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Ukraine
Altes Misstrauen, neue Proteste

Die ukrainische Opposition will vorerst weiter protestieren - trotz des Angebots von Präsident Janukowitsch, sie an der Regierung zu beteiligen. Das lehne man nicht grundsätzlich ab, hieß es - aber vorher müssten weitere Bedingungen erfüllt werden. In Kiew gab es wieder schwere Krawalle

26.01.2014
    Ausharren in Kiew: Anhänger der Opposition auf einer Barrikade
    Ausharren in Kiew: Anhänger der Opposition auf einer Barrikade (picture-alliance / dpa / Olya Morvan)
    Die Lage in Kiew ist auch am heutigen Sonntag unübersichtlich und sehr angespannt. Nach den jüngsten Korrespondentenberichten kam es in der Hauptstadt wieder zu schweren Ausschreitungen. Offenbar versuchten bis zu 2.000 Regierungsgegner, das Kongresszentrum in der Nähe des Maidan-Platzes zu stürmen.
    Dort hatten sich laut AP bis zu 200 Sicherheitskräfte verschanzt. Sie setzten Augenzeugen zufolge wieder Wasserwerfer ein - bei Temperaturen von minus 15 Grad Celsius. Auch Tränengas und Blendgranaten kamen gegen die Demonstranten zum Einsatz. Die Oppositionellen schleuderten Brandsätze in das Gebäude, nachdem sie Fenster zertrümmert hatten.
    ARD-Hörfunkkorrespondent Hermann Krause berichtete heute früh im Deutschlandfunk, nun sei geschehen, was viele befürchtet hätten: dass militante Demonstranten mit Sondereinheiten der Regierung zusammengestoßen seien. Inzwischen hätten die Demonstranten sich paramilitärisch organisiert, es sei zu heftigen Kämpfen gekommen, und möglicherweise kämen nun wieder die staatlichen Berkout-Einheiten zum Einsatz, die für hartes Durchgreifen bekannt seien.
    Weiter Gewalt in Kiew: Szenen aus der Innenstadt
    Weiter Gewalt in Kiew: Szenen aus der Innenstadt (picture-alliance / dpa / Antti Aimo-Koivisto)
    "Wir geben nicht nach"
    Den Krawallen gingen die Reden der führenden Oppositionspolitiker voraus, in denen diese auf das Angebot der Regierung reagierten, sie an der Macht zu beteiligen. Übereinstimmend stellten sie klar, dass die Proteste zunächst weitergehen sollen. "Wir geben nicht nach", sagte der Politiker Klitschko. "Wir sind friedliche Menschen, die ihre Rechte und Forderungen verteidigen."
    Der frühere Außenminister Jazenjuk erklärte, man lehne den Vorschlag von Präsident Janukowitsch nicht rundweg ab, man nehme ihn aber auch nicht an. Zwar sei die Opposition grundsätzlich dazu bereit, die Regierungsgeschäfte zu führen. Doch müsse Janukowitsch weitere Schlüsselforderungen erfüllen. Dazu zählten Neuwahlen und die Annäherung an die EU ebenso wie die Freilassung der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.
    Geordneter Rückzug?
    Der Politikwissenschaftler Andreas Umland, der zur Zeit in Kiew lehrt, brachte das Szenario eines "geordneten Rückzugs" von Präsident Janukowitsch ins Gespräch. Er sagte im Deutschlandfunk, so lange die Institutionen im Land stabil seien und die Wirtschaftsmagnaten zu Janukowitsch hielten, sei das noch nicht wahrscheinlich. Wenn aber das System zusammenbreche und die Oligarchen ihre Unterstützung zurückzögen, dann hätte Janukowitsch sehr wohl ein Interesse daran, sich zurückzuziehen und dabei Garantien für seine Familie und die Regierungsmitglieder auszuhandeln.
    Die Nachrichtenagentur AP kommentiert das Geschehen auf dem Maidan-Platz so: "Die Reden der Oppositionsführer warfen ein Schlaglicht auf das Misstrauen, mit dem sich die Konfliktparteien gegenüberstehen."
    Am Dienstag findet eine Sondersitzung des ukrainischen Parlamentes statt.