toten Flecken in einer Stadt. Wie ist das hier gelöst?

    Schweighöfer: Das ist erst mal so gelöst, dass dieses gesamte Gebiet hinterm Hauptbahnhof, dem die Amsterdamer ja bislang den Rücken und die kalte Schulter zugewendet haben, dass die aufgewertet werden soll, wo es auch bald eine U-Bahn-Verbindung gibt. Es gibt eine Fährverbindung, es gibt schon die ersten Brücken und dadurch soll dieses neue Ufer eben attraktiv gestaltet werden, erreichbar gemacht werden. Und die erste Hauptattraktion ist jetzt dieser große weiße Vogel, dieses UFO, was dort gelandet zu sein scheint. Das soll die Leute herüber aufs Nordufer locken.

    Köhler: Ist das Kino damit in der Stadt auch wieder so eine Art öffentliches Erlebnis? Wie wird es angenommen?

    Schweighöfer: Ja, das Gebäude ist eben gebaut worden, um nicht nur das Kino zum Erlebnis zu machen, sondern den Kinobesuch, das Gebäude, das Kino selbst zu einem Erlebnis zu machen, und das ist auch durchaus der Fall. Ich bin auch schon durchgelaufen und es ist wirklich so das Herzstück, wo die Architekten eben sagen, diese Auster, die sich öffnet, wo man reingucken kann, das die Perle ist, das ist die sogenannte Arena und die ist eigentlich gebaut wie ein Amphitheater mit Treppen, die nach oben leiten, und in diesem großen Raum hat man einen gewaltigen Panoramablick nach draußen. Das ist auch öffentlich, da ist ein Café mit Terrassen dann dabei. Das wird ganz sicher einer der Lieblingsplätze der Amsterdamer werden, sicher, wenn das Wetter besser wird und man draußen sitzen kann. Und von dort aus führen dann Rampen in die verschiedenen Filmsäle nach oben, und der größte, der bietet 300 Menschen Platz, und ich habe mir sagen lassen, wenn alle 300 besetzt sind - weil dieser Kinosaal, der schwebt so über dem Wasser -, dass sich der gesamte Kinosaal fünf Zentimeter nach unten senken soll.

    Köhler: Ist dieser Solitär unumstritten oder ist das der Beginn eines Kreativquartiers? Was sagt die Öffentlichkeit dazu?

    Schweighöfer: Es soll der Paukenschlag eigentlich sein für ein neues Kreativviertel, das im Westen des Nordufers entsteht. Das ist das Gebiet einer ehemaligen Werft und das war wirklich die drittgrößte Werft der Welt. Da wurden einst Ozeandampfer getauft und Kreuzfahrtschiffe gebaut. Und da leben jetzt in dieser riesigen Schiffshalle auf 20.000 Quadratmetern schon 250 Künstler, die sich ihre Ateliers in Containern einrichten durften, und da ist auch die Skatebahn, die hängt wie eine riesengroße Badewanne über diesen Containern. Also diese Halle ist ein unglaubliches Erlebnis schon. Das Ganze gilt eben wirklich als kreative Brutstätte, wo was passiert. Aber, so fürchten viele jetzt, durch dieses EYE-Museum, was dazugekommen ist, und weitere Firmen, die sich bereits niedergelassen haben - MTV hat seinen Benelux-Hauptsitz auf dem Werftgebiet schon gemacht, Red Bull hat sich da gefestigt -, dass dieser raue spröde Scharm, der so einen reizvollen Kontrast bietet, mit der lieblichen Grachtenidylle in der Altstadt, dass der eben doch auf der Strecke bleibt, weil das alles zu poliert wird und zu etabliert wird, und dass das Kreative dadurch auch auf der Strecke bleibt.

    Köhler: Sagt Kerstin Schweighöfer zum neuen Filmmuseum Amsterdam EYE, ein Hingucker, große weiße Kiste.