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Ukraine nach den US-Wahlen
Poroschenko versucht zu beruhigen

Im russischen Parlament brach nach dem Wahlsieg von Donald Trump spontan Beifall aus. Denn Trump hatte eine Verständigung mit Russland zu einem der wichtigsten außenpolitischen Themen seines Wahlkampfs gemacht. Gar nicht erfreut haben deshalb viele westliche Nachbarländer Russlands auf den Ausgang der US-Wahlen reagiert. Das gilt für Polen, besonders aber für die Ukraine.

Von Florian Kellermann | 10.11.2016
    Das Foto vom 10. November 2016 zeigt eine Auswahl der Zeitungsschlagzeilen der Ukraine nach dem Wahlausgang in den USA.
    Zeitungsschlagzeilen der Ukraine nach dem Wahlausgang in den USA. (AFP/Sergei Supinsky)
    Der wohl häufigste Satz ukrainischer Beobachter nach der Präsidentenwahl in den USA lautet: "Jetzt bloß nicht in Panik verfallen!" Denn die Ukrainer haben nicht vergessen, was Donald Trump im Wahlkampf gesagt hat, vor allem über den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser sei ein "starker Anführer", hatte der künftige US-Präsident erklärt, mit ihm wolle er gemeinsam für den Weltfrieden arbeiten. Selbst die russische Annexion der Krim könne er anerkennen, hatte Trump in einem Interview in Aussicht gestellt:
    "Ich werde mir das genau anschauen. Soviel ich gehört habe, wollen die Menschen dort eher zu Russland gehören. Das müssen wir auch berücksichtigen. Die Situation in der Ukraine ist ohnehin ein Durcheinander. Ich will bessere Beziehungen zu Russland, und das ist etwas Gutes."
    Die Ukraine ist durch den Wahlsieg Trumps alarmiert
    Deshalb läuten seit gestern in der Ukraine die Alarmglocken. Viele interpretieren Trumps Aussagen so, dass er Putin freie Hand lassen werde in der Ukraine, die der Kreml als russisches Einflussgebiet betrachtet. Das russische Vorgehen im Donezbecken, wo Moskau eine separatistische Bewegung angestiftet hat und unterstützt, erwähnt Trump bisher mit keinem Wort. Gefährlich für die Ukraine findet das auch der Kiewer Politikwissenschafter Petro Oleschtschuk:
    "Das Prinzip der russischen Politik gegenüber der Ukraine besteht darin, unser Land zu destabilisieren. In der Folge kann Russland dann Verhandlungen vorschlagen und sich als ordnende Kraft präsentieren. Nach dem Sieg Trumps schließe ich nicht aus, dass Putin den Stier bei den Hörnern packt und noch mehr solche aggressiven Projekte startet."
    Schlecht für die Ukraine ist, dass ihre führenden Politiker auch keinen direkten Draht ins Trump-Lager haben. Präsident Petro Poroschenko bemühte sich bei einem Besuch in New York im September vergeblich, den damaligen Kandidaten der Republikaner zu treffen. Erst gestern am Nachmittag gratulierte das ukrainische Staatsoberhaupt in einem Interview und betont auf Englisch:
    "Es zeugt von einer wirklich demokratischen Entscheidung, wenn vor der Auszählung niemand weiß, wie eine Wahl ausgehen wird. Die Bürger der USA sind unsere verlässlichen strategischen Partner und Freunde. Mit dem Sieg der Wahl übernimmt der neue Präsident auch die globale Verantwortung der USA. Das ist eine sehr ehrenvolle und wichtige Aufgabe."
    Ukrainische Kommentatoren hoffen auf Kongress und Senat
    Gleichzeitig versuchte Poroschenko, die Gemüter in der Ukraine zu beruhigen. Bei den Wahlen zum US-Senat, die gleichzeitig mit der Präsidentenwahl stattfanden, hätten Mitglieder des USA-Ukraine-Ausschusses ihre Mandate verteidigt, sagt er. Das mache es doch möglich, die bisherige Zusammenarbeit fortzusetzen. Die Hoffnung, dass Senat und Kongress die Außenpolitik von Trump beeinflussen könnten, äußerten viele ukrainische Kommentatoren. Denn dort gibt es einige Abgeordnete, die Russland sehr kritisch sehen, unter den Demokraten wie unter den Republikanern. Außerdem weisen manche Beobachter auf Trumps Unberechenbarkeit hin. Er sei auch für Russland kein einfacher Partner, so der Politologe Wolodymyr Fesenko:
    "Ich bin nicht sicher, dass Trump und Putin eine gemeinsame Sprache finden. Sogar ganz anders kann alles kommen, wenn Trump den Eindruck gewinnt, dass er über den Tisch gezogen wird. Dann könnte er darauf sehr emotional reagieren und könnte den Konflikt mit Russland sogar verstärken."
    Polen fürchtet, dass NATO-Zusagen obsolet werden
    Auch im westlichen Nachbarland der Ukraine, in Polen, blicken die meisten Beobachter besorgt auf den künftigen US-Präsidenten. Auch hier wegen der möglichen Annäherung zwischen Trump und Putin. Noch im Sommer, beim jüngsten Nato-Gipfel, feierte Warschau einen Erfolg: Das Bündnis soll dauerhaft Soldaten an seiner Ostflanke bereit halten, sie sollen Russland abschrecken. Trump jedoch will nicht nur Putin entgegenkommen, er äußerte sich auch immer wieder skeptisch über das westliche Verteidigungsbündnis. Polnische Kommentatoren werfen bis jetzt nur die bange Frage auf, ob die Zusagen des Warschauer Nato-Gipfels unter Trump noch gelten.