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Ukraine
Droht nach den Protesten die Spaltung?

Als Separatisten-Kongress bezeichneten viele Beobachter die Versammlung der „Partei der Regionen" gestern in Charkiw, in der Ostukraine. Bis vor kurzem hatte diese Partei die Ukraine regiert. Der Gouverneur des Bezirks Michail Dobkin hatte ausschließlich Politiker aus dem Südosten des Landes eingeladen – also aus den Regionen, wo vor vier Jahren eine Mehrheit für den inzwischen abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch gestimmt hatte.

Von Florian Kellermann | 23.02.2014
    Die Proteste gehen weiter: Demonstrant in Kiew schwenkt eine Fahne.
    Die Proteste in der Ukraine haben vieles in Bewegung gesetzt - aber nicht alle sind begeistert darüber. (AFP / Aris Messinis)
    Offizielles Ziel der Veranstaltung: die Umwandlung der Ukraine in einen Bundesstaat. Dobkin erklärte: "Eine Föderalisierung ist die einzige Chance, um die Ruhe in unserem Land zu bewahren und eine Spaltung nicht zuzulassen. Wir sind keine Separatisten, sondern wollen die Ukraine erhalten. Abgesehen davon sprechen auch viele ökonomische Gründe für einen Bundesstaat."
    Kritiker sehen in der Veranstaltung dagegen den Versuch, die südöstlichen Bezirke von der Ukraine loszulösen und eventuell an Russland anzugliedern. Darauf deuteten die Sprechchöre „Russland, Russland" hin, die von den Delegierten kamen. Außerdem nahmen russische Offizielle teil, wie die Vertreter von vier westrussischen Bezirksregierungen.
    Hitzige Diskussionen zwischen EU-Gegnern und -Befürwortern
    Über eine Spaltung der Ukraine wird diskutiert, weil die meisten Menschen in der der Ost- und in der Südukraine skeptisch oder ablehnend auf die jüngsten Ereignisse in Kiew blicken. Die Mehrheit lehnt eine Anbindung ihres Landes an die Europäische Union ab. Denn in diesen Regionen leben viele ethnische Russen. Aber auch die ethnischen Ukrainer hier sprechen überwiegend russisch und sie wollen die guten Beziehungen zum großen Nachbarn pflegen. Viele Arbeitsplätze hängen an den Exporten nach Russland. Die Menschen haben Angst, dass eine EU-Anbindung der Ukraine, für die der Maidan eintritt, das Verhältnis zu Russland nachhaltig stören würde.
    So kam es auf den Straßen der ostukrainischen Städte in den vergangenen 24 Stunden zu hitzigen Diskussionen zwischen EU-Gegnern und -Befürwortern und immer wieder auch zu Schlägereien. In der Bergarbeiterstadt Donezk versammelten sich Janukowitsch-Anhänger.
    Der ukrainischen Präsident Viktor Janukowitsch steht flankiert von zwei blau-gelben Fahnen an einem Rednerpult.
    In der Ostukraine bekam Janukowitsch bei seiner Wahl die meisten Stimmen, hier hat er nach wie vor viele Anhänger. (picture-alliance/dpa)
    "Ich bin Andrej, arbeite in der Metallindustrie. Ich bin dafür, dass sich die Ost- von der Westukraine abspaltet", sagte einer der Männer, ein anderer fügte hinzu: "Wir wollen uns selbst organisieren, zunächst einmal nur, um uns verteidigen, um der Polizei zu helfen. So einen Euromaidan wie in Kiew brauchen wir hier nicht."
    Warnende Worte vor der Spaltung
    Allerdings gibt es auch in der „Partei der Regionen" viele, die eine Spaltung der Ukraine strikt ablehnen. Ganze Bezirksverbände weigerten sich, an dem Kongress in Charkiw teilzunehmen. Schließlich sind die Sponsoren der Partei reiche Geschäftsleute, sogenannte Oligarchen. Sie wollen nicht unter die Kontrolle von Russland geraten. Jurij Miroschnitschenko, ein Vertrauter des abgesetzten Präsidenten Janukowitsch, wandte sich an die Ostukrainer: "Liebe Wähler der Partei der Regionen, ich bitte euch, denkt gar nicht an eine Spaltung des Landes. Die Ukraine ist einig, wird sind alle Ukrainer. Die Probleme, die wir jetzt haben, rühren von unseren Fehlern her. Aus ihnen müssen wir lernen."
    Auch Vertreter der Präsidenten-Partei in Donezk, dem Heimatbezirk von Janukowitsch, gaben sich selbstkritisch. Es dürfe nicht mehr sein, dass ein Mann allein über das Schicksal der Partei bestimme, hieß es. Selbst auf der Halbinsel Krim, wo der Anteil der ethnischen Russen am größten ist, rudert die ehemalige Regierungspartei inzwischen zurück. Von Separatismus sei nie gesprochen worden, sagte der Vize-Ministerpräsident der autonomen Republik.
    Die Charkiwer Aktivisten, die auf eine Loslösung des ukrainischen Südostens drängen, haben derzeit also einen schweren Stand.