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Ukraine-Krise
G8-Gipfel als Drohmittel

Die westlichen Länder drohen Russland damit, wegen des Konflikts um die Ukraine den geplanten G8-Gipfel platzen zu lassen. Der Ausschluss wäre dabei mehr ein politisches als ein wirtschaftliches Signal an Putin. Denn Russland ist nicht in der G8, weil es wirtschaftlich so wichtig wäre.

Von Michael Braun | 03.03.2014
    Ein Demonstrant zeigt am 02.03.2014 vor der russischen Botschaft in Berlin ein Plakat mit der Aufschrift "Putin! Weg! aus der Ukraine".
    Die Bundesregierung droht, den G8-Gipfel platzen zu lassen. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Die Angst vor einem zweiten Kalten Krieg ist im Alltag des Exportgeschäfts noch nicht angekommen. Gerade heute kam die Bitte herein, OP-Leuchten für ein Städtisches Kinderkrankenhaus in Moskau zu liefern, zu installieren und in Betrieb zu nehmen. Die deutsche Außenhandelsorganisation Germany Trade and Invest bietet die Ausschreibungsunterlagen an - für 2,50 Euro.
    Vieles kauft Russland im Ausland, auch, weil die eigenen Industrien kaum wettbewerbsfähig sind. Von Januar bis Oktober 2013 sank die Produktion in der verarbeitenden Industrie um 0,6 Prozent. Wichtige Branchen wie die Holzverarbeitung, die Elektrotechnik, der Fahrzeug- und Maschinenbau hoffen erst im laufenden Jahr auf ein Ende der Talfahrt. Auch das macht deutlich: Russland ist nicht Mitglied in der Runde größten Industrienationen, weil seine Industrie so bedeutend wäre. Erst 1998 war Russland dazu gekommen, als damit aus der G7- die G8-Gruppe wurde:
    "Russland ist politisch sehr, sehr wichtig. Es war ja mal eine Supermacht und hat auch heute noch politisch Gewicht dank seiner militärischen Kraft. Wirtschaftlich ist Russland allerdings nicht eines der bedeutenden Länder der Welt. Dass man Russland in einem G8-Forum eingebunden hat, hat also wohl überwiegend politische Gründe."
    Sagt Holger Schmieding, der Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Daraus folgt, dass auch die amerikanische Drohung, die G8-Gruppe wieder auf die G7-Gruppe zu verkleinern, Russland also wieder auszuschließen, ein politisches Signal wäre. Dramatische wirtschaftliche Folgen hätte es zunächst nicht. Die dürften auch nicht beabsichtigt sein, meint Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank:
    "Ganz kühl analytisch betrachtet. Es ist ja nicht das erste Mal, das Russland interveniert in anderen Ländern und das Völkerrecht bricht. Und bisher war es immer so gewesen, dass der Westen das bedauert. Er hat protestiert, aber er ist nicht wirklich eingestiegen in diesen Konflikt. Und deshalb halte ich das Bild eines neuen Kalten Krieges für übertrieben."
    Schaden könnte Russland der EU und vor allem Deutschland auf dem Gasmarkt. Rund 20 Prozent der russischen Gaslieferungen gehen in die EU. Deutschland deckt sogar 30 Prozent seines Bedarfs mit russischem Gas. Einiges fließt davon durch die Ukraine, auch, wenn deren Bedeutung als Transitland für russisches Gas abgenommen hat, nicht zuletzt durch die Ostsee-Pipline Nord Stream. Ob Russland Gas aber als politisches Druckmittel einsetzt, ist zweifelhaft.
    "Russland mag öfters in der Vergangenheit das Völkerrecht gebrochen haben. Aber privatrechtliche Verträge wie Gaslieferverträge, da waren sie in der Vergangenheit sehr, sehr genau und vertragstreu gewesen. Also von daher: Ja, es ist ein Risiko mit dem Gas. Aber ich glaube am Ende nicht, dass es in dieser Frage wirklich brenzlig wird."
    Sagt Commerzbank-Volkswirt Krämer. Und sein Kollege Schmieding von der Berenberg Bank weist darauf hin, dass sich Russland dann auch selbst schaden würde:
    "Eine Art kleiner Kalter Krieg würde Russland als großen Verlierer haben. Auch die Sowjetunion hat damals den Kalten Krieg verloren, schlicht und einfach, weil ihr die Wirtschaftskraft fehlte. Die russische Wirtschaft steht auf relativ tönernen Füßen. Sie ist angewiesen auf die Ausfuhr von Rohstoffen. Sie ist angewiesen auch auf das Vertrauen der Bürger im eigenen Lande."
    Mögliche Liefersperren nach Europa würden allerdings derzeit die Verbraucher nicht unmittelbar spüren. Denn die heimischen Gasspeicher sind wegen des milden Winters gut gefüllt. Und es gibt auch schon Angebote, Gas aus Russland durch Flüssiggas aus Nordafrika zu ersetzen.