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Ukraine
Die EU will vermitteln

Die Regierung hatte ihren Gegnern ein Ultimatum gestellt, nun hat sie mit der Räumung ihrer Barrikaden begonnen. Kann ausgerechnet die EU vermitteln? Chefdiplomatin Catherine Ashton versucht ihr Glück in Kiew.

09.12.2013
    Proteste auf dem Maidan für mehr Europa in der Ukraine
    Proteste auf dem Maidan für mehr Europa in der Ukraine (dpa / picture alliance / Alexey Kudenko)
    Sie verfolge "beunruhigt" die Informationen, nach denen die Polizei den "Sitz der größten Oppositionspartei erstürmt" habe, sagte die EU-Außenbeauftragtein der Nacht zum Dienstag. Ashton will sich in den kommenden zweit Tagen für eine politische Beilegung der seit Wochen andauernden Krise einsetzen.
    Der Machtkampf in der Ukraine hatte sich am Montag zugespitzt. Sondereinheiten der Polizei hatten am Abend damit begonnen, die Blockade der Regierungsgebäude im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt zu beenden. Die von Demonstranten errichteten Zelte und Barrikaden wurden abgebaut. Begründet wurde dies mit den Klagen zahlreicher Anwohner. Die Räumung der Gegend um Regierungssitz, Präsidialamt und Parlament verlief zunächst friedlich. Als sich einzelne Protestierer wehrten, seien dann jedoch zwei Beamte verletzt worden, sagte ein Behördensprecher nach Angaben örtlichen Medien.
    Andauernde Proteste
    Der Chef der rechtspopulistischen Oppositionspartei Swoboda, Oleg Tjagnibok, sagte, zehn Demonstranten hätten ebenfalls Verletzungen erlitten. Festnahmen gab es zunächst nicht. Der regierungskritische Internetsender hromadske.tv berichtete, Provokateure hätten die vorrückenden Sondereinheiten mit Reizgas und Stöcken angegriffen. Box-Weltmeister Vitali Klitschko, der als zweiter Oppositionsführer an Bedeutung gewinnt, rief seine Anhänger auf, standhaft zu bleiben und friedlich zu demonstrieren.
    Auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz (Maidan) demonstrierten zahlreiche Menschen auch in der Nacht bei klirrend kaltem Wetter friedlich gegen die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch und für einen Westkurs der früheren Sowjetrepublik.
    US-Vize ermahnt Janukowitsch
    Wirbel gab es am Abend um einen angeblichen Polizeiangriff auf Oppositionsbüros: Die Vaterlandspartei der inhaftierten ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko warf den Sicherheitskräften vor, ihr Hauptquartier in Kiew gestürmt zu haben. Polizisten und mit Maschinenpistolen bewaffnete Mitglieder einer Sondereinheit seien in die Räume eingedrungen, sagte eine Parteisprecherin. Die Polizei wies dies allerdings zurück, auch der Geheimdienst SBU stritt eine Beteiligung ab. Eine unabhängige Bestätigung für den Vorfall gab es zunächst nicht.
    Demonstranten und Polizisten stehen sich gegenüber
    Keine Annäherung in Sicht (Sergey Dolzhenko / picture alliance / dpa)
    Die USA riefen die Führung in Kiew zu Verhandlungen mit der Opposition auf. US-Vizepräsident Joe Biden sprach mit dem ukrainischen Staatschef Viktor Janukowitsch. "Gewalt hat keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft und ist inkompatibel mit unserer strategischen Partnerschaft", sagte Biden laut einer Mitteilung des Weißen Hauses in Washington. Janukowitsch müsse nun Gespräche mit den Oppositionsführern aufnehmen, mahnte Biden.
    Zuvor hatte der Präsidentenpalast in Kiew mitgeteilt, Janukowitsch sei zu Gesprächen mit der Opposition bereit. Vorher aber wolle er sich am Dienstag mit seinen Amtsvorgängern Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko treffen, um über Wege aus der politischen Krise des Landes zu beraten. Die drei hatten sich in der vergangenen Woche mit den Demonstranten solidarisiert und Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition gefordert. Janukowitsch akzeptiere die Initiative seiner Vorgänger, erklärte nun der Präsidentenpalast.
    Schwindet der Rückhalt der Oligarchen?
    Klitschko erklärte sich grundsätzlich zum Dialog mit Janukowitsch bereit. Er werde aber in allen Gesprächen darauf bestehen, dass die aktuelle Regierung zurücktritt, sagte Klitschko. "Wir haben unsere Forderungen mehr als einmal gestellt und sind bereit, darüber mit Janukowitsch zu reden, da niemand sonst Entscheidungen trifft", sagte er.
    Die überraschende Distanzierung der drei Ex-Präsidenten vom aktuellen Machthaber werten Beobachter als ein Zeichen, dass Janukowitsch den Rückhalt der alten Oligarchen verliert. Dafür spreche auch, dass die Fernsehsender im Land erstaunlich offen über den brutalen Polizeieinsatz gegen Demonstranten auf dem Maidan-Platz berichtet hatten. "Alle Sender, die den 'alten Oligarchen' gehören, haben lückenlos und objektiv über die Demonstrationen berichtet", sagt Natalja Ligatschewa, Expertin für Medienbeobachtung in der Ukraine. Dies lasse vermuten, dass einige der Wirtschaftsmagnaten einen politischen Wandel wollten.